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Vorschläge des Kronberger Kreises

1) Die jüngsten Schuldenkrisen haben schlagartig verdeutlicht, dass auch Staatsanleihen zu Hochrisikopapieren werden können. Es ist daher unabdingbar, dass im Rahmen der anstehenden Regulierungsreform Basel III auch staatlichen Schuldpapieren ein positives Risikogewicht zugewiesen wird.

(2) Der Baseler Ausschuss hat diskutiert, ob als eine zusätzliche Komponente der Eigenkapitalvorhaltung ein antizyklischer Kapitalpuffer eingeführt werden sollte, der es ermöglichte, prozyklischen Wirkungen von krisenbedingten Kapitalverlusten entgegenzuwirken. Das ist eine interessante Idee, die umgesetzt werden sollte. Allerdings sollte die Bankenaufsicht nicht ermächtigt werden, zentral zu entscheiden, zu welchen Zeitpunkten die Banken ihre Puffer in Anspruch nehmen dürfen. Das wäre ein neuer Interventionsmechanismus, der in der Praxis kaum sachgerecht zu handhaben ist. Zweckmäßiger ist es, den nach Basel III einzurichtenden Kapitalerhaltungspuffer entsprechend höher anzusetzen und es der einzelnen Bank zu überlassen, wann sie den Puffer in Anspruch nimmt.

(3) Die nicht-risikogewichtete Kernkapitalquote (Leverage Ratio), die im Rahmen von Basel III ergänzend eingeführt werden soll, berücksichtigt die ungewichtete Bilanzsumme und setzt eine Höchstverschuldungsquote, sodass die Expansionsmöglichkeiten der Banken begrenzt werden. Es empfiehlt sich, für die deutschen Banken versuchsweise eine Leverage Ratio von etwa vier Prozent anzusetzen und diesen Wert zunächst nicht für verbindlich zu erklären, sondern einige Jahre lang zu beobachten, wie sie wirkt, und dann zu entscheiden, ob Änderungen vorgenommen werden sollten.

(4) Die im Rahmen von Basel III zusätzlich vorgesehene Überwachung der Liquiditätsausstattung der Banken durch die Bankenaufsicht ist zweckmäßig, weil es im Verlauf einer Krise an Informationen und Transparenz mangeln kann und es somit möglich ist, dass eine Bank kurzfristig keine Liquiditätskredite von anderen Banken erhält, obwohl sie solvent ist.

(5) Systemrelevanz von Banken ist das zentrale Problem, das zur Verhinderung künftiger Finanzkrisen angegangen werden muss. Eine Bank ist dann als systemrelevant anzusehen, wenn ihr plötzlicher Ausfall die Solvenz anderer Banken und Finanzinstitutionen bedrohen würde und somit eine Krise des Banken- und Finanzsystems insgesamt auslösen könnte. Dem durch eine zusätzliche Kapitalunterlegung in Form eines progressiven Eigenkapitalzuschlags für Systemrelevanz vorzubauen, erscheint sinnvoll. Der Zuschlag wird die Kosten der Inanspruchnahme von Bankleistungen mit dem Grad der Systemrelevanz einer Bank ansteigen lassen und damit das Wachstum der Bank bremsen. In der Logik des Ansatzes liegt, dass man notfalls eine Bank zerlegt, wenn sie eine vorgegebene Größe zu überschreiten droht. Davon ist aber abzuraten. Ein solcher Entflechtungsansatz wäre schon aus Gründen des Wettbewerbs in den internationalen Finanzmärkten nicht zu empfehlen, wenn es bei einem nationalen Alleingang bliebe.

