Leitartikel

Immer wieder ein Drahtseilakt

sb - Wem darf/sollte/muss man was, wann und wie mitteilen? Das ist der zentrale Fragenkomplex jeglicher Unternehmenskommunikation. Der rechtliche Aspekt wird zum Beispiel durch § 15 WpHG definiert, der die "unverzügliche" Veröffentlichung solcher Tatsachen vorschreibt, die den Börsenkurs eines Unternehmens erheblich beeinflussen können oder die Fähigkeit eines Emittenten von Schuldverschreibungen beeinträchtigen, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Auch Directors Dealings oder die Überschreitung bestimmter Meldeschwellen bei Stimmrechten (§ 21 WpHG) unterliegen der Pflicht zu Ad-hoc-Publizität. Weil aber die Bestimmungen weder bei den Fristen noch den Inhalten gänzlich eindeutig sind, wurde und wird die Ad-hoc-Meldung teilweise noch immer auch zu PR-Zwecken missbraucht.

Eines ist in jedem Fall klar: Nur das zu kommunizieren, was man unbedingt muss, ist für kaum ein Unternehmen eine ernsthafte Option. Größtmögliche Transparenz ist das Gebot der Stunde. Und dabei spielt die interne Kommunikation eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie die externe. Auch in Krisenzeiten müssen die Mitarbeiter über wichtige Entwicklungen auf dem Laufenden sein. Nur dann kann das Management auf Verständnis für Entscheidungen und ein Mitziehen der Belegschaft hoffen, die schließlich auf Fragen von Kunden, Geschäftspartnern und Bekannten reagieren muss und insofern eine nicht zu unterschätzende Multiplikatorenfunktion hat. Die Frage, wem was zu welchem Zeitpunkt kommuniziert wird, ist aber heikel. Einerseits geht es nicht an, dass Mitarbeiter etwa von einem geplanten Personalabbau erst aus den Medien erfahren. Andererseits gilt es, bei laufenden Entscheidungsprozessen möglichst "dicht zu halten". Denn je größer die Zahl der Eingeweihten, umso größer das Risiko von "Lecks", durch die (mitunter auch halbgare) Informationen nach außen dringen, Unruhe innerhalb des Unternehmens auslösen und die externe Kommunikation belasten können, die natürlich lieber aktiv informieren als bloß reagieren will. Auch damit muss man freilich umzugehen wissen. Kam es erst einmal zu unliebsamen Medienberichten, gilt es möglichst rasch umfassende Informationen zum jeweiligen Sachverhalt zu veröffentlichen, anstatt nur gezielte Nachfragen einzelner Medienvertreter mehr oder weniger zu beantworten. Nur so kann der negative Eindruck der "Salamitaktik" vermieden werden. Auch dann, wenn Themen aufkommen, die das Unternehmen mittelbar betreffen, ist schnelles Handeln gefragt. Ein gutes Beispiel liefert die Sparkassenorganisation: Kaum ein sparkassenrelevantes Thema, zu dem der DSGV nicht prompt eine Stellungnahme verschickt oder Gesprächspartner anbietet. So werden auch unliebsame Kommunikationsanlässe zumindest für die Darstellung der eigenen Sicht der Dinge genutzt.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die Kommunikation ist stets auch das eigene Management. Das reicht von unglücklichen Gesten wie dem Victory-Zeichen von Josef Ackermann über Formulierungen in Interviews bis hin zu dem, was Vorstände in Talkrunden oder im persönlichen Gespräch, etwa beim Imbiss im Anschluss an Pressekonferenzen, ohne "Aufsicht" des Pressesprechers (und nicht immer zu dessen Freude) von sich geben. Kommunikative Fähigkeiten und Geschick für die Selbstdarstellung gehören neben der Fachkompetenz deshalb immer stärker zu den notwenigen Voraussetzungen für erfolgreiches Management. Unwägbarkeit Nummer drei ist die Entwicklung beim Stichwort Web 2.0 - und das ist es, was vielen Unternehmen am meisten Angst macht. Denn hier sind die Steuerungsmöglichkeiten am geringsten. Aussitzen lässt sich diese Thematik so wenig wie alle anderen Kommunikationsanlässe. Deshalb gilt auch hier: Dabei sein ist alles. Und das "Online-Reputationsmanagement" will geübt sein. Lange Rede kurzer Sinn: Auch in guten Zeiten ist die Unternehmenskommunikation immer eine Fahrt auf unbekanntem Gewässer, oftmals mehr getrieben als gesteuert. Eines muss deshalb auch dem Management klar sein: Ein "Wunschkonzert" für Vorstände kann die Kommunikation niemals sein.

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