Honorarberatung

Honorarberatung ist das "E10" der Finanzberatung

Verbraucherschützer, Politik und die Finanzbranche diskutieren seit Jahren die denkbaren Wege und Modelle zu einer fairen und qualitativ hochwertigen Finanzberatung. Nach dem Willen von Politik und Verbraucherschützern sollen Finanzberater vor allem unabhängig sein und sich ausschließlich an den Wünschen und Zielen der Kunden orientieren, so wie dies formal bereits jetzt bei allen Maklern der Fall ist. Der am Markt fast ausschließlich existenten Provisionsberatung werden in diesem Zusammenhang meist per se schlechte Noten erteilt.

Im Gegensatz dazu wird die kaum von den Verbrauchern genutzte Honorarberatung als durchweg positiv dargestellt. Denn wo Honorarberatung draufsteht, sind formal Qualität und faire Preise drin.

Der Gesetzgeber möchte deshalb die Honorarberatung stärken und sieht im Gesetzentwurf zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts, der am 6. April 2011 vom Kabinett beschlossen wurde, eine zeitnahe gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberater vor. Bereits im "Thesenpapier zur Qualität der Finanzberatung und Qualifikation der Finanzvermittler des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) vom 23. Juli 2009" wurde über den provisionsunabhängigen Beraterstatus diskutiert.

Nach den Plänen des BMELV soll zukünftig die Honorarberatung für alle drei Produktgruppen von Finanzdienstleistungen - Versicherungen, Geldanlagen und Darlehen - gesetzlich verankert werden. Für Versicherungen existiert bereits das Berufsbild des Versicherungsberaters, der ausschließlich als Honorarberater tätig ist. Der Gesetzgeber möchte dieses Modell auch auf die beiden anderen Produktgruppen von Finanzdienstleistungen ausweiten.

Demnach soll das Berufsbild des Anlageberaters geschaffen werden, der auch ausschließlich als Honorarberater für Geldanlagen tätig sein soll.

Der Darlehensberater wird ebenfalls zum geschützten Begriff für den Absatz von Darlehen, wiederum ausschließlich gegen Honorar.

Dem gegenüber würden dann Versicherungsvermittler, Anlagevermittler oder Darlehensvermittler stehen, die auf Provisionsbasis beraten. Nur wer als Anlageberater, Darlehensberater und Versicherungsberater qualifiziert ist, darf sich nach den Plänen des Verbraucherschutzministeriums zukünftig "Finanzberater" nennen (siehe Abbildung).

Vergleich Provisionsberatung und Honorarberatung

Bei der Provisionsberatung erhält der Berater keine Vergütung, wenn der Kunde keinen Vertrag abschließt. Das notwendige Einkommen des Beraters wird also ausschließlich durch jene Kunden gezahlt, die auch Verträge abschließen. Wird ein Vertrag mit höherer Beitragssumme abgeschlossen, fallen auch höhere Kosten und damit höhere Provisionen an, selbst wenn der Beratungsaufwand genauso hoch ist wie bei einem Vertrag mit niedrigerer Beitragssumme. Das System lebt also mit einigen Quersubventionen und ist damit nicht wirklich verursachungsgerecht. In der Honorarberatung zahlen auch diejenigen für die Beratung, die letztlich keinen Vertrag abschließen.

Die Gewohnheit der Verbraucher ist jedoch eine andere - es ist ihnen nicht vertraut, dass sie für eine Beratung ein Honorar zahlen müssen. Gleichwohl ist es der überwiegenden Anzahl der Verbraucher klar, dass der Berater aus dem Kaufpreis oder der Geldanlage vergütet werden muss.

Verbraucher nicht überzeugt

Laut einer aktuellen Studie der Hochschule Weserbergland sind die Deutschen im Schnitt bereit, gerade einmal 50 Euro für eine Anlage- oder Versicherungsberatung zu zahlen. Dafür ist keine qualifizierte Beratung zu bekommen, schon gar nicht im Bereich der privaten Altersvorsorge. Vielmehr würden gerade diejenigen, die eine Finanzberatung am dringendsten nötig hätten, aus finanziellen Gründen darauf verzichten. Damit würden geschätzte 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung von einer umfangreichen Finanzberatung abgeschnitten.

