Vertriebspolitik

Rote Post: Zusatzerträge bei geringem Risiko

Einen neuen Kunden zu gewinnen kann bis zu fünfmal teurer sein, als in die Zufriedenheit einer bestehenden Kundenverbindung zu investieren. Diese betriebswirtschaftliche Faustformel zeigt, dass beim harten Kampf um Neukunden die Pflege bestehender Kontakte nicht aus den Augen geraten darf. Noch cleverer allerdings ist es, das eine mit dem anderen zu verbinden.

Wie das im Finanzsektor gehen kann, macht seit knapp einem Jahr die Sparkasse Leipzig vor. Seit Ende März 2006 bietet das Institut als erste deutsche Sparkasse umfassend Postdienstleistungen in ausgewählten Geschäftsstellen an. Sie schafft damit nicht nur einen interessanten Mehrwert für diejenigen, die hier regelmäßig ihre Bankgeschäfte erledigen - sie lockt im gesamten Geschäftsgebiet auch neue Gesichter in ihre Filialen.

Post- und Finanzdienstleistungen zur Kombination geeignet

In Kooperation mit dem Briefdienstleister Pin AG schickt sich die Sparkasse Leipzig an, der Deutschen Post ernsthaft Konkurrenz zu machen. Die Zeichen der Zeit stehen günstig: Rechtzeitig vor dem Fall des Postmonopols zum 1. Januar 2008 bringt sich das Finanzinstitut in seinem regionalen Geschäftsgebiet als "Rote Post" in Stellung. Mit der Pin AG hat es dabei den größten privaten Briefdienstleister Deutschlands im Boot, der schon heute zu den wichtigsten Konkurrenten der gelben Post zählt und beabsichtigt, von dem rund zehn Milliarden schweren Markt bis zum Jahr 2010 etwa zehn Prozent für sich zu erobern.

Von Beginn der Aktion an herrschte die Überzeugung vor, dass eine hohe Akzeptanz für den gemeinsamen Vertrieb von Post- und Finanzdienstleistungen vorhanden ist. Nicht ohne Grund ist mit der Postbank ein Wettbewerber genau an dieser Schnittstelle zu finden.

Mit zunächst fünf Brief-Shops startete die Sparkasse ihre Offensive im gesamten Geschäftsgebiet, zu dem auch die Landkreise Leipziger Land, Delitzsch und Torgau-Oschatz gehören. Ein weiterer kam Ende des Jahres in Eilenburg hinzu. Hier können an eigens eingerichteten Schaltern Briefe, Infosendungen, Päckchen und Pakete aufgegeben und die dafür notwendigen Briefmarken erworben werden.

Pin AG bietet preiswerter an als die gelbe Post

Auf den Briefmarken waren bis Jahresende erfolgreiche Sportler der Region abgebildet, welche die Sparkasse Leipzig unterstützt: HCL-Sportlerin Ingrida Radzeviciute, Leichtathlet Thomas Blaschek, Judoka Annett Böhm, Turmspringerin Heike Fischer und Volleyballer Lutz Mühlisch. Tierliebhaber und Philatelisten können sich bereits auf neue Motive mit Bewohnern des Leipziger Zoos freuen.

Seit Ende Juli 2006 können Kunden die Marken auch in zwei weiteren Geschäftsstellen direkt am Sparkassenschalter kaufen. Aufgrund der positiven Ergebnisse kamen im Dezember fünf und seit Beginn dieses Jahres 31 neue Standorte der sogenannten Light-Shops dazu. Bereits im Mai und Juni folgen weitere zwölf.

An allen Light-Shop- und Brief-Shop-Standorten können Kunden ihre frankierte Post in die aufgestellten Briefkästen einwerfen. Diese befinden sich in den Selbstbedienungsbereichen und sind somit 24 Stunden täglich zugänglich. Zudem wurden an zusätzlichen zwölf Standorten Briefkästen zur Steigerung des Kundenservice installiert.

