Verbraucherschutz

Spezialvorschriften gaukeln dem Bankkunden eine falsche Sicherheit vor

Zum 1. November 2009 jährt sich erneut die Umsetzung der MiFID in deutsches Recht, wie das Wertpapierhandelsgesetz. Seitdem bestimmt der neu aufgenommene § 31d WpHG ausdrücklich, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit der Beratung seiner Kundschaft "... keine Zuwendungen von Dritten annehmen ..." darf, von Ausnahmen ("... es sei denn ...") abgesehen.

Was hat die Beratungspraxis der Kreditwirtschaft daraus gemacht? Vermutlich das Gegenteil, vergegenwärtigt man sich die Erfahrungen, die die Klienten des Autors seit dem 1. November 2007 machen mussten. Soweit sie Aufklärungsmaterial erhielten, machte es mehr den Eindruck einer bloßen "Formalität". Auf den sich aus Rückvergütungen, dem sogenannten "Kick-Back", ergebenden Interessenkonflikt wird bis heute nicht auf eine Art und Weise hingewiesen, dass die Kundschaft ihre Gefährdung erkennen könnte.

Gesetzgeber gab Startschuss für den Zertifikatevertrieb

Schon im Zusammenhang mit der - mittlerweile für die Zukunft geänderten - Verjährungsvorschrift des § 37a WpHG a. F. hatte der Gesetzgeber weniger den Schutz der Kundschaft im Auge, sondern verfolgte mit dem dritten Finanzmarktförderungsgesetz vom 24. März 1998 erklärtermaßen das Ziel, der Kreditwirtschaft die Empfehlung riskanter Papiere zu erleichtern.

Er hat damit vermutlich den Startschuss gegeben unter anderem für das "Zertifikateunwesen", das nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Turbulenzen an den Weltfinanzmärkten katastrophale Verluste für eine große Zahl von Anlegern mit sich brachte. Für sie war oft die Nähe zu dem Sicherheit ausstrahlenden Begriff der "Zertifizierung" Bekräftigung für das ihnen gegebene Versprechen, mit solchen "Finanzinnovationen" ihrem Ziel der Vermögensbildung für den Lebensabend einen entscheidenden Schritt nähergekommen zu sein.

Mit den Wählerstimmen versprechenden Ankündigungen, mit Gesetzesänderungen den Verbraucherschutz zu stärken, hat die Rechtswirklichkeit nicht Schritt gehalten. So sind, wenn die Rechtsprechung des BGH der Kreditwirtschaft Grenzen setzt, Grundlage nicht "Spezialvorschriften" aus dem WpHG oder anderen Verordnungen, sondern das von dem Grundsatz von Treu und Glauben geprägte gute alte Bürgerliche Gesetzbuch.

Orientierung am Kundeninteresse muss Grundsatz sein

Auf dessen Grundlage hat der Banksenat des BGH im Jahre 1993 im bekannten Bond-Urteil seine seit Jahren bestehende Rechtsprechung zusammengefasst. Diese Entscheidung gilt heute selbst außerhalb von Juristenkreisen als Maßstab, an den sich beratende Banken und Sparkassen zu halten haben.

Sie lässt sich auf den einfachen Grundsatz komprimieren, dass sich die Kreditwirtschaft bei ihren Empfehlungen an den Interessen ihrer Kunden zu orientieren hat und nicht an den eigenen, umsatzträchtige "Geschäfte" zu machen. Bei konsequenter Anwendung dieser Regel brauchte es keine Gesetzesänderungen.

Sie gaukeln dem Verbraucher oft eine Sicherheit vor, die er tatsächlich nicht hat. Nimmt man zum Beispiel die Verbesserungen bei den Widerrufsmöglichkeiten, muss auffallen, wie viele Anleger sich heute geschädigt fühlen, obwohl sie schon vor vielen Jahren die Möglichkeit gehabt hätten, sich beispielsweise von der Teilfinanzierung von geschlossenen Fonds durch eine einfache Widerrufserklärung zu befreien.

Kaum Hoffnung auf Änderung des Beratungsverhaltens

In den ganz überwiegenden Fällen gerät der Anleger aber nicht schon in der kurzen Widerrufsfrist ins "Grübeln" oder hinterfragt seine auf die als vertrauenswürdig empfundene Beratung zurückgehende Anlageentscheidung. Stellt er Monate, gelegentlich Jahre später fest, dass ihm leere Versprechungen gemacht wurden, ist es in der Regel und wenn die verwendeten Formulierungen ausreichend waren, für einen Widerruf zu spät. Diese Möglichkeit mag vor unbedachten Entscheidungen schützen. Welcher Bankkunde aber hat nach einer als kompetent empfundenen Beratung schon innerhalb der Widerrufsfrist das Gefühl, er habe "unbedacht" gehandelt?

