Aufsätze

Die Neuordnung der Finanzmärkte - eine unendliche Geschichte?

Den nachfolgenden Vortrag, gehalten an der Universität Potsdam am 5. Februar 2010, widme ich Dir, lieber Hans, anlässlich Deines Ausscheidens aus dem Amt des Vorstandsvorsitzenden von PricewaterhouseCoopers mit der folgenden Vorbemerkung:1) Als Kenner der Materie weißt Du, dass ein exzellenter Rotwein zur Reife Zeit braucht, leider hat die Politik diese Zeit für eine exzellente Regulierung der Finanzmärkte nicht. Dennoch warten alle Stakeholder in den Finanzmärkten darauf, dass die vielen Vorschläge und Diskussionen endlich aus dem Fass auf die Flasche kommen. Du wirst diese Produkte nicht mehr verkosten müssen, hast aber hoffentlich nun mehr Zeit und Muße für die anderen, die schon trinkfähig sind.

Die im Juni 2007 in den Vereinigten Staaten von Amerika und anschließend in Europa eingetretene Finanzmarktkrise, oftmals leider fälschlicherweise als Finanzkrise bezeichnet, hat bis heute immense Auswirkungen nach sich gezogen.

So ging erstmals in der Nachkriegszeit die weltwirtschaftliche Produktion im Jahr 2009 effektiv zurück. Deutschland wurde aufgrund seiner internationalen Verflechtungen von der Krise besonders getroffen. Wegen der kräftigen Einbrüche, vor allem bei den Ausfuhren, sank das reale Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr mit fünf Prozent so stark wie nie zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.

In Deutschland, in Europa und global haben die Regierungen umfangreiche Regelungen und Programme zur Rettung von Banken und zur Stabilisierung der Finanzmärkte und der Weltwirtschaft initiiert.

Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom Oktober 2008 wurde ein Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) errichtet. Dieser Fonds stellt ein Bündel von Maßnahmen zur Verfügung, das darauf abzielt, den Geschäftsverkehr zwischen den Finanzinstituten zu stabilisieren und das Vertrauen in das Finanzsystem wieder herzustellen.

Eine Fülle an Maßnahmen

Der SoFFin verfügt über 480 Milliarden Euro für staatliche Garantien, Rekapitalisierungen sowie die Übernahme von Risikopositionen. Der Fonds dient damit mittelbar auch der Kreditversorgung.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung eine unbeschränkte Garantie für alle Einlagen privater Anleger in Deutschland abgegeben, um deren Vertrauen in die Einlagensicherheit wieder herzustellen.

Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung (dem sogenannten Bad-Bank-Gesetz) etablierte die Bundesregierung darüber hinaus im Juli 2009 zwei Wege, mit denen Banken ihre Bilanzen bereinigen können. So können zum einen über eine Zweckgesellschaft wertgefährdete strukturierte Wertpapiere, die vor dem 31. Dezember 2008 erworben wurden, zum sogenannten reduzierten Buchwert aus der Bilanz ausgegliedert werden. Die Zweckgesellschaften begeben dafür Anlagen in gleicher Höhe, für die der SoFFin garantiert. Die Banken bezahlen eine dem Risiko entsprechende Garantiegebühr von den Alt-Anteilseignern aus den an sie auszuschüttenden Beträgen (Dividenden). Damit werden die Bilanzen stabilisiert, plötzliche Wertverluste in langfristige Ausgleichszahlungen umgewandelt und neue Anteilseigner bleiben von den Wertverlusten verschont.

Der zweite Weg führt über das sogenannte Konsolidierungsmodell. Dieses bietet den Banken die Möglichkeit, auch nicht-strategische Geschäftsbereiche auszugliedern und auf Abwicklungsanstalten zu übertragen. Mithilfe dieses Modells kann auch eine Konsolidierung der Landesbanken leichter umgesetzt werden; die Bundesländer haben sich verpflichtet, die Landesbanken wo nötig - schrittweise bis Ende des Jahres 2010 zu konsolidieren. Dieses Modell ist vornehmlich für Landesbanken geeignet.

Diesen Rettungsmaßnahmen entsprechen Rettungspakete auf der Europäischen Ebene. Allein aus originären Mitteln des Haushaltes der Europäischen Union stehen 30 Milliarden Euro zur Verfügung. Daneben gibt es Milliardenprogramme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sowie insbesondere ein zirka 700 Milliarden Dollar umfassendes Rettungspaket in den Vereinigten Staaten.2)

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sowohl in den von der Finanzmarktkrise betroffenen Staaten gleichermaßen wie auf der Europäischen Ebene und innerhalb der G20 die Neuregulierung der nationalen Finanzmärkte und der globalen Finanzarchitektur intensiv diskutiert werden.

