Leitartikel

Stille Einsicht?

sb - Die Voraussetzungen für das Provisionsgeschäft der Banken sind in einer Hinsicht so gut wie noch nie. Die technische Integration von Fonds- oder Versicherungsprodukten in die Banksysteme ist fast überall sehr ordentlich realisiert. Und IT-gestützte Beratungslösungen tragen dazu bei, unabhängig von der Erfahrung des jeweiligen Beraters bankweit wenigstens einen Mindest-Qualitätsstandard sicherzustellen. Dass sich Ertragsrückgänge aus dem Zinsgeschäft bislang durch den Provisionsüberschuss dennoch nicht kompensieren lassen, ist insofern eine Preisfrage ebenso wie eine Image-Frage. In der Geiz-ist-Geil-Welle, die im Retailbanking noch immer fröhliche Urstände feiert, sind Depot- und Transaktionsgebühren gleichermaßen suspekt wie Preise fürs Girokonto oder die Kreditkarte. Davon profitieren vor allem die Direktbanken, die aus Kundensicht zudem den Vorteil haben, im Hinblick auf die Produktpartner seit jeher neutral zu sein. Zwar ver kaufen auch die Berater der Filialbanken längst nicht mehr nur Produkte von Konzern- oder Verbundunternehmen. In den Köpfen vieler Kunden ist dies aber noch nicht angekommen, zumal die Auswahl der in die Beratung einbezogenen Anbieter aus Gründen der Praktikabilität meist immer noch begrenzt ist. Wirkliche Objektivität traut man den Banken nicht zu - und die Öffentlichkeitswirkung von BGH-Urteilen oder EU-Initiativen zum Thema Vergütung trägt nicht eben dazu bei, das Image der Branche zu verbessern. Vielmehr fühlen sich diejenigen bestätigt, die die Beratung der Banken schon immer im Verdacht hatten, mehr provisionsgesteuert als an den Bedürfnissen der Kunden orientiert zu sein.

Dass dieses festsitzende antike Misstrauen der Menschen gegenüber all jenen, die ver dienen, ohne etwas produziert zu haben, nicht (mehr) die Finanzvermittler trifft, darf man getrost als Erfolg der Marketingbemühungen der einstigen "Strukturvertriebe" werten. Dass auch sie von Provisionen leben (müssen), realisiert der Kunde nicht - oder er ist weniger sensibel dafür, weil er hier keine Dagobert-Duck-Mentalität wittert, wie sie den Kreditinstituten pauschal unterstellt wird. Allein das Zauberwort "unabhängig" liefert einen gewissen Vertrauensvorschuss. Namentlich AWD hat dies denn auch bisher kräftig vermarktet. Nach der Übernahme durch Swiss Life wird das künftig so wohl nicht mehr möglich sein. In den Köpfen der Kunden hält sich derartiges aber lange. Hoffnungen von Banken und Sparkassen auf massenhafte Rückkehr der Kunden wären insofern absurd.

Wenn also die Provisionserträge durch einen Wandel im Zahlungsverkehr oder durch MiFID ähnlich unter Druck geraten wie die Zinsmarge, stellt sich die Frage nach zusätzlichen Ertragsquellen. Ebenso wie im Drogeriemarkt, beim Kaffeeröster oder beim Discounter Kreditkarten, Tagesgeldkonten, Versicherungen oder Konsumentenkredite vertrieben werden, müssen Banken den Spieß umdrehen. Die SB-Infrastruktur lässt sich für das Aufladen von Mobilfunk-Prepaid-Guthaben oder den Verkauf von Veranstaltungstickets nutzen, am Schalter könnten Mobilfunkverträge ebenso abgeschlossen werden wie Stromverträge, und wenn Lidl Pauschalreisen vertreiben kann, so kann es die Sparkasse sicher auch. Begeisterungsstürme weckt das alles in der Branche nicht. Bei der Nutzung der SB-Geräte für Zusatzservices wird auf mögliche Warteschlangen verwiesen und bei von Mitarbeitern erbrachten Zusatzleistungen - je nach Sichtweise auf deren Über- oder Unterforderung. Am häufigsten genutztes Gegenargument ist die Verwässerung des eigenen Profils. Und dennoch: Die Vehemenz, mit der K. O.-Argumente vorgetragen werden, lässt spürbar nach. Dass Rechenzentren immer neue Lösungen für die Integration von Zusatzdienstleistungen anbieten, dass die Nord-LB versucht hat, ihren Sparkassen die Einnahmequelle Lotto zu erschließen, und dass die Kooperationsgespräche der Sparkassenorganisation mit der Pin Group offenbar so weit gediehen sind, dass sogar eine finanzielle Beteiligung ins Gespräch gebracht (wenn auch vom DSGV dementiert) wird, beweist: Offizielle Warnungen vor dem Gemischtwarenladen Kreditinstitut und das praktische Geschehen vor Ort sind zwei Paar Schuhe. Und dafür ist es hohe Zeit.

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