Honorarberatung

Der Entwurf des BMELV setzt falsche Eckpunkte

Honorarberatung ist in aller Munde und wird nicht selten als das Allheilmittel für Verbraucherschutz und gegen einen angeblich provisionsgetriebenen Produktabsatz gesehen. Auch das Bundesverbraucherschutzministerium (BMELV) möchte seinem Namen alle Ehre machen und veröffentlichte im Juli dieses Jahres ein sogenanntes Eckpunktepapier zur gesetzlichen Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung.

Für Versicherungsvermittler bereits seit langem geregelt

Der größte deutsche Vermittlerverband, der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), der zusammen mit den Vertretervereinigungen über 40 000 Versicherungsvermittler repräsentiert, begrüßt die Absicht des Verbraucherschutzministeriums, mit dem Eckpunktepapier das Berufsbild des Honorarberaters gesetzlich zu regeln und Mindeststandards festzuschreiben. Schließlich müssen sich Verbraucher auch darauf verlassen können, dass den Honorarberatern nicht nur ihr angeblich guter Ruf vorauseilt, sondern auch, dass eine gesetzliche Mindestqualifikation, ein fundierter Marktüberblick sowie Unabhängigkeit der Versicherungsberatung für sie Vorteile bringen. So weit, so gut.

Und doch sind das Selbstverständlichkeiten, die für den Berufsstand des Versicherungsvermittlers seit langem gelten.

Schon im Mai 2007 wurden durch die Inkraftsetzung des deutschen Vermittler rechts diesem Berufsstand umfangreiche gesetzliche Pflichten auferlegt. Danach müssen die rund 255 000 registrierten Versicherungsvermittler beispielsweise eine Sachkunde, eine Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung sowie eine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit für ihre Berufsausübung nachweisen, zum Schutz der Verbraucher und zum eigenen Berufsschutz.

Darüber hinaus schreibt die Informationspflichtenverordnung zum Versicherungsvertragsgesetz (VVG) den Versicherungsvermittlern umfangreiche Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten vor, auf die alle Kunden einen gesetzlichen Anspruch haben.

Verbraucherschutzwünsche und Kundenverhalten klaffen auseinander

Was jetzt also mit dem BMELV-Eckpunktepapier für Versicherungsberater nachgeholt wird, ist seit Jahren für die Versicherungsvertreter selbstverständlich. Es verwundert daher, dass so viel Aufhebens um die Versicherungsberater gemacht wird, zumal gerade einmal nur rund 200 nach § 34 e der Gewerbeordnung registriert sind.

Ihnen gegenüber stehen die schon oben erwähnten rund 255000 Einfirmen- und Mehrfachvertreter sowie Makler gegenüber, die seit Jahr und Tag millionenfach erfolgreich Versicherungsverträge vermitteln und damit für das hohe Absicherungsniveau der bundesdeutschen Bevölkerung mitverantwortlich sind.

Die Relation zwischen registrierten Versicherungsvermittlern und Versicherungsberatern offenbart auch, dass die Verbraucher der Beratungs- und Vermittlungsqualität durch Versicherungsvermittler vertrauen und keinen Bedarf sehen, eine Honorarberatung in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus zeigt sich, dass Verbraucherverhalten und ministerielle Verbraucherschutzwünsche weit auseinander klaffen.

Hauptargument für Honoraberatung bleibt unbewiesen

Doch die Aufregung um das BMELV-Eckpunktepapier ist von unserer Seite nicht ganz unbegründet. Schließlich schlägt das Dokument nicht weniger vor, als den Berufsstand der Versicherungsvermittler in einen der Versicherungsberater auf Honorarbasis zu überführen. Das unbewiesene Hauptargument des Dokuments ist lediglich, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Provisionen und Produktberatung.

