Regulierung

Ernst zu nehmende Beschwerde

Regulierung verläuft in Wellen: Ist im Finanzsystem auf mittlere Sicht wenig schiefgegangen, dann stehen in Berlin und Brüssel andere Themen vorne auf der Agenda. Auf Krisensituationen folgen dagegen stets Phasen verschärfter Anforderungen vonseiten des Gesetzgebers und der Aufsichtsbehörden. Ohne Frage befindet sich die Finanzbranche derzeit in einer solchen Welle der vermehrten Regulierung und Beaufsichtigung - zu Recht, wie man angesichts der bekannt werdenden Entwicklungen und Verhaltensweisen immer wieder betonen muss. Das alles ist bekannt und die Klagen der davon in Gänze betroffenen Finanzbranche sind unüberhörbar. Nun gehört Klappern selbstverständlich zum Handwerk und bezogen auf Regulierung gab Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel kürzlich noch einmal zu Protokoll: "Banken beschweren sich so oder so." Eine neue Qualität erreicht die Debatte aber jüngst durch die wissenschaftliche Unterlegung mancher These. In Deutschland haben mit Prof. Dr. Andreas Hackethal und Prof. Dr. Roman Inderst zwei renommierte Forscher der Goethe-Universität in Frankfurt ein Gutachten vorgelegt, das sie im Auftrag des BVR erstellt haben. Untersucht wurden die "Auswirkungen der Regulatorik auf kleinere und mittlere Banken am Beispiel der deutschen Genossenschaftsbanken".

Das Ergebnis kann man wie folgt interpretieren: In Sachen Proportionalität sind die Regulierer aktuell grandios gescheitert. Die durchschnittlichen Regulierungskosten (bezogen etwa auf die Bilanzsumme) liegen bei kleinen Banken oft um ein Vielfaches höher als bei größeren Banken. Auch im Vergleich zum Ertrag sind bei ihnen die Kosten für die Erfüllung von Regulierungsanforderungen weitaus höher. Die Aktivitäten dieser Banken verschieben sich damit zwangsläufig weg vom Markt, hin zur Marktfolge. Das dürfte zulasten der Kundennähe gehen, was nicht im Sinne der Regulierung sein kann. Außerdem haben sich ganze Geschäftsbereiche, namentlich die Wertpapierberatung, aufgrund eines anspruchsvollen Meldewesens in den vergangenen Jahren für kleine Genossenschaftsbanken zu einem Minusgeschäft entwickelt. Analog gilt das sicher für die Sparkassen. BVR-Präsident Fröhlich bezog dazu bei der Vorstellung der Studie deutlich Stellung: Ein Ende der Regulierung sei nicht in Sicht. Es werde höchste Zeit für eine umfassende Bestandsaufnahme vonseiten der Aufsicht über die Auswirkungen der bisher auf den Weg gebrachten und geplanten Maßnahmen.

Man mag darüber streiten, ob der Effekt beabsichtigt ist oder nicht, aber letztlich wird hier über (europäische) Regulierung in Deutschland Strukturpolitik betrieben, so stellte es auch Fröhlich fest. Der zunehmende Druck treibt kleinste und kleine Banken nicht nur in gleichförmige Geschäftsmodelle, sondern auch vermehrt in Fusionen (siehe auch Beitrag Mehring in ZfgK 19-2015). Der BVR-Präsident geht anhand der angemeldeten Fusionsprojekte beim genossenschaftlichen Rechenzentrum für 2015 von einer leicht steigenden Anzahl der Fusionen unter Volks- und Raiffeisenbanken aus, für 2016 von einer deutlich steigenden Zahl. Eine verstärkte Konsolidierung unter den kleinsten der derzeit rund 1 050 deutschen genossenschaftlichen Primärbanken kann man begrüßen oder nicht. Dass Größe jedoch nicht immer Erfolg und Stabilität bedeutet, vor allem dann, wenn der Zusammenschluss aus der Not heraus erfolgt, sollte allen Verantwortlichen klar sein. Althergebrachte Strukturen mögen keinen Wert an sich haben, doch gerade die genossenschaftliche Finanzgruppe hat seit der Finanzkrise ihre Leistungsfähigkeit und ihre Krisenfestigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Sie sollte nicht an einer Strukturpolitik durch Überregulierung scheitern.

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