(6) Die im Rahmen der deutschen Bankenabgabe erhobenen Mittel werden in einem als Restrukturierungsfonds bezeichneten Sondervermögen akkumuliert und sollen in künftigen Krisen zur Rettung von systemrelevanten Banken verwendet werden. Die Bankenabgabe hat keine positive Lenkungswirkung, sorgt jedoch insgesamt durch die Verteuerung der Banktätigkeit für eine Schrumpfung des deutschen Geschäftsbankensystems. Wettbewerbsnachteile im internationalen Vergleich sind nicht auszuschließen. Die Bundesregierung sollte in Erwägung ziehen, den Banken ihre geleisteten Abgabezahlungen zumindest im Zeitraum 2013-2019, also während der schrittweisen Einführung von Basel III, auf ihre Eigenkapitalvorhaltung anzurechnen.

(7) Eine Finanztransaktionsteuer, die sämtliche Finanzmarkttransaktionen einheitlich besteuert, würde nicht allein die Gewinne aus hochfrequenter Finanzspekulation verringern, sondern sämtliche Finanztransaktionen belasten. Dabei besteht durchaus ein gesamtwirtschaftliches Interesse an der Existenz von Spekulation, da sie die Signalwirkung des Preismechanismus auf Wettbewerbsmärkten sichert. Von der Finanztransaktionsteuer geht keine gezielte Lenkungswirkung im Sinne einer Verringerung des systemischen Risikos aus. Stattdessen kommt es wie bei einer Bruttoumsatzsteuer zu einer kaskadenartigen Mehrfachbesteuerung, die verzerrend wirkt. Aus diesen Gründen ist eine Finanztransaktionsteuer abzulehnen.

(8) Die vom Internationalen Währungsfonds vorgeschlagene Finanzaktivitätsteuer ist eine Kombination aus einer Gewinnsteuer und einer Lohnsummensteuer für Banken und andere Finanzinstitute. Im Gegensatz zur Finanztransaktionsteuer ist die Finanzaktivitätsteuer günstiger zu beurteilen. Gleichwohl hätte auch sie den Nachteil, dass sie international abgestimmt sein müsste und dass sie dem Finanzsektor Mittel entzieht, die für den Aufbau einer belastbareren Eigenkapitalausstattung dringend erforderlich wären.

(9) Eine der Lehren aus der Finanzkrise besteht darin, die Bankenaufsicht nicht nur auf die mikroökonomische Sicht zu beschränken, sondern auch die makroökonomischen Zusammenhänge auf Banken- und Finanzmärkten zu berücksichtigen. Deshalb sind regelmäßig durchzuführende europäische Stresstests eingeführt und der neu gegründete Europäische Ausschuss für Systemrisiken mit der makroprudenziellen Aufsicht in der Europäischen Union betraut worden. Die Stresstests sollten aussagefähiger angelegt werden, indem Umschuldungen eines Landes nicht a priori ausgeschlossen werden. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken andererseits ist zu groß angelegt worden, sodass frühzeitige vertrauliche Warnungen nicht zu erwarten sind. Es wäre besser gewesen, den nationalen Zentralbanken und der EZB die Aufgabe der Makroaufsicht direkt zu übertragen.

(10) Was die deutsche Bankenaufsicht angeht, so ist die bisher gegebene Aufteilung zwischen Deutscher Bundesbank und BaFin nicht optimal. Besser wäre es, die Aufsicht in einer einzigen Institution zu konzentrieren. Damit die Bankenaufsicht künftig zu erwartende Risiken beurteilen kann, stellen regelmäßige Stresstests ein geeignetes Instrument dar, um die Widerstands- und Überlebensfähigkeit von Banken im Falle ungünstiger Finanzmarktentwicklungen abzuschätzen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Stresstests kann zwar dazu führen, dass die Tests aufgeweicht werden. Dem ist zu begegnen, indem in künftigen Tests auch größere Krisenfälle, wie beispielsweise die Umschuldung eines Landes, und die daraus resultierenden Effekte auf den Bestand an Staatsanleihen in den Bankbilanzen berücksichtigt werden. In der Abwägung von Regulierung und Besteuerung im Bankensystem spricht sich der Kronberger Kreis für anspruchsvollere Eigenkapitalanforderungen aus. Auf diese Weise lässt sich am ehesten das Problem von Marktversagen im Sinne eines Systemrisikos mildern.

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