Durch das Dienstleistungsangebot kann der Kundenservice gleich auf doppelte Weise erhöht werden. Denn Sparkassenkunden können sich ab sofort nicht nur den Extraweg zur Postfiliale, sondern auch eine Menge Porto sparen. Im Vergleich zu den Tarifen der Deutschen Post gehen von hier aus die Sendungen von Privatkunden rund fünf Prozent günstiger auf die Reise.

Vorsteuerabzugsberechtigte Firmen- und Gewerbekunden sparen sogar über 20 Prozent. Um ein Beispiel zu nennen: Gegenüber 55 Cent bei der gelben Post zahlen Privatkunden brutto 52 Cent, gewerbliche Kunden sogar nur 44 Cent netto.

Manko: eingeschränktes Zustellgebiet der Pin AG

Die zusätzliche Serviceleistung kommt an. Wie eine dreistufige Befragung unter Privatkunden der Sparkasse Leipzig ergab, wurde das Postgeschäft bereits von knapp der Hälfte der Befragten tatsächlich genutzt, 84 Prozent befürworten das Angebot ihres Finanzinstituts. Neben der Zeit- und Kostenersparnis spricht aus Kundensicht auch das dichte Netz der Sparkassenfilialen für einen flächendeckenden Ausbau dieses Engagements.

Als Nachteil wird allerdings noch das bislang eingeschränkte Zustellgebiet der Pin AG gesehen: Derzeit beliefert der private Briefdienstleister aus Sachsen heraus vor allem die neuen Bundesländer sowie einige westdeutsche Großstädte wie Hannover, Frankfurt oder Köln. Die Planung für 2007 sieht jedoch vor, im Jahresverlauf eine deutschlandweite Abdeckung zu erreichen.

Auch die Mitarbeiter der Sparkasse Leipzig attestieren den Brief-Shops positive Effekte auf die Kundenbindung. Sie wurden parallel zur Privat- und Firmenkundenbefragung um ihre Meinung gebeten. Eine klare Mehrheit befürwortet dieses Angebot und sieht auf diese Weise die Attraktivität der Geschäftsstellen aufgewertet.

Sowohl in den Mehreinnahmen als auch in dem zu erwartenden deutlichen Imagegewinn sieht außerdem der Großteil der Mitarbeiter einen wichtigen Beitrag zur Standortsicherung der jeweiligen Geschäftstellen. Es verwundert daher nicht, dass sich 92 Prozent der befragten Mitarbeiter für eine Integration weiterer Brief-Shops aussprechen.

Fünf der sechs Brief-Shops werden selbst betrieben

Als mutig und innovativ bezeichnet Olaf Ruppe, Geschäftsführer der Pin Shops & Services GmbH, den Schritt der Sparkasse Leipzig, in ihrem Geschäftsgebiet in das Postgeschäft einzusteigen. Es nehme vorweg, was sich so richtig erst mit dem Fall des Postmonopols durchsetzen werde, so Ruppe. Drei Betriebsformen wurden im Verlauf der bis Ende September laufenden Pilotphase gemeinsam entwickelt und erfolgreich eingeführt: So werden fünf der sechs bereits installierten Shop-in-Shop-Systeme vom Leipziger Finanzinstitut selbst betrieben, ein weiterer ist von der Pin AG angemietet.

Den bereits im letzten Jahr eröffneten Light-Shops, in denen ausschließlich Briefmarken für den nationalen Postkarten- und Briefversand verkauft werden, folgen bis zur Jahresmitte 42 neue Standorte. Bis dahin werden auch 38 weitere Briefkästen installiert sein, die rund um die Uhr erreichbar sind. Vorteil der Light-Variante: Sie schafft direkt zusätzliche Erträge, bindet kaum personelle Ressourcen und erfordert keine Investitionen in teure Technik oder Ausstattung. Zudem bleibt der Schulungs- und Implementierungsaufwand gering.

