Finanzdienstleister und Demografie

Demografischer Wandel - Fluch oder Segen für Kreditanbieter?

Der demografische Wandel verändert das Konsumverhalten der Deutschen - und das hat maßgeblichen Einfluss auf das Kreditgeschäft. In einer alternden Gesellschaft geht die Zahl der Erwerbstätigen zurück, gleichzeitig sinkt mit zunehmendem Alter das Bedürfnis nach Konsum. Wenn die Babyboomer-Generation in Rente geht, ist die wirtschaftliche Stabilität in Gefahr, so zumindest die Befürchtungen. Doch so düster, wie manche Szenarien gezeichnet werden, sieht die Zukunft nicht aus - wenn die Kreditwirtschaft mit bedarfsgerechten Lösungen reagiert.

Die heute über 55-Jährigen gehören zu den sogenannten Sparern mit Konsummöglichkeiten. Das heißt, dass sie zwar über Vermögen verfügen, dieses aber tendenziell eher ungern ausgeben. Laut aktuellem Verbraucherindex, der im Februar 2013 im Auftrag der Creditplus Bank durchgeführt wurde, kommt die Konsumentengruppe der gut betuchten Sparer auf 35 Prozent der Gesamtbevölkerung.1)

Status quo: geringe Finanzierungsneigung 55 plus

Betrachtet man die Konsumneigung der Verbraucher genauer, fällt die mit dem Alter sinkende Bereitschaft für Ausgaben noch mehr ins Gewicht: Keine Gruppe ist so wenig konsumfreudig wie die der heute über 55-Jährigen. Mehr als jeder Zweite dieses Alters verspürt keine Lust, Geld auszugeben.2) Und das, obwohl die älteren Bundesbürger neben den gut ausgebildeten Personen mit hohem Einkommen diejenigen sind, die die höchsten Konsummöglichkeiten haben. Fast jeder Dritte kann sich kurzfristige Anschaffungen im Wert von 2 500 Euro und mehr leisten, erwartungsgemäß sind die Jahrgänge 55 plus somit die Alters gruppe mit dem höchsten Anschaffungspotenzial. Doch die älteren Bürger verzichten nicht vollständig auf teure Anschaffungen: Jeder Vierte von ihnen plant eine Reise, die mehr als 1 250 Euro kostet. Ein neues Auto wollen sich immerhin noch vier Prozent der "Best Ager" kaufen. Kennzeichnend ist hierbei, dass die Autokaufwilligen in dieser Altersgruppe überdurchschnittlich häufig zu einem Neuwagen statt zu einem gebrauchten Modell tendierten: 44 Prozent wollen ein Auto ohne mehrere tausend Kilometer auf dem Zähler - diese Quote ist in keiner anderen Altersgruppe so hoch.

Jedoch liegt die Bereitschaft, für die Finanzierung geplanter größerer Anschaffungen einen Kredit in Anspruch zu nehmen, bei fast neun von zehn Befragten im Alter von 55 Jahren und älter gleich null. Vor diesem Hintergrund scheint das Vertriebspotenzial von Konsumentenkreditanbietern in dieser Zielgruppe eher gering.

Rentner von morgen - anspruchsvoll aber weniger vermögend

Doch wie wird sich all das verhalten, wenn die geburtenstarke Generation der "Babyboomer" in den Ruhestand geht? Angaben der Bundesregierung zufolge wird das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent der durchschnittlichen Bezüge sinken. Und es kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Mehrheit der Ruheständler über nennenswerte Zusatzeinnahmen oder Privatvermögen verfügt. Das verdeutlicht der Blick auf die Konsumentengruppen, die im Verbraucherindex ermittelt wurden (siehe Abbildung 1): Die größte Konsumentengruppe der heute jüngeren Generation ist diejenige, die zwar gerne konsumieren würde, es aber aus eigenen Mitteln nicht in dem gewünschten Maße kann.

Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung - die Rentner von morgen müssen also im Durchschnitt für einen längeren Zeitraum mit weniger Geld auskommen als ihre Vorgängergeneration.

