Vertriebspolitik

Didaktische Kompetenz im Vertrieb entfaltet Vertrauen

Die Reputation der Kreditinstitute und Anlageberater hat seit Beginn der Finanzkrise bekanntermaßen deutlich eingebüßt. Verbraucherschützer kritisieren mangelnde Transparenz und ungenügende Beratungsqualität. Die Deutsche Bundesbank verweist in ihrem Monatsbericht 1/2011 auf komplexe Finanzprodukte, deren Risiken für Anleger schwer einzuschätzen sind. Die Finanzkrise determiniert aus Sicht des Gesetzgebers insofern die Notwendigkeit einer weiteren Stärkung des Anlegerschutzes und einer strengeren Kontrolle der Finanzmärkte. Um das Vertrauen zurückzugewinnen, rücken Kreditinstitute wieder zunehmend den Kunden in den Vordergrund, um ihn durch eine von der Konkurrenz abhebende Beratungsleistung an sich zu binden.

Vertrauen entsteht stets in unsicheren Situationen mit einem risikobehafteten Ausgang. Das heißt ist der Ausgang zu 100 Prozent sicher, ist Vertrauen nicht notwendig. Da Bankprodukte gemeinhin abstrakt und komplex sind und die Entwicklung zahlreicher Bankprodukte zudem risikobehaftet und ex ante nicht sicher prognostizierbar ist, wird Vertrauen aus Kundensicht höchst relevant.

Kunden entwickeln Vertrauen zu ihrem Kreditinstitut, wenn die vom Kundenbetreuer avisierte Performance bankbetrieblicher Produkt-/Leistungsangebote mit den eigenen Erwartungen (zumindest annähernd) übereinstimmen. Um konkrete Erwartungen an die Performance eines komplexen bankbetrieblichen Produkt-/Leistungsangebotes zu entwickeln, muss der Kunde das Angebot des Beraters vor Vertragsabschluss indes verstehen - sonst bleiben die Erwartungen in der Regel abstrakt (zum Beispiel "... ich möchte hohe Zinsen und möglichst kein Risiko"). Wie aber kann der Kunde mit einer solchen Erwartung langfristig Vertrauen entwickeln, wenn nach Ablauf einer vereinbarten Zeit zum Beispiel aufgrund volatiler Kapitalmarktentwicklungen ein realer Verlust erwirtschaftet wurde und der Kunde ex post die Gründe des Kundenbetreuers hierfür aus seiner Sicht erstmals konkret versteht.

Herausforderung unterschiedlicher Wissensstände

Kreditinstitute selektieren ihre Kunden üblicherweise zum Beispiel als Retail-/Vermögenskunden und richten daran ihr spezifisches Beratungs- und Produkt angebot aus. Kunden haben aber segmentübergreifend einen sehr unterschiedlichen bankbetrieblichen Wissensstand. Dass ein Vermögenskunde ein höheres bankbetriebliches Wissen als ein Retailkunde hat, kann im Allgemeinen nicht angenommen werden, allerdings nimmt die Komplexität bankbetrieblicher Lösungsvorschläge im Vermögenskundengeschäft tendenziell zu.

Unterschiedliche Wissensstände bilden Informationsasymmetrien zwischen Kreditinstitut und Kunde. Die Neue Institutionenökonomik erläutert ausführlich Herausforderungen, die durch Informationsasymmetrien der Marktakteure ausgelöst werden und welche Möglichkeiten bestehen, wechselseitig Verhaltensweisen zu beschränken - im Fokus einer solchen Betrachtungsweise steht das Instrumentarium der Kontrolle.

Die didaktische Kompetenz der Wissensvermittlung, insbesondere im Hinblick auf risikobehaftete Entwicklungen zahlreicher Bankprodukte, zielt indes vermehrt auf den Aufbau von Vertrauen als die Kehrseite von Kontrolle. Die Qualität des Beratungsgespräches wird damit zu einer zentralen Herausforderung hinsichtlich Kundenzufriedenheit und das Vertrauen des Kunden.

1. Kunden haben im ersten Schritt eines Beratungsgespräches ein spezifisches Bedürfnis und erwarten eine bankbetriebliche Lösung. In einer Analysephase berücksichtigt der Kundenbetreuer die Bedürfnisse des Kunden und erarbeitet mit technischer Unterstützung qualitätsgesicherter Prozesse ein Angebot. Der Durchführung des Beratungsgespräches obliegt zudem die Einhaltung regulatorischer Rahmenbedingungen. So reglementiert das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) die Beratungsgespräche durch Anforderungen an eine anleger- und objektgerechte Beratung (§ 31 Abs. IV und IV a WpHG), das Aushändigen von Beratungsprotokollen (§ 34 Abs. II a WpHG) oder die Bereitstellung von Produktinfomationsblättern (§ 31 III WpHG).

2. Im zweiten Schritt muss der Kunde das von der Bank angebotene Produkt-/ Lösungsangebot "verstehen". Wie aber wird sichergestellt, dass Kunden in Abhängigkeit von ihrem Vorwissen, Produkt-/Lösungsangebote der Kreditinstitute tatsächlich verstehen (gemeint ist nicht das Aushändigen der im ersten Schritt erhobenen Beratungsprotokolle und Erfassungs-/Produktbögen)?

