Ulrich Weiss zum 70. Geburtstag

Personalpolitik - Kontinuität und Wandel in der letzten Dekade

Als Ulrich Weiss im Jahr 1988 im Vorstand der Deutschen Bank die
Verantwortung für das Personalressort übernahm, war Personalpolitik
eine noch weitgehend nationale Angelegenheit. Natürlich war die Bank
weltweit aktiv, für personalpolitische Entscheidungen reichte zu
diesem Zeitpunkt jedoch meist ein "deutscher Blickwinkel". Ein völlig
anderes Bild bot sich, als ich zehn Jahre später, im Jahr 1998, Ulrich
Weiss in der Verantwortung für den Personalbereich nachfolgte. Die
innere Organisation war in hohem Maße internationalisiert, Hierarchien
waren abgeflacht, vor allen Dingen aber verfügte die Bank über ein
System für eine flexible Vergütung - im Investmentbanking ist dies
bekanntlich unerlässlich.
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Mit diesen Veränderungen folgte die Personalpolitik der Deutschen Bank
den sich verändernden Marktanforderungen in einem zunehmend
kompetitiven Finanzdienstleistungsmarkt und trug der Tatsache
Rechnung, dass wir uns vermehrt dem Investmentbanking zugewandt haben.
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Gleichzeitig gibt es einige Konstanten der Personalpolitik, auf die
wir uns bewusst zurückbesinnen. Erwähnt seien hier zwei Wesentliche:
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Die Visitenkarte eines Finanzdienstleisters sind seine Mitarbeiter.
Somit ist erfolgreiche Personalarbeit in Form von Auswahl und Training
gleichzeitig ein wichtiges Marketinginstrument. Nicht zuletzt deshalb
geben wir pro Kopf und Jahr über 1 500 Euro für Training aus.
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Nachwuchssicherung aus den eigenen Reihen steht im Vordergrund, auch
wenn wir - stärker als früher - immer ein Auge auf den externen
Talentmarkt haben. So rekrutieren wir in diesem Jahr zirka 1 000
Hochschulabsolventen weltweit, um unsere Talentpipeline systematisch
zu bestücken.
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Es waren im Wesentlichen fünf Trends, die in der letzten Dekade einen
herausragenden Einfluss auf die Gestaltung unserer Personalpolitik
gehabt haben und weiterhin haben werden.
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1. Globalisierung im Außen- und im Innenverhältnis: Die Deutsche Bank
war seit ihrer Gründung im Jahr 1870 international ausgerichtet. Zu
den ersten Filialen gehörten zum Beispiel diejenigen in Yokohama,
Shanghai und Buenos Aires. Die Bank war als multinationale Föderation
organisiert, in der die Ländergesellschaften eine hohe
Eigenständigkeit genossen. Laterale Vernetzungen zwischen diesen
Ländergesellschaften gab es nur ausnahmsweise. Die Globalisierung der
Kapitalmärkte und die Stärkung im Kapitalmarktgeschäft bedingten
jedoch in den letzten Jahren eine Reorganisation entlang globaler
Geschäftsfelder.
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Demzufolge agieren wir heute in einer globalen Matrixorganisation. Von
unseren weltweit rund 64 000 Mitarbeitern führen nahezu 2 000 der 9
000 Manager virtuelle Teams, das heißt Mitarbeiter in verschiedenen
Ländern und Zeitzonen. Die Notwendigkeit, mit Zielkonflikten und
Ambiguität umgehen zu können und interkulturelle Kompetenz
aufzuweisen, hat dramatisch zugenommen. Die Manage-ment-Teams bis hin
in die Spitze des Unternehmens sind nun international besetzt.
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2. Identität trotz Vielfalt: Die Bank hat sich in verschiedene
Unternehmensbereiche gegliedert, die sich weltweit mit den Besten in
der Branche messen. Das hat nicht nur zu verschiedenen
Geschäftskulturen im Retailbanking, im Private Wealth und Asset
Management, im Firmenkundengeschäft und im Investmentbanking geführt.
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Gleichzeitig hat die Vielfalt der Mitarbeiter und Führungskräfte in
der Bank stark zugenommen. Wir wollen diesen Pluralismus der Kulturen
in der Bank fördern und zu einer unserer Stärken ausbauen. Jeden Tag
werden wir besser darin, die Vielfalt unserer Mitarbeiter und
Geschäftsfelder in der Zusammenarbeit miteinander noch erfolgreicher
für unseren Kunden zu machen.
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3. Stärkung der Leistungskultur: Karriere- und Entlohnungsmodelle
waren vor einer Dekade noch wenig flexibel. Die Leistung des Einzelnen
wirkte sich auf dessen Entwicklung bestenfalls mittelfristig aus.
Heute werden ausnahmslos alle Mitarbeiter über anspruchsvolle Ziele
geführt, und alle Mitarbeiter haben einen variablen,
leistungsabhängigen Gehaltsbestandteil, der zum bestimmenden Faktor
des Gesamtgehalts werden kann. Die Performance des Unternehmens, des
Bereichs, des Teams und des Einzelnen sind heute auf das Engste
miteinander verknüpft.
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4. Stärkung der Selbstverantwortung: Der Einzelne ist heute für seine
Karriere selbst verantwortlich, und er hat die Verantwortung
diesbezüglich auch angenommen. Die Bank unterstützt mit Planungshilfen
und Entwicklungs- sowie Trainingsprogrammen. Angesichts der
Veränderungen und der Brüche im Markt, die sich auch auf das Innere im
Unternehmen auswirken, müssen sich unsere Mitarbeiter während ihres
Berufslebens immer wieder neuen Herausforderungen stellen. Die
ständige Bestimmung der eigenen Position und die Arbeit an der
persönlichen Arbeitsmarktfähigkeit ist ein gutes Stück vorangekommen.
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5. Flexibilisierung und Individualisierung der Personalinstrumente:
War noch vor einem Jahrzehnt die Einheitlichkeit der
Personalinstrumente ein hohes Gut, so haben wir heute erreicht, dass
zum Beispiel sehr individuelle Arbeitszeitregelungen gefunden werden
können. Der Arbeitsort ist ebenso nicht mehr so starr definiert.
Zahlreiche Benefits können unterschiedlich optiert werden. Insgesamt
lässt sich feststellen, dass sehr viel individuellere Lösungen möglich
sind, als dies noch vor einer Dekade der Fall war.
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Auch wenn die Personalpolitik in meinem Haus in den vergangenen zehn
Jahren also im Wesentlichen in einer Zeit, in der Ulrich Weiss dem
Vorstand nicht mehr angehörte - einen erheblichen Wandel durchlebt
hat, so hat dieser Wandel doch immer auf dem aufgebaut, was Ulrich
Weiss geschaffen hat: einen modernen, international ausgerichteten und
wandlungsfähigen Personalbereich. Dies trägt bis heute dazu bei, dass
die Marke Deutsche Bank auch auf dem Arbeitsmarkt stark ist, und es
sie zu einer wertvollen "Employer-Brand" macht.

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