Doch das bietet auch Potenziale, für die Rentner von morgen einerseits und für die Kreditwirtschaft andererseits: Für jüngere Generationen deshalb, weil sich die Arbeitsplatz- und Gehaltschancen verbessern sollten. Für die Kreditinstitute deshalb, weil der Bedarf nach finanzieller Unterstützung bei den älteren Generationen ansteigen wird.

Aus Sicht der Kreditindustrie bieten die Rentner von morgen ein enormes Marktpotenzial - allein schon deshalb, weil sie die einzige Kundenzielgruppe in Deutschland ist, die wachsen wird. Ihr Konsumverhalten ist zudem anspruchsvoller als das ihrer Vorgängergeneration, weil sie es gewohnt ist, aus einem vielseitigen Warenangebot zu schöpfen, zu vergleichen und auf Aspekte wie Service und Komfort zu achten. Schon heute ist die Generation 55 plus mehrheitlich im Internet unterwegs, um Vergleiche anzustellen, Angebote einzuholen und Waren zu kaufen: Fast 80 Prozent der Gruppe im Alter von 50 bis 59 Jahren nutzen das Internet - und über 60 Prozent der 60- bis 69-Jährigen.3) Für ältere Bürger ist Konsum einfacher und komfortabler als je zuvor. Wenn es um die Finanzierung ihres Konsums geht, ist der Generation 55 plus das persönliche Gespräch besonders wichtig. Fast 80 Prozent aller Kreditabschlüsse in dieser Altersgruppe finden beim Kundenberater statt, nur sieben Prozent schließen einen Ratenkredit im Internet ab. Die Bereitschaft zum Abschluss per Internet wird mit zunehmender Online-Kompetenz der Best Ager vermutlich wachsen - doch kommt es bei dieser erfahrenen Zielgruppe auf Transparenz und Seriosität an.

Bereitschaft zur Kreditaufnahme wird voraussichtlich steigen

Tatsache ist, dass die Rentner von morgen ihr gewohntes Konsumverhalten nicht werden aufrecht erhalten können, unabhängig davon, wie viel sie sich während ihrer Erwerbstätigkeit leisten konnten. Sofern sie sich kein Vermögen aufgebaut oder geerbt haben, müssen sie mit einer historisch niedrigen Kaufkraft über die Runden kommen. So wird die potenzielle Bereitschaft, einen Kredit aufzunehmen, schon aus der Not heraus zunehmen.

Während die kaufkräftige Rentnergeneration von heute Kredite eher ablehnt - vor allem, weil sie nicht drauf angewiesen sind, kann davon ausgegangen werden, dass Finanzierungen für die älteren Bürger von morgen zur Normalität werden. Da sie eine höhere Lebenserwartung haben, können sie ohne Bedenken davon ausgehen, Ratenkredite zu ihren Lebzeiten abzahlen zu können und ihren Erben keine Schulden zu hinterlassen.

Kreditangebote an den demografischen Wandel anpassen

Da die Zielgruppe 55 plus immer größer und bedeutsamer für die Kreditwirtschaft wird, sind die Marketing- und Produktentwicklungsabteilungen der Finanzunternehmen gefragt. Dabei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Denn trotz der quantitativen Potenziale der künftigen Zielgruppe 60 plus sind die qualitativen Chancen nicht per se deutlich: Wie muss ein Ratenkredit gestaltet sein, damit er sowohl für den Kunden als auch für den Kreditgeber funktioniert? Wie können sich die Institute vor Ausfallrisiken schützen, ohne sich den Vorwurf der "Altersdiskriminierung" anhören zu müssen?

Derzeit kritisieren Verbraucherschützer immer wieder offene oder auch versteckte Altersgrenzen bei den Kreditinstituten, die Antragstellern ab einem Alter von beispielsweise 70 Jahren keine Kreditgenehmigung mehr erteilen. Andererseits ist die Frage nach Sicherheiten nachvollziehbar, wenn die Vertragslaufzeit eines Ratenkredites die statistische Lebenserwartung des Kreditnehmers übersteigt.

