Nachhaltigkeit

Mangelnde Transparenz hemmt die Marktentwicklung

Nachhaltigkeit liegt bei deutschen Verbrauchern zweifellos im Trend. Sie gehören zu den fleißigsten Mülltrennern in Europa und nutzen zunehmend das Angebot von Bio-Supermärkten. Auch setzen sich immer mehr Haushalte eine Photovoltaik-Anlage auf das Dach oder wechseln zu einem Öko-Strom-Anbieter. Bei Finanzdienstleistungen haben Bank- und Versicherungskunden dem Thema Nachhaltigkeit erstaunlicherweise über Jahre hinweg nur wenig Beachtung geschenkt. Ökologische oder auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Finanzprodukte führten lange Zeit ein Nischendasein.

Ein Grund dafür könnte sein, dass die meisten Finanzdienstleistungen vergleichsweise komplex, gleichzeitig aber abstrakt und intransparent sind. Nicht wenige Finanzprodukte funktionieren wie eine Art "Black Box". Dementsprechend schwierig ist es für den "normalen" Bankkunden, bei einzelnen Finanzgeschäften Zusammenhänge zwischen Ursache, Wirkung und den ethischen und/oder ökologischen Folgen herzuleiten. Wie soll ein Sparer zum Beispiel ahnen, dass er mit einem Teil seines Geldes vielleicht den Bau eines Industriekomplexes in einem Naturschutzgebiet oder die Entstehung eines Kernkraftwerkes in der Umgebung mitfinanziert?

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass Nachhaltigkeit in den strategischen Überlegungen vieler Banken immer noch eine vergleichsweise unbedeutende Rolle spielt. Schließlich ist der Druck von Kundenseite gering, dies zu ändern.

So kam eine Anfang 2009 in Auftrag gegebene Befragung des Beratungsunternehmens asset:vision zu eindeutigen Ergebnissen. Ein Großteil der rund 600 befragten Kommunikationsverantwortlichen, die bei in Deutschland ansässigen Finanzdienstleistungsunternehmen tätig sind, gab an, dass Strategien, die auf Nachhaltigkeit abzielen - zum Beispiel die Umsetzung klimafreundlicher Geschäftsprozesse oder der Vertrieb nachhaltiger Anlageprodukte - nur geringe Bedeutung in ihrem Unternehmen haben. Nachhaltigkeit erstreckte sich demnach vor allem auf Themen, die zu diesem Zeitpunkt durch den Gesetzgeber vorangetrieben wurden: bessere Beratung und die Bindung zum Kunden, einfachere und damit besser erklärbare Produkte. Drei Viertel der befragten Kommunikatoren gaben zudem an, dass das Thema Nachhaltigkeit nur wenig oder überhaupt keinen Raum in der Kommunikation des eigenen Unternehmens einnimmt. Die meisten Unternehmen kommunizieren der Umfrage zufolge lediglich situativ zu einzelnen Projekten oder führen gar keine Maßnahmen durch. Eine strategische Planung gibt es nicht. Kurzum: Viele Finanzdienstleister reagieren beim Thema Nachhaltigkeit statt zu agieren.

"Öko-Banken" im Aufwind

Der Lehman-Schock vor mehr als zwei Jahren und die nachfolgende Finanzkrise haben zu einem Umdenken der Verbraucher und einer grundlegenden Vertrauenskrise im Verhältnis zu Banken und Versicherern geführt: Nachhaltige Geldanlagen boomen. So bewegt sich der Marktanteil nachhaltig oder ökologisch orientierter Finanzprodukte rasant auf die Zehn-Prozent-Marke zu. Noch im Jahr 2000 lag er bei gerade ein bis zwei Prozent.

Parallel dazu steigt sowohl die Zahl als auch der Kundenstamm derjenigen Institute, die oft als "Ökobanken" bezeichnet werden, also Kreditinstitute, die im weitesten Sinne ein nachhaltig orientiertes Geschäftsmodell verfolgen.

Erwartungen vor allem an Filialbanken

Dass diese noch junge Branche trotz der Schließung der Noa Bank im vergangenen Jahr wächst, erstaunt nicht vor dem Hintergrund einer Studie, die Ergo Kommunikation in Zusammenarbeit mit Evers & Jung und You-Gov-Psychonomics im November 2010 erstellt hat.