Als Beleg hierfür zitiere ich die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Januar 2010, in der es unter der Überschrift "Hartes Ringen um neue Bankenregeln" wie folgt heißt: "Nie mehr dürfen die Staaten von Banken in Geiselhaft genommen werden. Der Wunsch ist verständlich angesichts der billionschweren Rettungspakete, die die Steuerzahler in der Finanzkrise weltweit für das marode Bankensystem schnüren mussten."

Bislang wenig erreicht

Analysiert man die Vorschläge und die nunmehr schon bald zwei Jahre andauernden Diskussionen kann man jedoch zu dem Schluss kommen, dass zwar intensiv diskutiert, leider bis auf die Maßnahmen, die zur Rettung von Banken getroffen und sehr zügig umgesetzt sowie von den Banken in Anspruch genommen worden sind, wenig erreicht worden ist, wenn man von der Rettung von Banken, wie etwa in Deutschland der Hypo Real Estate oder auch der Commerzbank, Northern Rock in Großbritannien, der Bank of America und anderen in den Vereinigten Staaten einmal absieht. Ich blende insoweit aus, dass die Stabilisierungs- und Rettungsmaßnahmen entscheidend dazu beigetragen haben, eine Entwicklung wie Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts bis dato zu verhindern.

An den obigen Befund, dass außer "Rettung" bisher nicht viel geschehen ist, knüpfen sich meines Erachtens zwei Fragen: Die erste ist, muss überhaupt darüber hinaus etwas geschehen, und wenn ja, woran liegt es zweitens, dass trotz einer eventuell dringlichen Notwendigkeit, die Finanzmärkte neu zu ordnen, nach nahezu zwei Jahren nur Rettungsmaßnahmen politisch und gesetzlich durchgesetzt werden konnten, eine Neuregelung aber soweit entfernt scheint, wie das Projekt, Menschen zum Mars zu schicken. Mit der ersten Frage meine ich, mich nicht lange aufhalten zu müssen. Das etwas geschehen muss als Folge der Finanzmarktkrise wird von niemandem bestritten.

So heißt es im Jahreswirtschaftsbericht 2010, vorgelegt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 27. Januar 2010 unter der Überschrift Ordnungspolitische Prinzipien auf Finanzmärkten stärken: "Auf nationaler und internationaler Ebene hat es zahlreiche Vorschläge und Verbesserungen im Hinblick auf die Stabilisierung und Regulierung der Finanzmärkte gegeben. Ziel dieser umfassenden Reformagenda ist es, die Widerstandsfähigkeit der Marktteilnehmer sowie des gesamten Finanzsystems zu erhöhen. Außerdem setzt sich die Bundesregierung für die Etablierung angemessener Aufsichtsmechanismen ein, die sämtliche Finanzmarktakteure, Finanzmarktprodukte und Finanzmärkte einschließen."

In diesem Kontext sind auch die Beschlüsse des Weltfinanzgipfels in Pittsburgh Ende 2009 zu sehen. Dort beschlossen die Regierungen der 20 führenden Wirtschaftsnationen (G20) als wichtigste Elemente der Finanzmarktregulierung:

- Die Gehälter von Bankmanagern sollen beschränkt,

- die Eigenkapital und Liquiditätsregeln verschärft

- und die Bilanzierungsregeln angeglichen werden.

Diese Beschlüsse der G20-Regierungen basieren auf den Vorschlägen des internationalen Finanzstabilisierungsrates. Diesem Financial Stability Board (FSB) gehören die Notenbanken, Aufsichtsbehörden, Finanzministerien und auch der Internationale Währungsfonds an.

Mit diesen Maßgaben haben die G20 dem Financial Stability Board den Auftrag erteilt, die Solidität des Finanzsystems zu stärken.

Ich denke, dass zur Frage der Notwendigkeit einer Reform der nationalen Finanzmärkte und der globalen Finanzarchitektur weitere Belege oder Beweise nicht erforderlich sind.

Damit komme ich zu der Frage nach den Gründen, weshalb die Reform nicht vorankommt.

Unerlässlich scheint mir für diese Analyse eine kurze Darlegung und Betrachtung einzelner Reformvorschläge.

