50 Jahre Konsumentenkredit

Mit der Readybank wurde die Trendwende vollzogen

Im Januar 2007 stellte sich die Ausgangslage für die Verbund-Sparkasse Emsdetten Ochtrup so einfach wie unbefriedigend dar. In Deutschland umfasste das Ratenkreditgeschäft seit 2004 in schöner Regelmäßigkeit rund 130 Milliarden Euro Volumen. Heruntergerechnet auf die Einwohnerzahl im Geschäftsgebiet der Sparkasse betrug das gesamte Marktvolumen etwa 89 Millionen Euro.

Mit einem Konsumentenkreditgeschäftsvolumen von rund 4,3 Millionen Euro hielt das Institut einen Marktanteil von weniger als fünf Prozent, und das mit absteigender Tendenz. Für eine Sparkasse, die sich gerade im Privatkundengeschäft als Marktführer sehen muss, eine äußerst unbefriedigende Feststellung.

Auch wenn es den meisten Sparkassen in Deutschland ähnlich ging: Es musste eine umfassende Lösung her, die das Institut in die Lage versetzte, Marktanteile zu gewinnen und an diesem lukrativen Geschäft mehr zu verdienen. Rechnet man mit einer nicht zu hoch gegriffenen Nettomarge von zwei Prozent nach Bewertung, liefen Ergebnispotenziale von 1,78 Millionen Euro jährlich zu unseren Wettbewerbern. In der S-Organisation - so der subjektive Eindruck - wurde und wird das wirtschaftliche Potential des Produkts aus vielfältigen Gründen immer wieder unterschätzt.

Fehlendes Bearbeitungstool

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig und in Teilen komplex. Aus der prozessualen Sicht fehlte das smarte Bearbeitungstool, mit dem ein Großteil unserer Wettbewerber diesen Markt schnell und fallabschließend bearbeitet. Überhaupt der Wettbewerb: Er besteht im Ratenkreditgeschäft eben nicht überwiegend aus Sparkassen und Volksbanken. Gemäß einer internen Analyse des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes auf der Basis der Bundesbankstatistiken hielten die Töchter und Filialen von Auslandsbanken zu gleicher Zeit einen Marktanteil von über 50 Prozent. Das waren also die eigentlichen Mitbewerber.

Die Vertriebsorganisation einiger dieser Wettbewerber, wie die der Autobanken auch, greift im Verkauf nicht auf die Talente von Bankmitarbeitern zurück. Ein Großteil des Marktvolumens wird von Verkaufstalenten am Point of Sale generiert, ohne dass diese Verkäufer über detaillierte Kreditkenntnisse verfügen müssen. Sie bedienen sich der Entscheidungsexpertise eines Bearbeitungstools, das aus statischen Korrelationen die erfolgreiche Einschätzung des Rückzahlungsverhaltens des potentiellen Kundens zu ergründen sucht.

Ob das in allen Fällen besser gelingen wird als über die Erfahrungen der motivierten und den Kunden gut kennenden Mitarbeiter der Sparkasse, ist für die Analyse und vor allem für die Lösung des aufgeworfenen Vertriebsproblems zunächst einmal gar nicht relevant. Denn deren Kreditentscheidungsqualität kam im realen Marktgeschehen in den meisten Fällen gar nicht zur Anwendung. Provokativ formuliert: Sie wurden am Point of Sale nicht gefragt.

Hinderliche Wertung in der Vertriebsphilosophie

Ohne Zweifel hinderlich für eine Ausdehnung des eigenen Marktanteils war auch die Wertung des Konsumentenkreditgeschäfts in der - nennen wir es -Vertriebsphilosophie der Sparkassenorganisation und ihrer Mitarbeiter als Zusatzgeschäft, das nur auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden gemacht wurde. Der Kredit wurde dem Kunden gewährt - ein verräterischer Sprachgebrauch. Keinesfalls wurde der Kunde, der einen Ratenkredit wünschte, als guter, als ertragbringender Kunde verstanden. Und das obwohl die Kalkulation eine eindeutig andere Sprache spricht.

Jetzt einzuwenden, in Amerika habe man anhand der Subprime-Blase erkennen können, wie verheerend sich eine andere Vertriebsphilosophie auszuwirken vermag, ist im Übrigen wenig redlich. Ein Geschäftsmodell falsch anzuwenden und im Risikomanagement nicht richtig und tief genug zu analysieren, wie der Vertrieb das angebotene Modell lebt, spricht zunächst nicht gegen das Geschäftsmodell, sondern primär gegen die Redlichkeit und Qualität der Entscheidungsträger.

