Marktstrategie

Kostenloses Girokonto: ein Schritt in die falsche Richtung

In letzter Zeit ist der Preis für private Girokonten bei deutschen Kreditinstituten wieder stärker in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Diverse Finanzdienstleister haben ihre Preise für Girokonten nach unten revidiert beziehungsweise ganz gestrichen. Daneben gibt es einen Kreis von Kreditinstituten wie beispielsweise die Sparda-Banken, die - zum Teil auch an bestimmte Bedingungen geknüpft - traditionsgemäß schon immer ihr Girokonto als Einstiegsprodukt angeboten haben, ohne einen Preis dafür zu verlangen.

Die überwiegende Mehrheit der deutschen Banken und Sparkassen stellt dem Privatkunden jedoch nach wie vor einen Preis für das Girokonto in Rechnung. Doch auch bei diesen Instituten scheint unter Wettbewerbsgesichtspunkten ein Prozess in Gang gekommen zu sein, die eigene Preispolitik einer kritischen Überprüfung zu unterziehen mit der Tendenz, die Preise zu senken oder sie ebenfalls insgesamt zu streichen.

Ausgangspunkt jeder preisrelevanten Entscheidung müssen geschäftspolitische Ziele sein, die als Grundlage der strategischen Ausrichtung klar und eindeutig definiert sein sollten. Unabhängig davon, wie auch immer ein derartiges Zielsystem nun konkret ausgestaltet sein mag, ist in diesem Zusammenhang die Annahme gerechtfertigt, dass im Finanzgewerbe die Erwirtschaftung ausreichender und nachhaltiger Gewinne als oberste Maxime der Geschäftspolitik Gültigkeit hat.

Als Maßstab dieser grundlegenden Zielsetzung dienen auch in internationaler Sicht in erster Linie zwei maßgebliche und vergleichende Kenngrößen: die Rendite auf das gebundene Kapital und die Cost Income Ratio. Deutsche Kreditinstitute dürfen auf keinen Fall davon ausgehen, über einen der drei Ertragshebel (nachhaltige Kostensenkung, Durchsetzung relevanter Preiserhöhungen und Realisierung von Volumenszuwächsen) allein langfristig eine international vergleichbare Zielrendite aus dem originären Geschäft erwirt schaften zu können. Preissenkungen im Girokontenbereich und das Anbieten unentgeltlicher Leistungen stehen den grundlegenden Zielsetzungen und den Ertragsnotwendigkeiten deutscher Kreditinstitute erkennbar entgegen.

Die Kreditinstitute, die ihre Preise für das Girokonto gesenkt haben oder ein entgeltfreies Konto anbieten, argumentieren damit, mit dieser Maßnahme neue Kunden gewinnen zu wollen. Die Preispolitik wird auf diesem Wege als Instrument der Wachstumsstrategie eingesetzt, was zu weiteren Überlegungen Anlass geben muss.

Filialbanken zerstören ihr Image

Als Erstes entsteht in diesem Zusammenhang das Problem, dass eine derartige Niedrig- beziehungsweise Null-Preisstrategie im Girokontenbereich dem allgemeinen Image, der Gesamtstrategie und der Marktpositionierung der betreffenden Kreditinstitute widersprechen kann. So erreichen beispielsweise Filialinstitute in erster Linie eine Alleinstellung, indem sie dem Kunden einen persönlichen Kontakt eröffnen, eine qualifizierte Beratung anbieten sowie eine auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete Produktpalette

bereit zu halten vermögen. Eine Preisstrategie als Discounter dürfte damit wohl kaum in Übereinstimmung zu bringen sein. Insbesondere verwischt sich die Marktpositionierung dann, wenn nur auf einzelnen Geschäftsfeldern eine Niedrigpreisstrategie gefahren, ansonsten aber eine Qualitätsstrategie mit hohem Anspruch und mit entsprechender Preisstellung und Kommunikationspolitik umgesetzt werden sollen. Eine sektorale Wettbewerbspolitik über den Preis passt kaum in dieses Konzept.

Ist der Preis der ausschlaggebende Faktor?

Bezüglich der Wachstumsziele, die letztendlich mit dem unentgeltlichen Girokonto realisiert werden sollen, stellt sich die Frage, wie die Verbraucher auf das Angebot entgeltfreier Konten reagieren. Denn die Kreditinstitute, die eine Null-Preisstrategie im Girokontenbereich fahren, werden ihre Entscheidung darauf abgestellt haben, dass bei einer ausreichend großen Zahl von Privatkunden der Preis das maßgebliche Kriterium für die Wahl beziehungsweise Änderung der Bankverbindung im Girokontenbereich ist. Diese Annahme ist jedoch in mehrfacher Hinsicht kritisch zu beurteilen.