Bessere Auslastung der Geschäftsstellen und Erhöhung der Kontaktfrequenz

Für die Sparkasse Leipzig ist der neue Geschäftszweig gleich in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn. Wie die Auswertung nach Abschluss der Pilotphase zeigt, lässt sich durch das Angebot von Postdienstleistungen eine bessere Auslastung vorhandener Geschäftsstellen sowie eine Erhöhung der Kontaktfrequenz und Kundenbindung erreichen. Zudem werden Zusatzerträge erzielt und neue Kunden angesprochen. Im Vergleich zu den Potenzialen sind die unternehmerischen Risiken dabei vor allem bei der Light-Shop-Variante verhältnismäßig gering. Ohne Zusatzkosten werden direkte Erträge erzielt. Darüber hinaus profitiert die Sparkasse direkt vom Geschäftserfolg der Pin AG und es entstehen über die Shopvermietung zusätzliche Einnahmen. Eine größere Anzahl von Sparkassen hat bereits Interesse signalisiert, das Leipziger Modell auch für das eigene Geschäftsgebiet zu prüfen.

Ein Blick auf die bisherige Umsatzentwicklung der Brief-Shops gibt allen Grund zu weiterem Optimismus: Von rund 6 700 Euro im April 2006 kletterte der Umsatz im Dezember auf über 31 000 Euro (2006 insgesamt: 149 500 Euro). Im selben Zeitraum stieg die Zahl der hier aufgegebenen Briefe sprunghaft von rund 13 900 auf 64 800 Stück an (2006 insgesamt: zirka 312 000 Briefe). Rechnet man die laufenden Betriebskosten dagegen, steht für das erste Jahr zwar noch ein Minus vor dem Ergebnis - für 2007 wird allerdings schon ein Plus von rund 12 000 Euro prognostiziert. Der Break-even wird zur Jahresmitte erwartet.

Diese positive Entwicklung wird durch einen zusätzlichen Faktor noch verstärkt: Akquise. Für jeden postalischen Großkunden, den die Sparkasse Leipzig an ihren Kooperationspartner vermittelt, erhält sie eine so genannte Tipp-Provision. Dass sich die Umstellung rechnet, macht die Sparkasse vor. Neben dem postalischen Kundengeschäft nutzt sie das Kostenoptimierungspotenzial beim eigenen Briefversand. Sie spart weit über 20 Prozent gegenüber dem Standardpreis der Deutschen Post AG, seitdem die Pin AG den kompletten Versand übernommen hat.

Weitere 42 Geschäftsstellen im ersten Halbjahr 2007

Auf dem Weg zu einem flächendeckenden Angebot der Briefdienstleistungen setzt die "Rote Post" vorerst auf die "leichte" Variante. So werden im ersten Halbjahr 2007 in insgesamt 42 weiteren Geschäftsstellen des gesamten Vertriebsgebietes Light-Shops eingerichtet. Von Geithain und Frohburg (Landkreis Leipziger Land) über Bad Düben und Schkeuditz (Delitzsch) bis nach Wermsdorf und Dahlen (Torgau-Oschatz) und in weiteren Filialen im Leipziger Stadtgebiet können Kunden Briefmarken kaufen und Postkarten sowie Briefe aufgeben.

Diese Entwicklung dürfte indes nicht nur die beteiligten Akteure freuen, sondern auch die Vielzahl der Kunden, die in den Genuss der zusätzlichen Leistung kommen: Wie die 2006 durchgeführte Befragung von Privatkunden ergab, wollen 70 Prozent die Brief-Shops auch in Zukunft für ihren Postverkehr nutzen, 90 Prozent befürworten prinzipiell, dass ihre Sparkasse bankfremde Leistungen anbietet. Und hoffen dabei durchaus auf mehr - etwa auf den zusätzlichen Verkauf von Fahrkarten, Lottoscheinen oder Presseartikeln. Diese Wunschdienstleistungen müssen aus Kundensicht jedoch zum Charakter einer Bank passen. Supermarktähnliche Zustände will hier keiner haben.

Was die Zukunft auch an weiteren interessanten Neugeschäften bringen mag - die Kernkompetenzen des Finanzinstituts bleiben davon unberührt. Die Sparkasse Leipzig ist und bleibt vor allem eines: der wichtigste Finanzdienstleister für die hiesige Wirtschaftsregion.

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