Ziele trotz Trendwende nicht allein erreichbar

Die lokal agierende Sparkasse suchte nach Möglichkeiten, mit eigenen Mitteln den analysierten "Teufelskreis" aufzubrechen.

Zu Beginn des Jahres 2007 wurde die Preiskalkulation für Konsumentenkredite mit einem selbst entwickelten Exceltool risikoorientiert ausgerichtet.

Mit zusätzlichen Vertriebsaktionen sollte die Präsenz der Sparkasse als potenzieller Ratenkreditanbieter in den Köpfen der Kundschaft wieder verbessert werden. Gleichzeitig wurde die Zusammenarbeit mit der Deutschen Leasing ausgedehnt, um auch die eine oder andere Autofinanzierung mehr begleiten zu können.

Diese Maßnahmen führten 2007 unmittelbar dazu, dass die Sparkasse keine weiteren Rückgänge im Kreditvolumen mehr hinnehmen musste. Im Gegenteil: Erstmalig seit ungefähr zwei Jahren stiegen die Abschlusszahlen wieder und im Jahresverlauf wurde ein Wachstum von bescheidenen 2,5 Prozent erzielt. Es war klar: So würde das Ziel, wieder stärkster Wettbewerber in diesem Produktfeld zu werden, auf Jahre nicht erreicht werden.

Vollkooperation mit der Readybank

Ein Projekt des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbands hatte in einer breiten Analyse die wirtschaftlichen, vertrieblichen und auch strategischen Aspekte des Konsumentenkreditgeschäfts bewertet. Es war beauftragt, anschließend zusammen mit der Readybank AG, Düsseldorf eine Kooperationslösung für die westfälisch-lippischen Sparkassen zu erarbeiten. Zusammen mit fünf weiteren westfälisch-lippischen Sparkassen hat sich die Verbundsparkasse in der Folge bereit erklärt, die angedachte Kooperation in einem Pilotprojekt umzusetzen.

Seit Mai 2008 wird nun das Geschäftsgebiet in einer Vollkooperation mit der Readybank bearbeitet. Die Düsseldorfer stellen dafür ein smartes internetbasiertes Bearbeitungstool zur Verfügung, in dem die Mitarbeiter den Kreditwunsch des Kunden fallabschließend bearbeiten und in der Regel unmittelbar auch die Kreditentscheidung der Readybank und alle Vertragsunterlagen zurück erhalten.

Gleichzeitig wurde dieses Tool an prominenter Stelle in den Internetauftritt der Sparkasse integriert. Hier kann der Kunde selbstständig den Kredit mit der Readybank abschließen.

Zusätzlich werden Kooperationsverträge mit dem Institut aktiv an die Geschäftskunden vermittelt. Das Händlertool hat eine ähnliche Struktur wie dasjenige für die Mitarbeiter der Sparkasse.

Das Tool der Readybank und deren Kernkompetenz wird nun für die Kreditentscheidung genutzt. Die Rolle der Sparkasse und ihrer Mitarbeiter wandelt sich vom Kreditentscheider zur reinen Vertriebseinheit. Die Sparkasse ist an dieser Stelle wieder marktgerecht aufgestellt. Aus der Kooperation erhält sie eine Abschlussprovision für die mit den Finanzierungen vertriebenen Kreditversicherungen und eine Bestandsprovision auf den im Geschäftsgebiet vermittelten Kreditbestand. Das Modell ist im kalkulatorischen Vergleich mit dem vormaligen eigenen Angebot unter Berücksichtigung angemessener Risikokosten sehr attraktiv.

Im Rahmen der Vollkooperation wurde vereinbart, dass alle Abschlüsse von Kunden, die eine Adresse innerhalb des Geschäftsgebietes haben, zu einer Bestandprovision für die Sparkasse führen, auch dann wenn der Abschluss nicht von dem Institut vermittelt wurde. Diese Vorgehensweise schützt die Kooperation vor möglichen Auseinandersetzungen um irgendwelche Vertriebszuständigkeiten oder -erfolge, wie sie leider in der Zusammenarbeit mit anderen Partnern immer wieder einmal festzustellen sind.

