Gespräch des Tages

40 Jahre IBF - Im Dienste der Finanzgeschichtsforschung

Finanzkrisen gibt es seit Jahrhunderten. Wie die beiden bekannten amerikanischen Finanztheoretiker Franklin Allen und Douglas Gale feststellen, treten sie auffallend häufig sehr plötzlich, also ohne deutliche Warnsignale auf, vielfach nach einer Zeit hoher Wachstumsraten und steigender Preise zum Beispiel von Aktien, von Immobilien oder auch von Realgütern.* Letzteres konnte man im Fall der Großen Tulpenhysterie in Holland im 17. Jahrhundert beobachten, der häufig beschriebenen Spekulationsblase, die am 7. Februar 1637 platzte und in der Folge ein massives Einschreiten der holländischen Städte in den Tulpenhandel erforderlich machte. Die Krise hatte die Beteiligten plötzlich überrascht, nachdem sich der Tulpenhandel nach der ersten Einfuhr der Tulpen aus der Türkei über viele Jahre lang sehr positiv entwickelt und den Beteiligten hohe Profite gebracht hatte.

Wirtschaftstheoretiker versuchen, Finanzkrisen mit Hilfe formaler Modelle zu erfassen und zu erklären. Empiriker setzen darauf, die Wirkungen der Finanzkrisen in Abhängigkeit bestimmter Variablen statistisch zu beschreiben. Es besteht in der Wissenschaft aber weitgehend Übereinstimmung darüber, dass solche Ansätze die Feinstruktur der real zu beobachtenden Krisen nicht erfassen und abbilden können. Hier setzt die wirtschaftshistorische Forschung an, die auf den ökonomischen Modellen aufbaut, aber dem institutionellen Umfeld sowie den Besonderheiten des Zusammenwirkens der beteiligten Parteien und Institutionen in der jeweiligen Situation ihre besondere Aufmerksamkeit widmet.

So erweist sich, dass Auftrag und Zielsetzung des Instituts für bankhistorische Forschung e. V. auch im 40. Jahr seines Bestehens von unverminderter Aktualität sind. Und dass die Diskussion führender Ökonomen über den richtigen wissenschaftlichen Ansatz zur Erklärung und Lösung der Krise inzwischen die Öffentlichkeit erreicht hat, kann das Institut nur begrüßen, begegnet es doch zuweilen dem Vorurteil, Finanzgeschichte sei nur etwas für spezialisierte Wissenschaftler und Pensionäre.

Die Mitglieder des seit 1969 bestehenden gemeinnützigen Vereins - darunter zahlreiche Institute und Verbände aller Sparten der Kreditwirtschaft - wissen es besser: Sie fördern das Institut unter anderem deshalb, weil die Aufarbeitung und Vermittlung historischer Zusammenhänge hier kein Selbstzweck ist, sondern als Schlüssel zum Verständnis gegenwärtiger Entwicklungen und Strukturen in der Praxis betrieben wird. Daher zeichnen sich seine Tagungen und Symposien immer gleichwertig durch die historische Perspektive und die aktuellen Bezüge und Fragestellungen aus.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die internationale Tagung des Instituts zur Finanzkrise, die im Juni dieses Jahres gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main veranstaltet wurde. Gefragt wurde, welchen erfassbaren Mustern Finanzkrisen weltweit folgen und von welchen Faktoren das erfolgreiche Management von Finanzkrisen abhängt - nachzulesen in dem im Oktober erscheinenden Tagungsband, den das Institut herausgibt.

Öffentliche Vortragsveranstaltungen und wissenschaftliche Kolloquien veranstaltete das Institut seit Mitte der siebziger Jahre im jährlichen Rhythmus. Das Themenspektrum der Tagungen reicht von kreditwirtschaftlichen Problemen und Kapitalmarktthemen über geld- und währungspolitische Fragestellungen bis hin zu Organisationsstrukturen und Aufgabenbereichen innerhalb der Kreditinstitute sowie des Finanzsystems insgesamt.

Das Institut ist Initiator und Herausgeber umfassender finanzgeschichtlicher Überblicksdarstellungen, die in der Zwischenzeit den Rang von Standardwerken erlangt haben und nicht nur dem akademischen Gebrauch dienen. Sie richten sich gezielt auch an die interessierte Öffentlichkeit wie beispielsweise die , Deutsche Bankengeschichte', die , Deutsche Börsengeschichte' und die , Europäische Bankengeschichte', die Sammelbände zur Geschichte einzelner Finanzplätze in Deutschland (bisher Berlin und München) oder der neue, biografisch angelegte Band , Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts'. Eine Schriftenreihe, die insbesondere Dissertationen aufnimmt, und die auf Fragen der "financial history" spezialisierte Zeitschrift bieten dem wissenschaftlich-universitären Diskurs ein anspruchsvolles Forum. Die Grundlagenforschung zur Geschichte von Finanzsystemen, insbesondere der Geld- und Kreditwirtschaft in Deutschland, hat in dem gemeinnützigen Verein somit eine ihrer wichtigsten Plattformen.

Aus der Initiative des Wirtschaftsjournalisten Erich Achterberg, der gemeinsam mit Volker Muthesius seit 1948 die Redaktion der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen leitete, entwickelte sich das in Frankfurt beheimatete Institut dank der Unterstützung führender Persönlichkeiten aus Instituten aller Sparten der Kreditwirtschaft zu einem zentralen Impulsgeber für die Wissenschaft. Und darüber hinaus wurde es zu einem wichtigen Partner der Kreditinstitute bei Fragen der archivischen Bewahrung und wissenschaftliche Aufarbeitung ihres Herkommens und historischen Profils.

* Allen / Gale: An Introduction to Financial Crisis, August 2007.

Prof. Dr. Bernd Rudolph, Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzierung, Ludwig-Maximilians-Universität München, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts

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