Kommunikation

In der Krise nicht an Werbung sparen

Krise - es sind diese fünf Buchstaben, die wie ein Damoklesschwert über uns hängen und branchenübergreifend die gleichen Reaktionen hervorrufen: Veränderungen im Handeln und konsequente Sparmaßnahmen werden gefordert. Wo kurzfristiger Ergebnisdruck herrscht, ist das Einfrieren der Werbeinvestitionen, die augenscheinlich von der Leistungs-/Produktqualität entkoppelt sind, eine fast automatische Konsequenz.

Doch wissen wir nicht nur aus klassischen Marketinglehrbüchern1)2) , dass gerade in Krisenzeiten von harten Einschnitten in das Werbebudget abgeraten wird. Ganz im Gegenteil: Studien der Boston Consulting Group3) zeigen, dass sich solche Zeitpunkte ideal eignen, um effektiv antizyklisch zu kommunizieren, den eigenen Share of Advertising gegenüber investitionsscheuer Konkurrenz zu erhöhen und so die eigenen Botschaften prägnanter in den Markt zu tragen.

Wer hier an Kommunikation spart, verpasst also Chancen, sich nachhaltig vom Wettbewerb zu differenzieren. Und was für Krisen generell gilt, trifft auf die Finanzmarktkrise, die wir heute vorfinden, insbesondere zu. Denn sie birgt zentrale Eigenschaften, die Kommunikation unabdingbar machen.

Die Krise ist allgegenwärtig

In den vier Jahren nach Lehman ist die Krise als zeitlich begrenzter, systembedrohender Zwischenfall überholt. Zwar kann auch heute keiner sicher prognostizieren, wie sich die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum entwickelt und ob das Finanzsystem nachhaltig geschädigt ist. Doch für die Menschen zeigt sich vor allem eins: Die Krise ist die neue Realität.

Die Allgegenwärtigkeit der Berichterstattung, ihre apokalyptischen Szenarien und die Ohnmacht der handelnden Akteure beeinträchtigen unseren Alltag kaum. Der spanische Arbeitsmarkt und die Zustände in Griechenland sind nur ein weiterer Teil unseres Nachrichtenblocks geworden. Die Krise und ihre Folgen sind Alltag.Wenn die Krise und ihre Auswirkungen also Bestandteil unseres Alltags sind, dann muss folglich auch die Kommunikation auf ihr altes Niveau zurückkehren.

Ein Blick auf die Entwicklung der Werbeinvestitionen im Finanzsektor zeigt, dass dies hier bereits der Fall ist. In 2011 wurde mit 1,1 Milliarden Euro so viel Geld in die Hand genommen, wie schon lange nicht mehr.4) Eine gute Entscheidung: Denn Umfragen zeigen, dass ein Schweigen als Schuldeingeständnis gedeutet wird.5) In Zeiten geringen Vertrauens6) sicherlich nicht die beste Ausgangssituation.

Konditionsgetriebene Kampagnen sind nicht gefragt

Schließlich erfolgen durch radikale Einschnitte, wie sie im Zuge der Finanzmarktkrise herbeigerufen wurden, Veränderungen im Verhalten gegenüber Banken- und Finanzdienstleistungen. Bisher selbstverständliche Vorgänge werden hinterfragt und neue Orientierungsmöglichkeiten gesucht.

Geht man davon aus, dass unser Leben durch die Omnipräsenz und Verinnerlichung der Krise gekennzeichnet ist, so bedeutet dies, dass auch die Anforderungen an Bankenkommunikation neue sind.

Konditionsgetriebene Kampagnen, wie sie noch 2008 als erste Reaktion massenweise durchgeführt wurden, um von den vertrauensverlustgeplagten Beratern wegzukommen, sind nicht gefragt. Statt kurzfristigem Erfolg suchen wir nach lösungsorientierten Ansätzen, nach neuer Orientierung.

Finanzprodukte bieten kein Markenerlebnis

In ihren Eigenschaften sind die von Banken angebotenen Leistungen klassische immaterielle Güter.

Sie können weder gefühlt noch mit anderen Sinnen wahrgenommen werden.

Der Kontakt mit ihnen ist auf eine geringe Bandbreite an Touchpoints beschränkt.

Dabei sind Filialen und Beratungsgespräche noch die größten Möglichkeiten zur Inszenierung eines Markenerlebnisses. Direktbanken bleiben meist gar auf die eigene Website und entsprechende Apps beschränkt.