Durch diese Annahme sieht sich das BMELV "bestätigt", Schritte zur Eliminierung eines ganzen Berufsstandes zu empfehlen: Beispielsweise sollen Versicherer dazu ermuntert werden, Nettotarife anzubieten. Damit hätten die Verbraucher die Möglichkeit, nach einer kostenpflichtigen Honorarberatung Versicherungstarife abzuschließen, die ohne Provisionen berechnet worden sind.

Massive Marktverzerrungen zulasten der Versicherungsvermittler

Doch falls diese vermeintliche "Lösung" einer liberalen Marktwirtschaft zuwiderlaufen würde, nach der die Produktgeber ihre Tarife frei von staatlicher Bevormundung kalkulieren dürfen, schlagen die Autoren des Eckpunktepapiers kurzerhand vor, dass doch die Versicherungsberater die Vermittlungsprovisionen an die Verbraucher weiterleiten könnten.

Damit dies möglich ist, soll in einem Federstreich gleich das gesetzliche Provisionsabgabeverbot abgeschafft werden. Das würde dann den Wettbewerb zwischen den Versicherungsvermittlern und -beratern anregen.

Dass damit der Vermittlermarkt zu Lasten der Versicherungsvermittler massiv verzerrt werden würde und ein Feilschen zwischen Kunden und Vermittlern losgetreten werden könnte, nehmen die Autoren des Papiers billigend in Kauf.

Problem der Altersarmut wird verschärft

Noch einen anderen, in der Branche weithin bekannten Aspekt vernachlässigt das Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom Juli dieses Jahres: Viele Verbraucher sind aus verständlichen Gründen nicht bereit, für eine Honorarberatung, beispielsweise zum Abschluss einer privaten Haftpflichtversicherung, mehr zu bezahlen als für die Versicherung insgesamt. Von dieser Seite droht also der Honorarberatung ein hohes Akzeptanzrisiko.

Noch schlimmer wäre aber, dass viele Kunden aufgrund hoher Honorarkosten von bis zu 200 Euro pro Beratungsstunde nicht mehr bereit sein dürften beziehungsweise könnten, etwas für ihre Altersvorsorge zu tun und entsprechende Produkte abzuschließen.

Hier würde also die Problematik der drohenden Altersarmut verschärft, ganz abgesehen davon, dass die nach und nach aus dem Markt gedrängten Versicherungsvermittler ihrem gesellschaftspolitischen Auftrag eines hohen Absicherungsniveaus der Bevölkerung nicht mehr nachkommen könnten. Eckpunktepapier nicht sachdienlich Aus all diesen Überlegungen heraus hält der BVK das BMELV-Eckpunktepapier nicht für sehr sachdienlich, einen praktikablen Weg in die Zukunft der Versicherungsberatung, geschweige denn der Versicherungsvermittlung zu gehen. Ganz im Gegenteil: Mit seinen Überlegungen und Vorschlägen spielt es fahrlässig mit der Existenz des Berufsstandes der Versicherungsvertreter und ihren Beschäftigten in den Agenturen und setzt falsche Eckpunkte.

Würden die Vorschläge des Dokuments Realität, wären davon mehr als eine halbe Millionen Menschen betroffen und es wäre nicht wirklich etwas gewonnen. Und dass bei einem Bestand von 448 Millionen Versicherungsverträgen insgesamt beziehungsweise rund 2,3Millionen erfolgreich netto neu vermittelten Versicherungsverträgen allein in 2009 und einer Quote von gerade einmal 0,8 Prozent der beim Ombudsmann für Versicherungen eingegangenen zulässigen Beschwerden. Bezogen auf die Neuverträge sind das rund 0,07 Promille.

Am besten in die Schublade

Außerdem sind nach Ansicht des BVK die Vorstellungen des BMELV teilweise nicht kompatibel mit bestehendem Recht und den Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung, unter anderem mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts.

Alles zusammengenommen setzt das Eckpunktepapier des BMELV falsche Prioritäten und man ist geneigt, ihm das Schicksal von so vielen ministeriellen Vorlagen zu wünschen: das Verschwinden in der Schublade.

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