Deutscher Leistungsbilanzüberschuss als Zankapfel

Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist im Jahr 2016 erneut gestiegen und beträgt nun mehr als 8 Prozent des BIP – ein Wert, der unter den Industrieländern nur noch von den Niederlanden und der Schweiz erreicht wird. Den Güterausfuhren von rund 1,2 Billionen Euro standen Einfuhren von rund 950 Milliarden Euro gegenüber. Der Saldo von gut 250 Milliarden Euro war um knapp 115 Milliarden Euro oder gut 80 Prozent höher als im Krisenjahr 2009. Dahinter verbergen sich regional sehr unterschiedliche Entwicklungen:

  • Im Handel mit den Ländern der Europäischen Währungsunion erzielte Deutschland im Jahr 2008 einen Überschuss von 108 Milliarden Euro, der bis zum Jahr 2012 auf knapp 62 Milliarden Euro sank. Dieser Rückgang war im wesentlichen Ergebnis der wirtschaftlichen Krise in weiten Teilen des Euroraums und der daraus resultierenden geringeren Nachfrage (auch) nach deutschen Produkten. Seit der Euroraum die Rezession hinter sich gelassen hat, steigt auch der deutsche Handelsüberschuss wieder: Aktuell beträgt er etwa 83 Milliarden Euro, ist damit aber noch immer wesentlich geringer als vor der Krise.
  • Nur geringe Veränderungen hat es im Handelssaldo gegenüber Ländern wie China, Indien, Russland und Japan gegeben. Insbesondere ist das Defizit im Handel mit China (aktuell knapp 20 Milliarden Euro) nur geringfügig geringer geworden.
  • Deutlich größer geworden ist dagegen der Handelsüberschuss mit den USA (und Großbritannien). Im Handel mit den USA stieg der deutsche Exportüberschuss von 15 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf knapp 50 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.

Die Angriffe Donald Trumps auf Deutschland können also kaum verwundern. Dass die Entwicklung höchstens bedingt mit dem Wechselkurs zu tun haben kann, zeigt allerdings der Vergleich zu Großbritannien: Der deutsche Exportüberschuss mit dem Vereinigten Königreich hat sich seit 2009 ebenfalls von 20 Milliarden Euro auf mehr als 50 Milliarden Euro vergrößert, obwohl der Euro im Verhältnis zum Pfund wesentlich weniger abgewertet hat als im Verhältnis zum Dollar.

Aufschlussreich ist eine Aufgliederung des Handelsüberschusses mit den USA nach Branchen: Fast die Hälfte des Handelsüberschusses entfällt auf die Automobilindustrie, ein weiteres Fünftel auf den Maschinenbau. Daneben ist lediglich der Handel mit pharmazeutischen Produkten unter dem Gesichtspunkt von Handelsüberschüssen von Bedeutung. Für alle anderen Produktgruppen fällt der Handelssaldo kaum ins Gewicht. Im Handelsüberschuss schlägt sich also vor allem die traditionelle Stärke Deutschlands in der Investitionsgüterindustrie nieder. Diese Stärke macht Deutschland allerdings auch verwundbar, wie der Einbruch der Nachfrage gerade nach diesen Produkten im Zuge der Wirtschaftskrise des Jahres 2009 gezeigt hat, und wie sich jetzt im Zeichen eines aufziehenden Protektionismus wieder zeigen wird: Sollte Trump das Handelsdefizit der USA gegenüber Deutschland ernsthaft verringern wollen, ist es durchaus rational, sich vor allem auf die Autoindustrie zu konzentrieren. Leidtragende von Strafzöllen wären neben den deutschen Autobauern allerdings die Amerikaner selbst. Sie müssten dann entweder höhere Preise zahlen oder auf andere Fabrikate mit geringerer Qualität zurückgreifen. Weil aber anzunehmen ist, dass sich Trump davon nicht beirren lassen wird, müssen sich die deutschen Autohersteller darauf einstellen, dass sie das bevorzugte Ziel protektionistischer Maßnahmen werden.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet liegt das Problem eines andauernden und immer weiter steigenden Leistungsbilanzüberschusses an anderer Stelle: Dem Handelsüberschuss entspricht ein fortwährender Kapitalexport. Dieser ist solange unproblematisch, wie die Kapitalanlage im Ausland hinreichend positive Erträge abwirft. Wenn aber eine Finanz- und Wirtschaftskrise mit einer massiven Entwertung von Investitionen (beispielsweise im Immobiliensektor) einhergeht, bedeutet dies aus deutscher Sicht, dass dem geleisteten Konsumverzicht kein adäquater Ertrag gegenübersteht. Stetig steigende Handelsüberschüsse allein als Ausdruck eigener Wettbewerbsstärke anzusehen, kann zwar ein gutes Gefühl vermitteln, ist aber auf Dauer nicht von Vorteil.

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