Blickpunkte

Privatkundengeschäft - Alte Weisheiten

Obwohl Kreditinstitute nach der Finanzkrise das Retailbanking wiederentdeckt haben, ist und bleibt die Lage schwierig. Für Deutschland gilt das in besonderem Maße. Zum einen ist das Vertrauen in die Bankenbranche weiter gesunken. In Deutschland geben das im EY Global Consumer Banking Survey 2014 von Ernst & Young zwei von fünf Befragten an. Dass der nun schon zum dritten Mal festgestellte Vertrauensschwund sich allmählich abschwächt ist da nur ein schwacher Trost - zumal auch die jeweilige Hausbank davon nicht ausgenommen ist.

Nur 40 Prozent der deutschen Bankkunden geben an, ihrer Hausbank voll zu vertrauen (weltweit 44 Prozent), nur 35 Prozent (weltweit 40 Prozent) würden sie auch weiterempfehlen. Gleichzeitig ist die Wechselbereitschaft hoch: 23 Prozent der deutschen Kunden wollen in den nächsten zwölf Monaten ihre Konten umschichten. Daneben sind die deutschen Bankkunden weltweit am preissensibelsten. Für 47 Prozent von ihnen stand bei der Neueröffnung von Konten in den vergangenen zwölf Monaten der Kosten- beziehungsweise Konditionenaspekt im Vordergrund. Das sind zwölf Prozentpunkte mehr als im westeuropäischen und 17 Prozentpunkte mehr als im weltweiten Vergleich.

Über infrage kommende Anbieter informieren sich die Deutschen in hohem Maße im Internet. 31 Prozent nennen dabei die Websites der Banken als Quelle, 22 Prozent auch unabhängige Websites. Nur die Briten konsultieren solche Vergleichswebsites mit 27 Prozent noch häufiger.

Weitaus stärker als die Kunden in anderen Märkten suchen die deutschen Verbraucher in Sachen Finanzdienstleistungen also die sprichwörtliche "Eier legende Woll-Milch-Sau": Spitzenkonditionen soll sie bieten, gleichzeitig aber auch persönliche Ansprechpartner. Das Gespräch mit einem Mitarbeiter von Angesicht zu Angesicht hat für den deutschen Bankkunden annähernd die gleiche Bedeutung wie im weltweiten Durchschnitt (59 gegenüber 61 Prozent). Allerdings ist die Zahlungsbereitschaft für solche Services deutlich geringer. Weltweit können sich 17 Prozent der Kunden vorstellen, für die Erstellung individueller Finanzpläne mehr zu zahlen, in Deutschland sind es nur elf Prozent. Beim persönlichen Berater beträgt der Abstand zwei Prozentpunkte (neun versus elf Prozent), bei Treueprogrammen drei Prozentpunkte. Und der aktive Hinweis auf Finanzprodukte ist nur drei Prozent der deutschen Geld wert. Weltweit sind es immerhin elf Prozent der Kunden.

Eine höhere Zahlungsbereitschaft gibt es nur bei den gehobenen Kundengruppen. Sie sind in stärkerem Maß an Beratungsangeboten interessiert - sei es nun persönlich (65 Prozent), am Telefon (52 Prozent gegenüber 42 Prozent bei den Mengenkunden) oder auch per Video (24 versus 13 Prozent). Immerhin 17 Prozent von ihnen - und damit fast doppelt so viele wie von den Mengenkunden können sich vorstellen, für einen individuellen Finanzplan etwas zu bezahlen, für einen aktiven Produkthinweis sind es 15 Prozent gegenüber fünf Prozent der Durchschnittskunden. Die Empfehlung, Kunden besser zu segmentieren und den gehobenen Retailkundengruppen maßgeschneiderte (Beratungs-)Angebote zu machen, liegt somit auf der Hand. Neu ist sie nicht.

Weil man aber mit 14 Prozent aller Kunden - und nur diesen Anteil rechnet die Studie in Deutschland den "Kunden mit Wachstumspotenzial" zu - nicht das Geschäft mit den übrigen 86 Prozent quersubventionieren kann, stellt sich die Frage, wie sich auch das margenschwache Massengeschäft profitabel gestalten lässt. Das Rezept von Ulrich M. Trinkaus, Partner Retail Banking der Ernst & Young GmbH, Eschborn, lautet hier, wechselbereiten Kunden gute Angebote zu machen und gleichzeitig Bestandskunden nicht zu vergessen. Als Stellhebel nennt er ein klares Produktangebot, ein benutzerfreundlicher Online-Auftritt, zu dem beispielsweise eine Orientierung an Lebensphasen auf der Homepage gehört, Treueprogramme oder auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnittene Preismodelle. Auch den Mengenkunden muss man dazu jedoch besser kennen.

Auch hier landet man letztlich wieder bei einem Thema, an dem sich die Bankenbranche schon seit langem mit offenbar überschaubarem Erfolg abarbeitet: dem Customer Relationship Management (CRM) - das in letzter Zeit zunehmend von Datenschutzbedenken behindert zu werden scheint. Hier könnten sich die Banken Amazon zum Vorbild nehmen, meint Trinkaus. Ob der Kunde seiner Hausbank die Durchleuchtung seiner Daten und Aktivitäten aber ebenso verzeihen würde, wie er es dem Online-Händler gegenüber offenbar tut, darüber gibt die Studie keine verlässliche Auskunft. Dass Kunden aktive Ansprache ihrer Bank wünschen, heißt im Umkehrschluss nicht automatisch, dass auch die dafür nötige Datensammlung und -auswertung akzeptiert würde. Denn dass der deutsche Bankkunde ein ziemlich widersprüchliches Wesen ist, der von seiner Bank immer wieder einen Spagat verlangt, haben Studien jeder Art immer wieder belegt. Red.

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