Eigenkapital

Die G20-Staaten haben den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht beauftragt, bis 2010 international abgestimmte Regeln zur Verbesserung der Qualität und der Quantität des Kapitals von Banken aufzustellen. Diese Regeln sollen stufenweise und in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Erholung voraussichtlich bis 2012 umgesetzt werden.

Insbesondere sollen Eigenkapitalanforderungen künftig so gestaltet sein, dass sie zyklische Schwankungen in den Geschäftsfeldern der Banken verringern. Sowohl Wertminderungen im Portfolio der Banken als auch höhere aufsichtsrechtliche Eigenkapitalunterlegungen für gestiegene Risiken führen im Abschwung zu einer Reduzierung des Kreditvergabespielraums, mithin zu einer Prozyklizität. Diesen Effekt gilt es im Zuge der Überarbeitung der Eigenkapitalanforderungen abzumildern. Hierzu will man die Banken verpflichten, ihren zeitlichen Horizont bei der Risikovorsorge langfristiger auszurichten, sodass auch nach langen Aufschwungphasen ein ausreichender Risikopuffer zur Bewältigung von Krisensituationen besteht.

Unter dem Strich heißt das, dass die Banken als Folge der Krise ihr Kapital deutlich aufstocken müssen, um in Zukunft bei Krisen nicht mehr in eine existenzgefährdende Schieflage zu geraten.

Die Diskussion um diesen Punkt, wie auch um die anderen, auf die ich noch eingehen werde, ist ausgesprochen heftig.

Um es einmal knapp zu skizzieren. Derzeit gibt es in der Diskussion zum Eigenkapital keinen Vorschlag, wie das angestrebte Ziel erreicht werden kann. Fest steht lediglich, dass die Banken ihre Verschuldung verringern müssen. Sie müssen künftig eine Leverage Ratio einhalten, die das Verhältnis von Bilanzsumme zu Eigenkapital misst. Doch wie hoch diese Kennziffer sein soll und wie sie nach den Risiken der einzelnen Geschäftsmodelle variiert, bleibt offen. Hinzukommt hier noch, dass der Baseler Ausschuss den Umgang mit Abzugsposten wie Firmenwert oder latenten Steuern verschärfen will.

Dass es insoweit nicht in Kürze zu Neuregelungen kommen wird, beruht auch darauf, dass der Baseler Ausschuss zunächst, und zwar im ersten halben Jahr dieses Jahres eine Auswirkungsstudie erstellen will.

Sicherlich gilt es, Schnellschüsse zu vermeiden, da bei einer übereilten Einführung schärferer Kapitalregeln am Ende eine internationale Kreditklemme stehen könnte. Denn je mehr Kapital die Banken für Risikopositionen wie etwa Forderungen vorhalten müssen, desto weniger Neukredite können sie vergeben. Festzustehen scheint auch, dass das Banksystem mehr Kapital braucht. Höchst zweifelhaft ist allerdings, ob dies im zurzeit unsicheren Konjunkturumfeld bewirkt werden kann. Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass die wirtschaftliche Erholung tangiert würde, wenn die Banken ihr Kreditverhalten dramatisch verändern müssten.

Eine Reihe von Aspekten, die indizieren, dass die Umsetzung der Maßnahmen, bezogen auf das Eigenkapital, in die Praxis mindestens auf kürzere Sicht ausgesprochen zweifelhaft ist.

Mehr Wettbewerbs- und Chancengleichheit

Ein weiterer Diskussionspunkt ist, mehr Wettbewerbs- und Chancengleichheit herzustellen. Hierzu halten Banker wie auch Aufseher eine Angleichung der Bilanzierungsregeln für unerlässlich. So hat unter anderem vor wenigen Wochen der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen dieses Thema für die Stabilisierung des weltweiten Finanzsystems als sehr wichtig bezeichnet. Der gleichen Auffassung dürfte der Chef der Deutschen Bank, Herr Ackermann, sein, der ebenfalls auf eine Harmonisierung der internationalen Finanzierungsregelung drängt. Der Hintergrund hierfür ist, dass die Unterschiede zwischen den internationalen Bilanzregeln IFRS, die International Financial Reporting Standards, die in Europa gelten und das amerikanische Gegenstück, die United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) erheblich sind.