Die guten Absichten des Gesetzgebers sind darüber hinaus dem Ziel zu mehr privater Vorsorge wenig dienlich, wenn die Verbraucher nicht überzeugt sind. Ein Beispiel für mangelnde Akzeptanz bei den Bürgern war die Einführung des Kraftstoffs E10 Anfang des Jahres. Auch hier hatte der Gesetzgeber ehrenwerte Ziele: Der neue Biosprit sollte die Umwelt entlasten. Die Umsetzung jedoch endete beinahe in einem Desaster. Bereits im Jahr 2010 hatte die Bundesregierung die Mineralölbranche zu einer Mindestquote von Biokraftstoffen verpflichtet. An den Verbraucher wurde dabei zunächst nicht gedacht. Eine Aufklärungskampagne zur Einführung von E10 gab es nicht. Das Problem: Monatelang herrschte bei den Verbrauchern Unklarheit, ob ihre Fahrzeuge für den Biosprit freigegeben sind. Folglich tankte kaum einer den neuen Kraftstoff. Und auch heute lehnen viele Verbraucher E10 immer noch ab. Zu unklar ist der wirkliche Nutzen.

Die oben genannten Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass Honorarberatung von den Verbrauchern nicht angenommen wird. Die vermeintlich guten Absichten des Gesetzgebers könnten sich schnell als wirkungslos erweisen. Damit wäre die Honorarberatung das E10 der Finanzberatung. Das Ziel des Verbraucherschutzes, in Zukunft verstärkt auf Honorarberatung zu setzen, wird nur dann erreicht, wenn der Verbraucher diesen Weg mitgeht.

Die Pläne des BMLEV sehen einen Einschnitt in das Vergütungssystem der Finanzdienstleistungsbranche vor, während dieses Vergütungsmodell in anderen Branchen unangetastet bleibt. Das Provisionsmodell ist zum Beispiel beim Autokauf gang und gäbe. In der Preiskalkulation des Händlers sind der Beratungsaufwand und die daraus entstehenden Kosten bereits in den Preis eines Wagens einkalkuliert. Es würde wohl ein Aufschrei der Entrüstung durch die Bevölkerung gehen, wenn der Händler für die Produkt- und Verkaufsberatung eine direkte Entlohnung verlangen würde - selbst dann, wenn gar kein Auto erworben wird.

Das Modell der Provisionsberatung ist somit keinesfalls unüblich, es ist oftmals sogar die Regel. Was jedoch auffällt ist, dass in keiner anderen Branche, als der der Finanzdienstleistungen der Anteil der Vertriebskosten explizit ausgewiesen wird. Trotzdem versucht nun der Gesetzgeber, ausschließlich in der Finanzbranche die Vergütung zu regeln.

Provisionsmodell in anderen Branchen durchaus üblich

Unstreitig ist, dass der Kunde für die erhaltene Beratungsleistung beziehungsweise die Produktvermittlung nicht über Gebühr zur Kasse gebeten werden darf. Gleichzeitig muss jedes Beratungsunternehmen in der Lage sein, auskömmliche Erträge zu erzielen; denn wenn letzteres nicht gegeben ist, wird die Beratung am Markt nicht angeboten und der Verbraucher kann sie damit auch nicht nutzen.

Gerade in der Altersvorsorgeberatung besteht jedoch nach wie vor ein erheblicher Aufklärungs-, Beratungs- und Betreuungsbedarf. Die Erfahrung zeigt, dass für eine umfassende individuelle Finanzanalyse und -beratung mehrere Stunden aufgewendet werden müssen. Und gerade der Gesetzgeber hat ein großes Interesse daran, dass sich die Bürger mit diesen Themen auseinandersetzen und die erhebliche Lücken der staatlichen Versorgung durch privates Sparen schließen. Die Zukunft der privaten Altersversorgung steht auf der Kippe, wenn gerade "normale" Privathaushalte keine Beratung in Anspruch nehmen, da ihnen die Initialkosten dafür zu hoch sind.

Nachhaltigkeit und lebensbegleitende Betreuung in Gefahr

Die Nachhaltigkeit bei der Kundenbetreuung steht als weiteres Kriterium für qualifizierte Beratung im Vordergrund und birgt bei der stringenten Einführung der Honorarberatung die größte Gefahr der Unterversorgung.

Im Sinne einer lebensbegleitenden Betreuung sollten Berater regelmäßig auf ihre Kunden zugehen. Die Erfahrung im Berateralltag von AWD zeigt, dass in jedem dritten Gespräch Anpassungsbedarf für den Kunden deutlich wird: Beispielsweise wenn Kinder geboren werden, nach Ar beitsplatzwechsel, Scheidung oder Umzug. Zu bedenken ist, dass jeder Folgetermin beim Honorarberater mit mehreren hundert Euro vergütet werden muss - das heißt, die breite Masse der Bevölkerung wird sich aufgrund der erneuten Kosten gegen eine Aktualisierung der eigenen Finanzstrategie entscheiden.

