Blickpunkte

Beratungsprotokoll - Ausgetrickst?

Eigentlich sollten die Beratungsprotokolle Ruhe in die Diskussion um Falschberatung bringen und Anlegern wie Kreditinstituten gleichermaßen Rechtssicherheit bieten. Doch kaum liegen die ersten Erfahrungen mit der neuen Dokumentationspflicht vor, hagelt es schon wieder Kritik. Auch mit Protokollen werden Anleger noch manipuliert und damit vor Falschberatung nicht geschützt, so die Kritik der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Konkret entzündet sich die Kritik an die in vielen Protokollvorlagen vorgesehenen Möglichkeit, mit einem einfachen Kreuzchen irgendwo im Dokument von der zuvor ermittelten Risikoeinstufung abzuweichen. Diese Option werde leicht zum Einfallstor für Missbrauch und Falschberatung. Die Verbraucherschützer sprechen gar von Verbrauchertäuschung, unterstellen also implizit den Beratern, die Kreuzchen standardmäßig zu setzen, um dann - vielleicht unter dem Druck von Vertriebsvorgaben beliebige Produkte verkaufen zu können. Sollte dergleichen vorkommen, wäre es zweifellos ebenso unstatthaft wie unklug. Stichproben bei nur 14 Banken sind aber sicher keine ausreichende Grundlage für einen solchen Generalverdacht.

Ein weiterer Kritikpunkt der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist die von einigen Instituten geübte Praxis, das Protokoll nicht nur vom Berater, sondern auch vom Kunden unterschreiben zu lassen. Zweifellos hat der Kunde in diesem Fall schlechte Karten, wenn er nachträglich Falschberatung geltend machen will. Andererseits kann einem mündigen Verbraucher sicher zugemutet werden, ein Dokument, unter das er seine Unterschrift setzt, zuvor durchzulesen und auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Dass es dabei hilfreich ist, das ermittelte Risikoprofil im Beratungsprotokoll selbst festzuhalten und nicht in separaten Dokumenten, wie es in der Studie verschiedentlich der Fall war, steht außer Frage. Dennoch schießen die Verbraucherschützer wohl doch übers Ziel hinaus, wenn sie von einem "nach wie vor verbraucherunfreundlichen Beratungsalltag ausgehen" und weitergehende gesetzliche Regelungen fordern.

Standardformulierungen zur Begründung der Produktempfehlung, die lediglich besagen, diese entspreche den vom Kunden gemachten Angaben und Anlagezielen, sind zweifellos wenig hilfreich. Die Forderung, hier individueller und konkreter zu formulieren - und sei es nur durch eine Auswahl zwischen einer Reihe von Standardsätzen - ist insofern berechtigt. Wenn

die Verbraucherschützer indessen fordern, die Beweislast umzukehren, sodass Banken die Angemessenheit ihrer Beratung zu beweisen hätten, dann müssen sie sich wohl oder übel mit der Kundenunterschrift unter das Beratungsprotokoll abfinden. Anders lässt sich ein solcher Beweis kaum erbringen. sb

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