Gespräch des Tages

Finanzstabilität - Denkanstöße aus Kronberg

Die zehn Vorschläge zum Thema "Systemstabilität für die Finanzmärkte" klingen so, wie man das von dem wissenschaftlichen Beirat einer der marktwirtschaftlichen Ordnung verpflichteten Interessengemeinschaft erwarten darf. Seinem Selbstverständnis entsprechend tendiert der Kronberger Kreis auch in seiner aktuellen, mittlerweile 53. Veröffentlichung im Zweifel zu einer Stärkung der Eigenverantwortung, zu schlanken Institutionen und zu möglichst dosierten Eingriffen des Staates (siehe Vorschläge Seite 933).

Zum Tragen kommt diese Grundausrichtung gleich in mehreren seiner Forderungen. So plädieren die fünf Professoren Juergen B. Donges, Lars P. Feld, Wernhard Möschel, Manfred J. M. Neumann und Volker Wieland beispielsweise eindeutig für einen Kapitalpuffer wie er im Basel-III-Prozess vorgesehen ist. Mit ihm wollen sie auch die als Gefahr erkannten prozyklischen Wirkungen von krisenbedingten Kapitalverlusten abgedeckt wissen und schlagen deshalb als Maß gleich fünf Prozent der risikogewichteten Aktiva vor. Dafür wollen sie auf einen gesonderten antizyklischen Puffer verzichten, wie er derzeit noch in Basel diskutiert wird. Mit dieser Modifikation ließe sich aus Sicht der Wissenschaftler die Inanspruchnahme des Puffers in die Hand der Banken legen, und ein kaum vernünftig handhabbarer, zusätzlicher Interventionsmechanismus seitens der Bankenaufsicht wäre vermieden. Aus Gründen der Klarheit und Umsetzbarkeit mag dies vernünftig sein. Inwieweit sich dieser Vorschlag im laufenden Basel-III-Prozess noch einbringen lässt, ist allerdings angesichts der unterschiedlichen nationalen Interessenlagen nicht absehbar. Seitens der Bankenaufsicht wird jedenfalls davor gewarnt, das Gesamtpaket noch einmal aufzuschnüren.

Alles andere als eine effiziente Organisationsstruktur sieht der Kronberger Kreis zu Recht im neu geschaffenen Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB). In einer Personalstärke von 33 Personen mit Stimmrecht und 28 weiteren mit Diskussionsrecht, das zeigen in der Tat hierzulande wie auch auf internationaler Ebene alle Erfahrungen, ist eine wirklich vertrauliche Gremienarbeit nicht darstellbar. Wenn aber genau diese gewünschten vertraulichen Warnungen an die Regierungen vor aufkommenden Systemrisiken in der gelebten Praxis schlichtweg nicht umsetzbar sind, kann man sich dieses neue Gremium auch sparen. Im Zweifel wäre es deshalb in der Tat höchst wahrscheinlich ebenso effizient und ganz sicher wesentlich kostengünstigter, die Makroaufsicht nationalen Zentralbanken zusammen mit der EZB zu übertragen, die ohnehin die wichtigsten Informationen liefern. Sicherlich kann man diese Einschätzung je nach Sichtweise als eine Kapitulation vor den Gegebenheiten oder als kluge Beschränkung auf das Machbare bewerten. In der Sache wird freilich zu Recht die Einsicht gestützt, die Bankenaufsicht nicht nur auf die mikroökonomische Sicht zu beschränken, sondern auch makroökonomische Zusammenhänge zu berücksichtigen. Ebenso einsichtig, aber gleichwohl zurückhaltend in der institutionellen Verankerung, gibt sich der Kronberger Kreis in seiner Beurteilung neuer Liquiditätsregeln. Er plädiert für eine Überwachung der Liquiditätsausstattung mit einer Leverage Ratio als (revidierbare) Beobachtungsgröße.

Gewohnt klar und eindeutig - aber teilweise schon hinter der aktuellen gesetzlichen Beschlusslage zurück - sind hingegen die Forderungen nach einem Vorrang für eine Kapitalaufstockung vor jeder Form der Besteuerung, die Pflicht zur Unterlegung von Staatspapieren mit Eigenkapital sowie nach einem Aufschlag für Banken mit Systemrelevanz. Allenfalls die beiden letzteren Punkte lassen sich noch konstruktiv im Entstehungsprozess begleiten. Die eindeutige Absage an Bankenabgabe, Finanztransaktionssteuer und Finanzaktivitätensteuer ist hingegen mit Eingriffen in politische Gestaltungsprozesse verbunden, die schon auf nationaler Ebene schwierig genug sein dürften und auf europäischer und weltweiter Ebene nur noch schwerlich das notwendige Gehör finden werden.

Vergleichsweise zufrieden sein können mit der Analyse übrigens die beiden deutschen Verbundgruppen. Während die Kreditgenossenschaften sogar ausdrücklich gelobt werden, gilt das für die Sparkassenorganisation als Ganzes nur bedingt. Denn ihr wird unverändert dringlich die Lösung der Landesbankenfrage - sprich die Umsetzung wirklich tragbarer Geschäftsmodelle - ins Stammbuch geschrieben.

Alles in allem bietet die Kronberger Studie nützliche Denkanstöße hinsichtlich einer ganzen Reihe von Diskussionspunkten der derzeitigen Regulierungsdebatte. Inwieweit sich die einzelnen Aspekte in die laufende Gremienarbeit beziehungsweise die Umsetzungsbeschlüsse im politischen Prozess noch einbringen lassen, bleibt aber offen. Ungeklärt ist auch, was passiert, wenn nur einzelne Elemente umgesetzt beziehungsweise die üblichen Kompromiss- beziehungsweise Kompensationslösungen gesucht werden. Gibt es beispielsweise so etwas wie eine richtige Richtung oder wird das Ganze nur als geschlossenes Konzept für wirksam gehalten? Auch beim Kronberger Kreis bleiben also viele "Wenn" und "Aber". Die einfachen Lösungen gibt es eben nicht.

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