Vergütungsmodell als Kriterium für die Beraterwahl untauglich

Private Finanzberatung ist in allererster Linie eine Frage des Vertrauens, nicht des Vergütungsmodells. Der Gesetzgeber kann die Voraussetzung schaffen, dass die am Markt tätigen Berater über eine hinreichende Qualifikation verfügen, dass die Transparenz der Produkte für die Verbraucher verständlich ist und die Dokumentation des Beratungsgespräches eine jederzeitige Überprüfung gewährleteist.

Letztendlich muss und wird der Kunde aber entscheiden, mit wem er seine Anlagen bespricht. Das Kriterium Provisions- oder Honorarberatung scheint für die Auswahl jedoch untauglich, sonst hätte sich in den vergangenen Jahren die Honorarberatung schon deutlich besser entwickelt, das Gegenteil ist der Fall. Entscheidend wird zukünftig vor allem die Qualifikation der Berater sein.

Die Ausbildung zum geprüften Versicherungsfachmann (m/w) IHK, die in einer Sachkundeprüfung vor der Industrie- und Handelskammer mündet, war 2007 ein Schritt in die richtige Richtung. Grundsätzlich garantiert diese Form der Ausbildung ein qualitatives Fundament für die Beratung im Bereich der Versicherungen. Derartige Anforderungen auch auf Darlehen und die Beratung von Anlageprodukten auszuweiten, ist zu begrüßen.

Zusätzliche Spezialisierung nach Bereichen ist sinnvoll

Eine zusätzliche Spezialisierung für Bereiche wie "Immobilien und Kapitalanlagen", oder "betriebliche Altersvorsorge" ist sinnvoll. Diese Bereiche haben jeweils ihre besonderen Herausforderungen. Im April 2011 hat das Bundeskabinett den Entwurf zur Gesetzesnovelle des Finanzanlagevermittler- und Vermögensanlagerechts beschlossen, das mit dem neuen Paragraf 34 f GewO strengere Richtlinien für gewerbliche Vermittler von geschlossenen Investment- und Fondsanlagen vorgibt. Dazu zählen neben geordneten Vermögensverhältnissen der Sachkundenachweis sowie der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung.

Darüber hinaus werden die Vorgaben des Wertpapierhandelsgesetzes zur Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflicht, bisher nur für Banken obligatorisch, auf gewerbliche Vermittler übertragen.

Der Weg zur Honorarberatung erfordert ein Umdenken

Die Regelung dieser Anforderungen obliegt dem Gesetzgeber, wobei darauf zu achten ist, dass dies dem Verbraucher auch wirklich hilft und nicht zu einem Verwaltungsungetüm verkommt. Der Eingriff in Fragen der Preisgestaltung und Vergütung ist jedoch eine Beschränkung des freien Wettbewerbs, deren Nutzen bezweifelt werden darf. Der Staat hat sich aus einer umfassenden Versorgung zurückgezogen und den Bürgern Selbstverantwortung auferlegt und will nun die Mechanismen des Marktes wiederum außer Kraft setzen, eine fragwürdige Vorgehensweise. Aus Branchensicht ist ein Umdenken in der derzeitigen Diskussion wünschenswert. Es sollte nicht um schwarz oder weiß, entweder oder, gehen. Vielmehr sollte über Mischformen aus beiden Modellen - Honorarberatung und Provisionsvermittlung nachgedacht werden.

Es wäre durchaus denkbar, dass ein Berater nach beiden Vergütungsformen arbeitet und der Kunde sich vorab schriftlich entscheidet, nach welchem Modell er die Beratung in Anspruch nehmen will.

Darüber hinaus könnte die Branche über die Möglichkeit von Dienstleistungsverträgen nachdenken, bei denen der Kunde beispielsweise eine Betreuung über fünf Jahre einkauft und mit einer gleichbleibenden monatlichen Vergütung entlohnt.

Die Finanzbranche sollte keine Blockadehaltung aufbauen

Der Gesetzgeber sollte weniger dogmatisch sein, sondern mehr auf die Ergebniswirkung der Politik achten. Dies verlangt nach Lösungen unter Einbezug der Finanzbranche, denn wenn der Weg in Richtung Honorarberatung gehen soll, dann kann dies nur gelingen, wenn die aktuellen Beraterkapazitäten dahingehend ausgerichtet werden und nicht dadurch, dass der Versuch unternommen wird, eine Parallelwelt zu errichten mit ganz anderen Personen.

Ein ausreichendes Angebot an Beratungskapazität würde auf diesem Weg selbst 2025 nicht erreicht, jedoch besteht gerade jetzt der dringendste Beratungsbedarf, ein Blick auf die demografische Entwicklung zeigt dies. Die Finanzbranche ihrerseits sollte keine Blockadehaltung aufbauen, sondern ebenfalls nach alternativen Modellen suchen, die der Verbraucher akzeptiert und die betriebswirtschaftlich funktionieren.

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