Danach erwarten 71 Prozent der Bundesbürger, dass ihr Kreditinstitut soziale und gesellschaftliche Verantwortung über nimmt, wobei eine deutliche Zunahme dieses Anteils in der Altersgruppe der 50bis 70-Jährigen gegenüber den 18-bis 29-Jährigen zu beobachten ist. Zudem haben die Kunden von Filialbanken höhere Erwartungen an die soziale Verantwortung der Finanzbranche als Direktbankkunden. Aber nur 13 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Bank oder Sparkasse ihre moralischen Ansprüche an die genutzten Finanzdienstleistungen voll und ganz erfüllt.

Wirrwarr der Begriffe

Um diesem offensichtlichen Widerspruch auf die Spur zu kommen, scheint es sinnvoll, sich mit der Frage zu beschäftigen, wodurch sich Nachhaltigkeit bei Finanzdienstleistungen überhaupt auszeichnet. Meist beginnen damit die Verständnisprobleme. Denn im Zweifelsfall versteht jeder Bankmanager auf der einen und jeder Kunde auf der anderen Seite des Schalters etwas anderes unter dem Begriff Nachhaltigkeit.

Dem einen reicht es, wenn sein Institut die Schadstoffemissionen senkt und Ressourcen wie Rohstoffe und Wasser schont. Anderen wiederum ist es wichtig, dass sowohl bei den angebotenen Kapitalanlagen als auch im Hause selbst bestimmte Standards, etwa mit Blick auf die Arbeitsbedingungen, eingehalten oder Kredite nur an "saubere" und ethisch unbedenkliche Branchen und Unternehmen vergeben werden. Oftmals wird dabei auch mit Negativkriterien gearbeitet. So kommen Unternehmen aus der Tabak-, Rüstungs- und Glücksspielbranche meist ebenso wenig für ein nachhaltiges Investment infrage wie die Bereiche Gentechnologie und Atomindustrie. Auch Finanz- und Industriekonzerne, die sich nicht ausdrücklich zum Beispiel gegen Korruption, Kinderarbeit, die Verletzung von Menschenrechten und Umweltzerstörung aussprechen, werden gemieden. Folge: Am Markt für Finanzdienstleistungen gibt es ein buntes Wirrwarr aus Begriffen wie "öko", "ethisch", "grün" und "nachhaltig".

Klar ist, dass der Begriff der Nachhaltigkeit ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammt und bedeutet, dass ein Waldbesitzer nicht mehr Holz schlagen und vermarkten kann als nachwächst, wenn sein Forstbetrieb auch noch in fünf oder zehn Jahren Erträge abwerfen soll.

Ein Orientierungsmaßstab bei Geldanlagen ist das Drei-Säulen-Modell. Danach gelten Geldanlagen als nachhaltig, wenn sie bestimmte ökologische und/oder so zialkulturelle, also ethische Normen erfüllen und letztlich dennoch ökonomisch profitabel sind, sodass der Anleger auch eine Rendite erzielt.

In der Weise, wie sich eine Gesellschaft weiterentwickelt, unterliegen allerdings auch die Nachhaltigkeitsnormen einem Wandel. Standen vor zehn Jahren vor allem ökologische Komponenten ganz oben auf der Rangliste, ziehen nunmehr kulturell-soziale Kriterien gleich.

"Social Banking" noch weitgehend unbekannt

Wie bereits ausgeführt, werden die Bankkunden anspruchsvoller und stellen immer öfter höhere moralische Anforderungen nicht nur an das einzelne Finanzprodukt, sondern an ihre gesamte Hausbankverbindung. Viel passender ist es daher, vom "Social Banking" zu sprechen: Das drückt das Bestreben einer Bank aus, sich sozial zu engagieren und nachhaltig zu handeln in allem, was sie tut beziehungsweise bei allen Dienstleistungen, die sie anbietet. Doch gerade hier zeigt sich, dass es erheblichen Aufklärungsbedarf gibt. Denn der von Ergo Kommunikation, Evers & Jung und You-Gov-Psychonomics erstellten Studie zufolge ist mehr als jedem

Vierten von fünf Deutschen der Begriff des "Social Banking" nicht bekannt. "Eine Bank, die fair ist", "ein Widerspruch in sich" oder "Privatleute vergeben billige Kredite an andere Privatleute" - dies waren Äußerungen, die die Befragten spontan zu dem Begriff genannt haben.