Zugrunde gelegt wird - wie es bei jeder Kreditbearbeitung üblich ist - die generelle Bonität des Antragstellers, sprich sein bisheriges Kreditverhalten und das ihm zur Verfügung stehende Einkommen. Ob das Geld von einem Arbeitgeber oder der Rentenkasse kommt, ist dabei unerheblich. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Antragsteller, die zu Beginn der Finanzierung noch beschäftigt sind und im Verlauf der Rückzahlung in den Ruhestand gehen, plötzlich mit zum Teil erheblichen finanziellen Einbußen zurechtkommen müssen. Wenn ein Großteil der Kreditlaufzeit nach dem Renteneintrittsalter liegt, muss also das zukünftige Renteneinkommen ermittelt und als das maßgebliche Einkommen in der Kreditgenehmigung berücksichtigt werden.

Potenziale einer neuen Zielgruppe analysieren und erkennen

Kreditkunden der Altersgruppe 60 plus sind bei genauer Betrachtung eine attraktive Zielgruppe.

Das Ausfallrisiko ist im Vergleich zu den jüngeren Kunden gering, denn sie haben den Umfang mit Geld jahrzehntelang gelernt und gehen selbst ungern Risiken ein.

Eine unvorhersehbare Arbeitslosigkeit und damit einhergehende Einkommensschwankungen kommen in der Kundengruppe mit Rentenbezug nicht vor.

Stattdessen besteht bei den Best Agern eher die Gefahr, dass sich durch den Krankheitsfall oder gar den Tod des Lebensgefährten die Einnahmen-Ausgabensituation verändert, höher als bei jüngeren Kunden. Sobald gesundheitliche Probleme auftreten, rücken andere Prioritäten in den Vordergrund. Plötzlich wird Geld für Medikamente oder Pflege benötigt, das vorher für Konsumausgaben zur Verfügung stand.

Risiken gibt es also in jeder Altersgruppe - diese gilt es von den Kreditanbietern zu berechnen, aber auch von Fall zu Fall individuell einzuschätzen. Da auch die Kreditnehmer ein Interesse daran haben, Ratenkredite abzuzahlen, kann eine Restschuldversicherung sinnvoll sein. Zusammen mit Assekuranzpartnern bieten Kreditanbieter bereits besondere Produkte für Senioren an.

Neue Finanzierungsbedürfnisse im Bereich Gesundheit

Die Branche kann auch neue Vertriebspartner aus dem Gesundheitssegment erschließen und dadurch Finanzierungsbedürfnisse decken, für die es heute noch keinen derartigen Markt gibt. Denn bei aller Freude über die stetig wachsende Lebenserwartung bilden die gesundheitlichen Risiken die Schattenseite. Schon heute müssen Patienten die Kosten für Zahnbehandlungen mit bis zu 60 Prozent selbst finanzieren. Viele weitere medizinische Leistungen werden nicht mehr von den Krankenkassen gezahlt. Die Gesundheit wird mehr und mehr zu einem Luxusgut - das wird sich in einer alternden Gesellschaft zunehmend deutlich zeigen.

Kurzum: Ein Ratenkredit zur Finanzierung von medizinischen Eingriffen, Behandlungen, Pflegeleistungen oder auch speziellen Sanitätsprodukten könnte schon bald keine Zukunftsmusik mehr sein. Mit Produkten, die auf solche besonderen Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind, können auch Kreditbanken dazu beitragen, dass die gesellschaftlichen Herausforderungen besser bewältigt werden.

Fußnoten

1) Der Creditplus-Verbraucherindex ermittelt das Verbraucherverhalten und die Konsumbereitschaft der Bevölkerung in Deutschland. Zweimal jährlich werden dafür vom Institut Ipsos Observer im Auftrag von Creditplus 2 000 Personen ab 14 Jahren in Privathaushalten telefonisch interviewt. Grundlage für die Berechnung des Creditplus-Verbraucherindex bilden die Befragungsergebnisse zu den Themen Entwicklung des eigenen Lebensstandards und des Haushaltseinkommens, Anschaffungsneigung, Anschaffungspotenzial, Kaufabsichten und Kreditaufnahme.

2) Siehe Creditplus-Verbraucherindex, Februar 2013.

3) Vergleiche D21-Digital-Index.

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