Zunächst ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der deutsche Konsument und Privatkunde in den letzten Jahren den Preis verstärkt in seine Kaufentscheidungen einzubeziehen pflegt. Dieser allgemeine Trend dürfte schon wieder rückläufig sein. Die Einstellung und die Rahmenbedingungen für eine "Geiz ist geil"-Mentalität sind dabei, sich zu ändern und ins Gegenteil zu verkehren - in Richtung Anspruch und Qualität mit einer entsprechenden Preisakzeptanz.

Darüber hinaus können die in verschiedenen anderen Branchen festgestellten Nachfragetrends - wenn überhaupt nur mit großen Abstrichen auf Finanzdienstleistungsangebote übertragen werden. Denn trotz vieler Gemeinsamkeiten bleibt festzuhalten, dass die Wahl der Bankangebote nach wie vor in erster Linie vom Gesamtimage des Institutes, vom Vertrauen zum Institut sowie vom Glauben an die Kompetenz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließlich der persönlichen Bindungen zu ihnen abhängig ist.

Erst wenn diese Wettbewerbskomponenten nicht zum Zuge gelangen und keine Präferenzbildung mehr hervorrufen können, wird der Preis einen maßgeblichen Einfluss auf die Kaufentscheidungen ausüben können. Mit entsprechend qualifizierten Marktuntersuchungen müsste der insgesamt nachrangige Stellenwert des Preises ermittelt und belegt werden können.

Schon seit Jahren werden unentgeltliche Girokonten am Markt angeboten und jeder Kunde konnte sich schon umfänglich mit der Alternative kostenloses Konto auseinandersetzen. Allenfalls bisher noch unentschlossene und uninteressierte "Restsegmente" könnten sich demzufolge den neuen Preisangeboten zuwenden, da die Potenziale in der Zielgruppe preisfixierter Privatkunden bereits weitestgehend verteilt sein dürften.

Gebührenfreie Girokonten nur über Spartensubventionierung rentabel

Es spricht daher vieles dafür, dass sich nur sehr eng begrenzte Möglichkeiten bieten, neue Kunden für das Girokonto dadurch zu gewinnen, indem man dieses Produkt verschenkt. Zudem können die neuen Girokunden über die Preiskomponente hinaus in überwiegendem Umfang allein mit erheblichen zusätzlichen Werbe- und sonstigen Marketingaufwendungen (wie zum Beispiel Geldgeschenke) interessiert werden.

Inklusive dieser Budgets summieren sich die Kosten für ein Angebot unentgeltlicher Girokonten zu erheblichen Beträgen: So sind einerseits die entgangenen Einnahmen in die Kalkulation einzustellen, die dann in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht mehr anfallen, wenn auch die Preise für die Altkonten zurückgenommen werden. Auf der anderen Seite schlagen aber insbesondere sämtliche Kosten zu Buche, die für die Bereitstellung und bei Inanspruchnahme der Leistungen im Zusammenhang mit dem Konto entstehen.

Eine gewisse Entlastung erfährt die kunden- und produktbezogene Ertragsrechnung dadurch, indem die Ergebnisse aus der Anlage der Bodensätze an Sichteinlagen zusätzlich Berücksichtigung finden. Dennoch dürften aus unentgeltlich geführten Girokonten als Gesamtergebnis erhebliche Defizite erwachsen. Die betreffenden Kreditinstitute müssen ihre Geschäftspolitik unter der Prämisse der Gewinnorientierung demnach darauf abgestellt haben, ihre Ertrags- und Renditeziele im Wege einer Strategie der Spartensubventionierung und der Ausgleichspreisstellung zu erreichen.

Um diese Strategie zum Erfolg zu führen, müssen die Intentionen in zwei Richtungen gehen: Zunächst haben sich die Bemühungen der Kreditinstitute - auch nach deren Angaben - darauf auszurichten, bei den neu gewonnenen Girokontoinhabern über Zusatzverkäufe das erforderliche Mengenwachstum zu generieren. Des Weiteren ist es dann aber auch noch erforderlich, dass die Preise für die zusätzlich verkauften Produkte nicht nur deren eigene Kosten und Renditeziele decken, sondern sie haben darüber hinaus auch die Kostenunterdeckung und die fehlenden Sollgewinne aus dem Girokontenbereich zu kompensieren. Erst wenn beides gelingt, haben die Institute auch ihre ursprüngliche Zielsetzung des ertragsorientierten Wachstums über die Null-Preisstrategie erreicht, was allein mit gewonnenen Stückzahlen, die so gern als Erfolgsmeldungen bekannt gegeben werden, noch keineswegs gewährleistet ist.