Die bisherigen Widerrufsmöglichkeiten haben die Kreditwirtschaft nicht gehindert, altbekannte Produkte weiter zu vertreiben. Eine Änderung des Beratungsverhaltens für die Zukunft wird man kaum erhoffen dürfen.

BGH: WestLB hätte warnen müssen

Schon 1990 hat sich der Bundesgerichtshof mit dem Thema umsatzabhängiger Rückvergütungen befasst und in bemerkenswerter Deutlichkeit herausgestellt, dass derjenige, der sich Zuwendungen zahlen lässt in der Absicht, sie nicht an seinen Kunden weiterzuleiten, und sie mithin einbehält, um sich zu bereichern, ohne weiteres als Betrüger angesehen werden darf.

Etwa weitere zehn Jahre später hat der Banksenat des BGH der WestLB ins Stammbuch geschrieben, dass sie von sich aus ihre Kundschaft hätte warnen müssen, wenn sie dem Vermögensverwalter, dem diese nicht unbeträchtliche Geldbeträge anvertraute, durch die Zahlung von Rückvergütungen den Anreiz setzte, im Interesse eines möglichst hohen Umsatzes die Interessen der Klientel nicht mehr in den Vordergrund zu stellen.

Im Jahre 2006 entschied der BGH, dass sich eine beratende Bank der Inempfangnahme solcher Zuwendungen enthalten oder aber den Kunden vor dem darin zu sehenden fragwürdigen Verhalten zu warnen habe. In kurzer Aufeinanderfolge im ersten Halbjahr 2009 setzte er diese Rechtsprechung fort und zeichnete das Bild einer Rechtslage, die dem beratenen Kunden der Kreditwirtschaft, der durch Kursverluste oder Ähnliches einen Schaden erlitten hat, in fast jedem denkbaren Fall eines Interessenkonfliktes durch Zuwendungen einen sehr weitreichenden Schadensersatzanspruch in Aussicht stellt.

Kick-Back-Thematik unterschätzt

Parallel zu dieser Entwicklung stieg spürbar das Interesse der Verbraucherschaft an solchen Informationen. Die Presse griff das Thema auf und stellte Musterbriefe zur Verfügung. Anleger, die bis dahin auch stattliche Verluste mehr oder minder "entspannt" entgegennahmen, wurden aufmerksam auf dieses Thema, selbst wenn die anzunehmenden Provisionszahlungen im Verhältnis zu den eingetretenen Kursverlusten überwiegend nur eine marginale Größe erreichten. Neue "Verbraucherschutzvorschriften" haben diese Entwicklung weder ausgelöst noch gefördert.

Im Gegenteil. Nicht einmal angesichts der Aufnahme eines ausdrücklichen Verbots ins WpHG hat die Kreditwirtschaft angehoben, das sich abzeichnende Unheil in Gestalt der Zunahme unzufriedener, Schadensersatzansprüche stellender Kunden ernst zu nehmen und auch in ihrem eigenen Interesse eine möglichst "geräuschlose" Regulierung alter Fälle anzustreben.

Stattdessen geht sie keinem noch so aussichtslosen Rechtsstreit aus dem Weg und provoziert weitere Urteile insbesondere des BGH, die deutlich einen zunehmenden Unwillen gegenüber erstinstanzlicher Rechtsprechung erkennen lassen, wenn sie der Kick-Back-Thematik nicht die Schadensersatz begründende Bedeutung gibt, die ihr zukommt.

Ignorante Haltung der Kreditwirtschaft

Selbst im Tagesgeschäft reagiert die Kreditwirtschaft nicht auf die am Horizont aufziehenden dunklen Wolken und bevorzugt weiterhin eine nach dem WpHG grundsätzlich verbotene Praxis zulasten bekannter Alternativen wie der Honorarberatung.

Dem Anleger, der Verluste erleidet, kann das im Ergebnis nur recht sein, bedeutet diese ignorante Haltung doch die begründete Aussicht, auch weiterhin in vielen Fällen beratende Banken und Sparkassen, wenn sich ihre Versprechungen nicht bewahrheiten, auf Schadensersatz in Anspruch nehmen zu können.

Das mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass die Kreditwirtschaft Schadensersatzbeträge mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum von Prozessbeginn an verzinsen muss. Je länger ein Rechtsstreit dauert, desto mehr gleicht er einer von dem verklagten Institut herausgegebenen Anleihe mit einem Zinscoupon, den heutzutage sonst nur Junk Bonds aufweisen. Ein Schelm, wer bei dieser Parallele Böses denkt.

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