Doch wenn das Produkt nicht erlebbar ist, fehlt es an essenziellen Bestandteilen, um Vertrauen aufzubauen. Die Kaufentscheidung des Kunden für oder gegen ein Produkt fällt nicht mehr anhand der Eigenschaften, sondern anhand der Marke. Sie wird gerade im Finanzsektor zum entscheidenden Kriterium. Denn Marken sind seit jeher ein Instrument zur Komplexitätsreduzierung und zum Vertrauensaufbau.7)

Budgetkürzungen beeinträchtigen Kaufpräferenzen

Im Verlauf der letzten Jahre hat allerdings kaum eine Branche eine derart große mediale Aufmerksamkeit erhalten wie die Finanzbranche. Die Presseberichterstattung erreicht eine Mediapräsenz, an die traditionelle Werbebudgets kaum heranreichen können. Wer hier nicht proaktiv agiert, der liefert seine teilweise langfristig und teuer aufgebaute Marke dem Ansturm der Presse aus - die einstige Schweizer Bankikone UBS weiß davon zu berichten.8) Insbesondere in solch einem Umfeld ist es wichtig, als Marke präsent zu sein. Budgetcuts mögen kurzfristig die Bilanz verbessern, sie hinterlassen jedoch nachhaltigen Schaden an aufgebauten Markenimages, damit an Kaufpräferenzen der Kunden und letztlich in den Forecast-Erwartungen der Unternehmen.

Marken brauchen Haltung

Doch Markenkommunikation alleine ist kein Allheilmittel. Vor allem nicht ohne Marke. Denn heute braucht eine Marke insbesondere eins, um relevant zu sein: Sie braucht einen Standpunkt, eine Hal tung. Nur wer für seine Überzeugung eintritt und auch bereit ist, damit anzuecken, hat überhaupt eine Chance, seine Relevanz für die Menschen, die Zielgruppe, zu beweisen. Das ist nicht immer einfach, erfordert, mit Dogmen zu brechen und standhaft für seine Haltung einzustehen. Ohne sie sind wir austauschbar.

Eine klare Haltung prädisponiert für das Handeln und gibt Orientierung. "Handlung braucht Haltung", wie es Alfredo Flores, Leiter Marketing & Communications, Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden, unlängst verkündete, ist der Kern moderner Markenkommunikation. Kein blinder Aktionismus, sondern Handeln aus Überzeugung. Haltung im Mittelpunkt der Kommunikation bedeutet demnach auch, die wichtigsten Touchpoints der Marke mit dieser Idee zu vereinheitlichen: die Mitarbeiter und Berater. Sie nehmen eine besonders wichtige Rolle ein, denn ihnen obliegt es, das in der Kommunikation aufgebaute Markenversprechen einzuhalten und den Kunden gegenüber zu beweisen.

Zunehmender Kontrollverlust

Wenn Marken es schaffen, in ihrem Kern prägnant zu sein, dann sind sie außerdem gewappnet für das Thema, das viele Marketingverantwortliche seit einiger Zeit bewegt: Zunehmender Kontrollverlust. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Marken und ihre Inhalte mehr denn je durch die Konsumenten gestaltet werden. Neu und wichtig sind hingegen Kommunikationsstrategien, die mit der Offenheit und Transparenz dieses veränderten Umgangs mit Marken umzugehen wissen. Wendy Clark von SVP, The Coca-Cola Company fasst diese Anforderungen unter den Begriffen "liquid and linked" zusammen.9) Es stellt, insbesondere relevant für die viel kritisierte Bankenwirtschaft, sicher, dass die Marke - und ihr Standpunkt - mit den Forderungen nach erhöhter Transparenz einhergeht. Wer in Krisenzeiten an Kommunikation spart, hat schon verloren. Nur: Wer wirbt, hat noch lange nicht gewonnen. Kommunikation hat vor allem dann Erfolg, wenn sie auf einer Marke mit Haltung aufbaut.

Anmerkungen:

1) Schmidt, S. J., Handbuch Werbung, LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster, 2004.

2) Hartleben, R. E., Werbekonzeption und Briefing: Ein praktischer Leitfaden zum Erstellen zielgruppenspezifischer Werbe- und Kommunikationskonzepte, 2. Auflage, Publicis Corporate Publishing, Erlangen 2004.

3) Boston Consulting Group, Gegen den Strom - Wertsteigerung durch antizyklischen Markenaufbau, 2002.

4) Icon Added Value (2002).

5) Ditges, F., Höbel, Krisenkommunikation, Konstanz 2008.

6) Ernst & Young, Consumer Banking Survey 2012.

7) Kotler, Philip/Keller, Kevin Lane, Marketing-Management, Boston 2012-08-16.

8) Rolf Lebert, Der Niedergang der UBS, Financial Times, 2012.

9) http://www.youtube.com/watch?v=8HCDKnCwbiA.

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