Mindestens genauso groß ist das Unverständnis jedoch auf der Anbieterseite. Anlässlich der Präsentation der Studie wurde eine Podiumsdiskussion veranstaltet, an der über 40 Teilnehmer, zum Teil führende Vertreter aus der Finanzwirtschaft, teilnahmen. Erstaunlich dabei: Die Mehrheit der Teilnehmer wies die Bezeichnung "Social Banking" für ihre Geschäftstätigkeit weit von sich - unter anderem auch, dies soll als These an dieser Stelle formuliert werden, aus Unkenntnis des Begriffs.

Von Sparkassen und Volksbanken schon lange praktiziert

Denn tatsächlich unterscheidet sich vor allem das teilweise über ein Jahrhundert alte Geschäftsmodell vieler Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken kaum von dem, was "Social Banking" kennzeichnet: Ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Wirtschaften sowohl im eigenen Haus als auch im Umgang mit den Unternehmenskunden, eine klare Orientierung an den Entwicklungen der realen Wirtschaft statt einer Fokussierung des Ertrags auf das Geschäft an den Finanzmärkten und die Tatsache, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden im Vordergrund stehen.

Dazu kommt nicht zuletzt das ausgeprägte soziale Engagement vieler kommunaler und genossenschaftlicher Institute vor Ort. Ohne dieses Engagement käme es im kulturell-gesellschaftlichen Leben vieler Städte zu einer deutlichen Verarmung, denn viele Kommunen sind aufgrund ihrer angespannten Kassenlage gezwungen, sich aus immer mehr Bereichen des öffentlichen Lebens zurückzuziehen und Projekte zu beenden.

Obwohl "Social Banking" also eine mitunter lange Tradition bei einzelnen Finanzdienstleistern besitzt - auch wenn es als solches nicht bezeichnet wird -, zeigt die Studie ebenfalls deutlich, dass die Kunden und Anleger über alle Institutsgruppen hinweg soziales Engagement und nachhaltiges Handeln "ihrer" Bank kaum erkennen. Nur eine Direktbank und ein Mitglied der Volksbankengruppe fallen hier positiv auf. Offenbar schaffen es die jeweiligen Institute nicht, ihr zum Teil sehr intensives soziales Engagement bei ihren Kunden zu hinterlegen. Die Frage ist, warum eben das nicht gelingt und welche Gründe es dafür gibt.

Ein wesentlicher Faktor dabei ist Transparenz. Nachhaltigkeitsorientierte Anleger und Bankkunden müssen nicht nur in der Lage sein, zu kontrollieren, inwieweit ihre persönlichen Wertvorstellungen bei der Konzeption einer Bankdienstleistung oder Kapitalanlage berücksichtigt werden, also zum Beispiel welche Projekte durch ihre Gelder finanziert werden. Sie müssen in einem ersten Schritt von ihrer Bank auch ausreichend über deren nachhaltige Aktivitäten informiert werden. Denn nur so werden sie motiviert, sich mit dem "So-cial-Banking"-Ansatz ihrer Hausbank zu beschäftigen. Die Qualität nachhaltigen Wirtschaftens spiegelt sich schließlich nicht nur bei den Produkten wider, sondern wird in erster Linie durch das Verhalten und die Philosophie des Anbieters bestimmt.

Mangelnde Transparenz hemmt die Marktentwicklung

Ein Punkt dabei ist zum Beispiel, inwieweit die Bank die Kriterien ihres nachhaltigen Wirtschaftens ebenso wie die ihrer Produkte vollständig offenlegt. Auf diese Weise trägt sie dazu bei, dass sich die Ver braucher eine realistische Vorstellung davon verschaffen können, ob die angebotenen Finanzdienstleistungen ihren eigenen ethisch-ökologischen Vorstellungen entsprechen.

Unter Fachleuten ist es daher unbestritten, dass mangelnde Transparenz einer der Hauptfaktoren ist, der die Entwicklung des Marktes nachhaltiger Anlagen hemmt. Diese Transparenz lässt sich zum einen durch produkt- beziehungsweise institutsübergreifende Informationen verbessern als Beispiel seien an dieser Stelle die mittlerweile standardisierten Informationsunterlagen bei Kapitalanlagen genannt.

Viel entscheidender und wirkungsvoller dürfte es jedoch sein, die Kommunikation in Sachen Nachhaltigkeit mit den eigenen, aber auch den potenziellen Kunden zu verbessern. Dies ist nicht nur einer stärkeren Verbreitung des Social-Banking-Gedankens zuträglich, sondern dürfte auf der Grundlage und -bedürfnisse den Markterfolg des eigenen Hauses nachhaltig steigern.

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