Herausforderung Zweigstelle

Die Filiale als Herausforderung für Planer und Architekten

Die Kundenhalle ist tot - es lebe die Filiale. So oder ähnlich lässt sich der aktuelle Einrichtungstrend bei Banken beschreiben. Das Filialsystem der Banken und Sparkassen wird weiter Bestand haben, aber in reduzierter und gestalterisch veränderter Form.

Der mobile, aktive und technikaffine Kunde hat klare Erwartungen an die Dienstleistungen seiner Bank, die er zu Zeiten, in Situationen und an Orten wahrnehmen will, die ihm am besten passen. Wer schnell mal den Kontostand checken möchte, geht ins Internet. Wer Geld braucht, zum Geldautomaten im SB-Foyer. Und wenn die Filiale dann gerade geöffnet hat, werden durchaus auch zusätzliche Angebote wahrgenommen. Eben so, wie es zum augenblicklichen "Lifestyle" passt.

Erlebniswelt Bankfiliale

Für den Besuch in der Filiale muss gegenüber dem virtuellen Onlinebanking für entsprechende Anreize und Attraktivität gesorgt werden. Wer es vor Jahren noch hinnahm, sich beim Bankbesuch wie im Wartebereich einer Behörde zu fühlen, hat heute andere Wünsche: freundliche und kompetente Mitarbeiter, zeitgemäße Technik, zielgruppengerechte Angebote und flexible Öffnungszeiten. Darüber hinaus sind es die eher weichen Faktoren wie Architektur, Farben, Materialien, Formensprache oder auch kleine Events, die Kunden ansprechen und in die Bank locken. Die Filiale ist heute ein Treffpunkt, wo sich Kunden und Bankmitarbeiter auf Augenhöhe begegnen und wo neben der eigentlichen Dienstleistung ein Erlebnis offeriert wird. Saisonale oder marketingorientierte Aktionen lassen die Filiale zum Marktplatz werden.

Die Basis hierfür sind leichte und flexibel nutzbare Einrichtungskomponenten. Große Bedeutung kommt bei der Konzeption der neuen Filialen einer bedarfsorientierten räumlichen Gestaltung zu: Die Bankfiliale als Herausforderung für Planer und Architekten.

Offenes Konzept und diskrete Bereiche

Die Diskretion im SB-Bereich ist ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz der Geräte und die Nutzung durch die Kunden. Die sogenannte öffentliche Distanzzone des Menschen erstreckt sich in einem Bereich von zirka drei Metern nach vorne und hinten. In diesem Umkreis nimmt man andere Personen wahr. Besonders SB-Geräte mit multifunktionaler Ausstattung wie zum Beispiel kombinierte Kontoauszugsdrucker/Überweisungsterminals zeichnen sich durch eine hohe Verweildauer des Nutzers aus.

Bei der Eingabe von PIN und persönlichen Daten ist eine Nichteinsehbarkeit durch andere Kunden das Maß aller Dinge. Versetzte Anordnung der Geräte, seitliche Abschirmungen oder eine Schutzfunktion im Rückenbereich wie zum Beispiel ein kleiner Diskretionsschirm sind gängige Maßnahmen für mehr Separierung.

Günstiger jedoch ist die Aufstellung von SB-Geräten derart zum Raum hin, dass der Kunde die Wand im Rücken hat und den Blick in den SB-Raum oder die gesamte Filiale richten kann. Ein- und Auszahlungsautomaten werden inzwischen auch in von innen verschließbaren Kabinen angeboten. Semi-transparente Glaselemente und eine sehr gute Ausleuchtung nehmen solchen Räumen das Gefühl der Enge und ermöglichen Transaktionen in Ruhe und Sicherheit.

Ade Kassenbox und statische Theke

Die Banken haben jedoch längst erkannt, dass die Verbannung der Kunden an die SB-Geräte die Bindung an ihr Institut nicht gerade erhöht. Nur das ständige Ge-spräch ermöglicht die Kenntnis über Veränderungen in Privatleben und Beruf des Kunden, über seine Ziele, Wünsche und Träume, auf die mit den entsprechenden Angeboten reagiert werden kann. Der Aufbau persönlicher Beziehungen ist nur durch eine individuelle Betreuung möglich. Der Servicebereich bietet die geeignete Plattform mit Standardprodukten und Dienstleistungen für den täglichen Bedarf. Im räumlich komplett separierten oder mittels halbhoher Wände abgetrennten Beratungsbereich werden Kunden mit gehobenem Finanzdienstleistungsbedarf betreut.

Die verglaste Kasse sowie traditionelle Schaltertheken, die eine Barriere zwischen Kunde und Bankpersonal darstellten, werden heute ersetzt durch Dialogpoints oder Dialogtheken, die eine offene Kommunikation zwischen Bank und Kunde erleichtern und ein Nebeneinander von Kunde und Mitarbeiter ermöglichen. Offenheit und Transparenz sind die gestalterischen Eckpunkte in der Philosophie des neuen Filialkonzepts.

Dialogpoints: Die kleinen Serviceinseln können frei im Raum aufgestellt werden und erlauben die Nähe von Service- und SB-Bereich. Somit entsteht ein modernes "Ein-Zonen-Konzept", ein Marktplatz der Möglichkeiten mit einem in sich geschlossenen Raumeindruck. Ein Diskretionselement am offen aufgestellten Dialogpoint sorgt für Intimität im Ser- vice-Gespräch. Ein inselartig verlegter Teppichboden unter dem Point bietet eine Zonierung, die ausdrückt: Stopp! Bis hier hin und nicht weiter.