Konzentration auf die Kernkompetenz

Es ist der Sparkasse nun möglich, sich auf ihre ureigene Kompetenz zu konzentrieren und die Rolle als Partner und Berater des Kunden in vielen Lebenslagen noch vollständiger auszufüllen als bisher. Im Rahmen der Vollkooperation mit der Readybank verbleibt die gesamte Vertriebsverantwortung für das Geschäftsgebiet im Haus. Im Rahmen eines jährlichen Planungszyklus mit der Readybank wird die Intensität und Art der Vertriebsmaßnahmen abgesprochen. Dabei konzentrieren sich die Sparkasse vornehmlich darauf, in einer hohen Intensität mehrmals im Jahr alle affinen Kunden auf das Kreditangebot der Readybank schriftlich und per Telefon aufmerksam zu machen. Bei der Festlegung der Intensität erfolgt eine Orientierung an den erfolgreichsten Wettbewerbern. Diese Intensität ist für das gesamte Haus ein neues Erleben und bedurfte anfänglich einer intensiven Begleitkommunikation.

Positives Vertriebserlebnis

Der Wechsel vom Kreditentscheider zum reinen Vertriebler stellt für viele Mitarbeiter eine hohe emotionale Hürde dar, die es gezielt zu überwinden gilt. Alle Mitarbeiter wurden unter Zuhilfenahme einer erfolgsabhängig bezahlten Beratungsgesellschaft auf diesen Wechsel hin gecoacht.

Die anfängliche Zurückhaltung einiger "alter" Hasen löste sich durch das Erleben der Geschwindigkeit, Einfachheit und Klarheit der gesamten Abwicklung schnell in Zustimmung auf. Innerhalb weniger Tage verlauteten die ersten erfreuten Rückmeldungen. Das neue Angebot hatte "den Nerv" getroffen. Als Herausforderer mit einem guten Produkt und einer technisch fortschrittlichen Lösung im Markt agieren zu können, war ein neues und sehr positiv aufgenommenes Vertriebserlebnis.

Von vornherein wurden Cross-Selling- Ansätze und der möglichst obligatorische Abschluss einer Restkreditversicherung in das Coachingprogramm mit aufgenommen. Gleichzeitig wird nun die aktive Ablösung der zahlreichen Wettbewerber in diesem Geschäftsfeld gezielt angegangen. Dabei entfernte sich die Bank vom Zufall als Anlassgenerator, soweit als möglich.

Der vorliegende Artikel beleuchtet nur einige ausgewählte Aspekte des Geschäftsfelds Konsumentenkredite. Mit der eindeutigen und entschlossenen Entscheidung wurde ein Meilenstein für die Verbundspar kasse gesetzt. Die erzielten Ergebnisbeiträge bestätigen in eindrucksvoller Weise, dass das Konsumentenkreditgeschäft nun einen anderen, höheren Stellenwert in der Sparkasse hat.

In der kurzen Zeit seit dem Start des Echtbetriebs im Mai 2008 wurde ein provisionsfähiger Kreditbestand aufgebaut, der dem eigenen Konsumentenkreditbestand in etwa entspricht. Darin enthalten sind auch einige Direktabschlüsse über das Internet, sowohl über den eigenen Internetauftritt der Sparkasse als auch über den der Readybank selber.

Gleichzeitig konnten in nennenswerter Zahl Händler an die Readybank vermittelt werden.

Auch das Autofinanzierungsgeschäft hat - quasi nebenbei - mit profitiert. Dort werden erfolgreich die Produktangebote der Deutschen Leasing genutzt.

Der Wechsel von der Kreditentscheidungsbank zu einem Vertriebsunternehmen mit nachgelagerten Experten ist ein voller Erfolg. Die frühere Kreditentscheidung mit all ihrem Aufwand und mit dem fehlenden statistischen Know-how hatte die Sparkasse blockiert. Hoffentlich nicht zu spät konnte der notwendige Wechsel vollzogen werden. Aus unserer Sicht fehlt nun nur noch die möglichst weite überregionale Ausdehnung und Verbreitung des Vollkooperationsmodells mit der Readybank in der deutschen Sparkassenorganisation. Dann erscheint es tatsächlich möglich, die fundamentale Marktstärke der deutschen Sparkassenorganisation auch auf das Feld des Konsumentenkredits auszudehnen.

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