Kundenbetreuer haben in der Regel keine explizit erworbene didaktische Kompetenz. Sie vermitteln dem Kunden im zweiten Schritt des Betreuungsgespräches das zum Verständnis ihres Angebotes notwendige bankbetriebliche Wissen üblicherweise individuell und intuitiv, das heißt nicht "prozess- und qualitätsgesichert". Deshalb nehmen Kunden Beratung im gleichen Kreditinstitut regelmäßig unterschiedlich wahr, je nachdem von welchem Betreuer sie beraten wurden. Zudem wird die Durchführung des Betreuungsgespräches - insbesondere dann, wenn sie nicht prozessgesteuert wird - von Rahmenbedingungen determiniert, von denen man annehmen

kann, dass sie die Wissensvermittlung beeinflussen (zum Beispiel ambitionierte Vertriebsziele oder Termindruck des Betreuers). Nun kann nicht erwartet werden, dass ein Kreditinstitut in der Kundenberatung in 30 bis 60 Minuten bankbetriebliches Wissen seminarähnlich vermittelt. Wenn das Kreditinstitut aber ein ehrliches Interesse daran hat, dass der Kunde das ihm vorgeschlagene Produkt- oder Lösungsangebot "versteht", müssen qualitätsgesicherte Prozesse gewährleisten, dass die Kundenbetreuer eine angemessene "Lehrkompetenz" erwerben. Kreditinstitute können diesen Prozess dann nicht der Intuition eines jeden Kundenbetreuers eigenständig überlassen.

Quantitative und qualitative Reduktion

Standardisierte, qualitätsgesicherte sowie IT-gestützte Lösungen könnten beispielsweise eine Einordnung der Kunden in eine "bankbetriebliche Wissenskategorie" Anfänger, Fortgeschrittener, Professional vornehmen und ein erster Schritt einer prozessgesteuerten Begleitung sein. Im Weiteren steht der Erwerb didaktischer Kompetenzen - so könnten Lösungsansätze der Wissensvermittlung im Beratungsgespräch aus der Lehre kommen, um den Wissensstand der Kunden (partiell) zu nivellieren und einen didaktischen Kompetenzerwerb beispielsweise im Rahmen der didaktischen Reduktion zu generieren. Dabei geht es, insbesondere mit Blick auf Kunden der Wissenskategorie "Anfänger" und "Fortgeschrittene", um eine Methode komplexe Sachverhalte im Beratungsgespräch zu vereinfachen und auf zentrale Bestandteile zurückzuführen. Man kann dabei zwischen quantitativer und qualitativer Reduktion des zu vermittelnden Wissens unterscheiden.

Bei der quantitativen Reduktion werden vom Kundenbetreuer wesentliche Aspekte reduziert (das heißt Einzelaspekte hervorgehoben und andere vernachlässigt) -gleichzeitig wird die Überschaubarkeit insgesamt beibehalten. So wirbt aktuell etwa die Ergo Versicherungsgruppe explizit mit dem Versprechen einer Reduktion der Komplexität zum Beispiel hinsichtlich ihrer Informations- und Vertragsgestaltung.

Die qualitative Reduktion zielt auf die Aufbereitung des Wissens ab, das heißt die Lehrmethode der Wissensvermittlung. In der Kundenberatung können IT-unterstützt komplexe und abstrakte Sachverhalte durch Medien vereinfacht dargestellt werden, beispielsweise durch den gezielten Einsatz mittels Bilder, Grafiken, (Kurz-)Lehrfilme oder Podcasts zu bankbetrieblichen Produkt- und Lösungsangeboten.

Auch im Online-Vertrieb

Bankbetriebliche Produkt- und Lösungsangebote können auch im Online-Vertrieb zielgerichtet am Vorwissen der Kunden ausgerichtet werden. Der Kunde könnte über eine selbstbestimmte Wissenskategorie (Anfänger, Fortgeschrittener, Professional) im Menü gesteuert werden und zum Beispiel als Anfänger beim Kauf eines Produktes "didaktisch aufbereitete" Informationen erhalten.

Als Fazit lässt sich festhalten: Kundenvertrauen resultiert mittelbar aus dem "Verstehen" der Kunden über die Entwicklung ihres individuellen bankbetrieblichen Produkt- und Leistungsangebotes (vice versa). Kreditinstitute könnten deshalb eine diesbezügliche Einschätzung ihrer Kunden anonym erheben. Denn wer gibt schon gerne zu, dass er etwas erworben hat, was er nicht versteht! Wenn Kunden (zahlreiche) Bankprodukte erworben, diese aber nicht verstanden haben, werden sie im Allgemeinen langfristig weder Vertrauen noch Zufriedenheit gegenüber ihrem Kreditinstitut entwickeln können, da ihre Erwartungen an das erhaltene bankbetriebliche Produkt- und Leistungsangebot nicht eintreffen und sie deshalb wiederkehrend enttäuscht werden. Insofern sind vom Kreditinstitut regelmäßig Maßnahmen zu überdenken, damit der Kunde die erhaltenen Leistungen versteht - hierzu kann eine erhöhte didaktische Kompetenz im Kundengespräch einen signifikanten Beitrag leisten.

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