Die Points können fest stationiert sein oder als fahrbare Elemente ausgebildet an jedem Stromauslass im Raum angedockt werden. Bewegliche Möbel unterstützen die räumliche Veränderung der Filiale zum Beispiel bei Marketingaktionen und Events. Die Dialogpoints können derart ausgestattet werden, dass die Technik außerhalb der Geschäftszeiten verschlossen werden kann. Diese Service-Anlaufstellen müssen dann nicht vom 24-Stunden-SB getrennt werden und können viel tiefer in der SB-Zone platziert werden.

Ein Zusammenspiel zwischen den nahe positionierten Dialogpoints und dem SB-Bereich gewährleistet eine noch optimalere Kundenbetreuung beziehungsweise den direkten Anlauf durch den Kunden. Die SB-Komponenten können im Gegenzug weiter in den Filialraum hinein gezogen werden und bilden dadurch eine räumliche Einheit mit Service und Marktplatz.

Den Rücken freihalten

Bei Dialogtheken lautet das Motto: Den Rücken frei halten. Die Dialogtheken wer den nebeneinander oder seitlich versetzt locker vor Wänden oder Schrankelementen platziert. Aus Kundensicht ist diese eher traditionelle Aufstellung leichter begreifbar. Darüber hinaus haben Mitarbeiter und Kunde hier nebeneinander stehend eine schützende Wandfläche hinter sich und blicken in das Geschehen des Raums.

Beide Formen, Dialogpoint und Dialogtheke, zeichnen sich durch klare gestalterische Aussagen aus. Der Anlaufplatz für den Kunden ist sofort erkennbar, ebenso wo man steht oder auch "steh-sitzt".

Technikintegration, Ergonomie und Licht sind weitere Faktoren, die es zu gestalten gilt. Die blendfreie Einsicht auf den Bildschirm ist ein wichtiges Moment. Lichtsegel ersetzen abgehängte Beleuchtungselemente und erhöhen somit die Flexibilität der einzelnen Einheit. Güte und Wertigkeit der Einrichtungselemente sowie zeitgemäßes Design sind für den Kunden Kennzeichen für die zu erwartende Beratungsqualität.

Diskretionsfaktoren Akustik, Licht und Farbe

Trotz angestrebter Diskretion in Einzelbereichen soll die Filiale eine offene und großzügige Atmosphäre bewahren. Für den Kunden muss seine Bank überschaubar und begreifbar sein. Schwellenängste dürfen erst gar nicht aufkommen. Ein durchgängiger Bodenbelag vom Eingang in die Filiale hinein erhöht das Empfinden für ein schlüssiges Raumkonzept.

Mit gezielter akustischer Gestaltung an den beratungsintensiven Dialogpoints lässt sich die durch harte und glatte Materialien beding-te Halligkeit punktuell mindern. Ein Lärm absorbierender Paravent am Dialogpoint oder ein akustisch wirksames Deckenelement über der Serviceinsel sorgen ebenso wie ein Teppich als Standfläche für eine diskrete Gesprächssituation. Deckensegel gibt es in individuell gestaltbaren Größen und Formen. Stoffbezüge können farblich an die Einrichtung angepasst werden.

Mit der Lichtplanung der Filiale steht und fällt die Raumwirkung. Die verschiedenen Bereiche erfordern eine unterschiedliche Ausleuchtung. Helligkeit und gute Übersicht in Frei- und Verkehrsflächen, EDVgerechte Arbeitsplatzbeleuchtung an Dialogpoints und Schreibtischen sowie punktuelle Ausleuchtung an SB-Automaten oder im Schaufensterbereich. Die unterschiedliche Illumination einzelner Bereich trägt als zusätzliches optisches Element zur Raumgliederung und damit zu mehr Diskretion bei.

Auch Farben und Materialien können durch geschickten Einsatz zur klareren Strukturierung der Filiale genutzt werden. Dunklere Töne wie Naturhölzer oder warme Lederfarben bieten den Hintergrund für diskrete Gespräche. Farbig hinterleuchtete Glasflächen oder Akzentelemente in den Corporate-Design-Farben der Bank oder Sparkasse weisen den Weg zu Information und Service.

Alternde Gesellschaft berücksichtigen

Der demografische Wandel und die damit verbundene alternde Gesellschaft stellen die nächsten Anforderungen an die Konzeption der Filiale. Noch mehr Diskretion, ausreichende Sitzmöglichkeiten, klarere Strukturen, unkomplizierte Bedienungselemente im SB sowie weiter perfektionierte Akustik- und Lichtlösungen sind die Erwartungen, die an den Point of Sale gestellt werden. Die ältere Generation verfügt über einen erheblichen Anteil der gesamten Spareinlagen und stellt für die Banken eine wichtige Zielgruppe dar.

Räumlich ansprechende Lösungen für jung und alt nebeneinander zu kreieren ist die Aufgabe, für die es schon heute die Lösungen für morgen zu finden gilt.

Die fachgerechte Planung und Umsetzung von Konzepten nach modernsten Erkenntnissen führt zu einer hohen Verweildauer des Kunden in seiner Bank beziehungsweise Sparkasse und verbessert die Kundenbindung sowie Ansehen und Akzeptanz der Bankfiliale in der Gesellschaft.

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