Ob die Strategie, über den Verkauf zusätzlicher Finanzleistungen zu Wachstum und über eine Ausgleichspreisstellung zum Sollertrag zu kommen, erfolgreich sein kann, hängt zunächst in entscheidendem Maße wiederum von dem Verhalten der Privatkunden ab, die das Angebot der unentgeltlichen Konten nutzen.

Ausgezeichnet hat sich die Käufergruppe bisher durch Preissensibilität; andere Gründe, sich für die neue Kontoverbindung zu entscheiden, lagen nicht vor. In Anbetracht dieser Zusammenhänge bestehen daher berechtigte Zweifel, ob sich die über das Girokonto gewonnenen Neukunden überhaupt auf andere Produkte einlassen wollen. Zumal die relevanten Zusatzprodukte wegen der Strategie der Spartensubventionierung nicht als weitere Billigangebote vermarktet werden können. Die neuen Girokontobesitzer werden also bei entsprechender Bedarfssituation die Gelegenheit nutzen, erneut nach preisgünstigeren Produkten anderer Anbieter zu suchen.

Girokonten könnten Paradebeispiel für intelligente Preispolitik sein

Mit dem Angebot entgeltloser Leistungen schwinden schließlich auch die letzten Möglichkeiten, preispolitische Handlungsspielräume für eine unmittelbare Ertragsverbesserung zu nutzen. Dieses ist im vorliegenden Fall um so bedeutender, da der Bereich des Girokontos einschließlich der damit verbundenen Zahlungsverkehrsleistungen gerade ein Paradebeispiel dafür sein könnte, intelligente Preismodelle und Preisstellungen zu realisieren.

So bieten sich beispielsweise vielfältige Alternativen, um die Preisbezugsbasis (Preisnenner) zu bestimmen und die Möglichkeiten einer Strategie der Preisspaltung (das heißt einzelne Teilleistungen aus einem Produktangebot mit eigenen Preisen belegen) derart zu nutzen, dass der Kunde und Kontonutzer selbst bestimmt, welchen Preis er im Endeffekt für sein Girokonto zahlt. Zusätzlich könnte in den Preismodellen auch das Thema der Verzinsung von Sichteinlagen Berücksichtigung finden, womit betroffene Filialinstitute unter anderem auch dem Einlagenverlust durch attraktive "Tagesgeldkonten" von Wettbewerbern erfolgreich begegnen könnten.

Die Höhe der Preise (Preiszähler) selbst, ist ohne Zweifel von vielen Faktoren abhängig - auch vom Verhalten der Mitbewerber. Es sollte jedoch selbstverständlich sein, die Betriebswirtschaft mit ihren Kosten und Gewinnanforderungen in die Preisfestsetzung mit einzubeziehen. Denn mit der rapide weiter zunehmenden Bereitschaft aller Privatkunden, Mehrfachbankverbindungen einzugehen, schwinden die Chancen, über eine Strategie der Spartensubventionierung noch erfolgreich sein zu können.

Auch im allgemeinen Interesse der deutschen Kreditinstitute wäre die Belegung aller Bankleistungen mit einem Preis geboten, da in der Öffentlichkeit und bei Privatkunden im Besonderen das Bewusstsein für das Preis-/Leistungsverhältnis bei Finanzdienstleistungen - und die Betonung liegt hierbei auf der Leistung - nicht besonders ausgeprägt ist. Bei einer verstärkten Hinwendung zu Null-Preisstrategien und Gratis-Konten wird sich dieser Trend der abnehmenden Wertschätzung von Bankdienstleistungen verstärken und verfestigen. Eine aktive Preispolitik zur erforderlichen Verbesserung der Renditen wird dadurch nachhaltig erschwert; die Hürden werden unvorstellbar hoch, wenn man zu einem späteren Zeitpunkt die Strategie wieder ändern und zur Berechnung von Preisen zurückkehren möchte.

Ein besonderes Beispiel dafür mögen die Beratungsleistungen darstellen, die die Kreditinstitute erbringen, dafür aber bis heute keinen Preis in Rechnung stellen. Die daraus erwachsenen Probleme sind bekannt, es wäre für das deutsche Kreditgewerbe ein segensreicher Meilenstein, hier zu einer ertragsorientierten Preispolitik vorstoßen zu können. Das Verschenken von Girokonten mitsamt den dazugehörenden Leistungen ist hierfür je doch ein Schritt in die entgegengesetzte Richtung.

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