Dies wird an einem kleinen Beispiel deutlich. Die Bilanzsumme der Deutschen Bank wäre um mehr als eine Billion Euro niedriger, wenn sie nach US-GAAP bilanziert hätte. Grund dafür sind die Verrechnungen von Derivate-Positionen, sodass im Rahmen des sogenannten Nettings zulässige Anrechnungen zu einer Verbesserung der Gesamtbilanz im Falle von IFRS führen.

Was ergibt sich aus diesem Befund? Ich sehe nicht, wie die einmütige Forderung nach einheitlicher Regelung in näherer Zukunft umgesetzt werden kann. Die Gründe hierfür sind vor allem folgende:

Konvergenz der Bilanzregeln

Bereits vor dem Ausbruch der Finanzkrise haben der europäische und der amerikanische Bilanzierungsrat an einer Konvergenz der Bilanzregeln gearbeitet. Hintergrund war, dass IFRS und US-GAAP zwar prinzipiell auf der zeitnahen Bewertung von Vermögenswerten beruhen. Diese Bilanzierung zum Marktwert, dem sogenannten Fair Value birgt allerdings Risiken und, kann, wie die Finanzkrise gezeigt hat, dazu führen, dass existenzgefährdende Wertberichtigungen notwendig werden, gerade wenn die Kurse an den Finanzmärkten einbrechen. Aufgrund politischen Drucks haben die Bilanzierungsgremien in Europa und in den Vereinigten Staaten die Regeln überarbeitet. Allerdings haben diese Überarbeitungen trotz der Erklärungen eine Harmonisierung zu bewirken, dazu geführt, dass sich IFRS und US-GAAP weiter auseinander entwickelt haben. Während die amerikanischen Bilanzregeln den Fair-Value-Ansatz wieder stärker in den Mittelpunkt stellen, ist man in Europa davon etwas abgerückt. Das Ziel, bis 2011 die Grundsätze zu einer Vereinheitlichung der Rechnungslegung zu klären, ist dadurch höchst fraglich geworden.

Ein letztes Beispiel, das möglicherweise den Rest an Hoffnung und Optimismus zu schnellen Maßnahmen zu Reformen der nationalen Finanzmärkte und einer kohärenten Renovierung der globalen Finanzarchitektur schwinden lässt, ist die vom amerikanischen Präsidenten Obama angestoßene Diskussion, den Eigenhandel zu verbieten und die Universalbanken aufzuspalten, indem das Einlagengeschäft vom Investmentbanking getrennt wird. Damit würde das Universalbankprinzip abgeschafft.

Ohne hier in eine tiefere Analyse gehen zu können, sind folgende Anmerkungen angebracht: Gerade von führenden Bankern, wie auch Ökonomen wird der Eigenhandel als dringend notwendig für den Erhalt der Liquidität in den Märkten erachtet. Heftig umstritten ist auch die Frage Universalbanken- oder Trennbanken-Prinzip. In Deutschland wird trotz der Finanzmarktkrise und ihrer massiven Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte und die politische Diskussion das Universalbankenprinzip bisher nicht infrage gestellt. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die deutschen Intermediäre, jedenfalls unter dem Aspekt, dass das Investmentbanking ein erhebliches Risiko für das Einlagengeschäft bedeuten kann, wenn beide unter einem Dach betrieben werden, nicht besonders gelitten haben. Die einzige deutsche Bank, deren Investmentbanking eine Größenordnung hat, die das Einlagengeschäft um ein Vielfaches übersteigt und damit als insgesamt "too big to fail" anzusehen ist, ist die Deutsche Bank AG. Sie ist in der Finanzkrise allerdings, und ich füge hinzu, glücklicherweise, nicht zum Problemfall geworden. Bei den anderen Problemfällen in Deutschland, wie Hypo Real Estate, IKB beziehungsweise einigen Landesbanken handelt es sich nicht um Universalbanken.

Regulatorische Änderungen Welche regulatorischen Änderungen sind nach zwei Jahren Finanzmarktkrise erfolgt: In der Bundesrepublik Deutschland sind in Kraft getreten:

- das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht,

- das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung,

- das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung,

- das Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze,

- das Gesetz zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie.

Auf der europäischen Ebene ist Folgendes passiert:

- mit der EU-Verordnung zur Regulierung und Aufsicht von Ratingagenturen soll die Integrität, die Transparenz, die Verantwortung sowie die gute Unternehmensführung und die Verlässlichkeit von Ratingtätigkeiten gefördert werden,

- es soll außerdem die Qualität von Ratings, die in der Europäischen Union abgegeben werden, erhöht werden.

Bedeutsamer als diese Maßnahmen ist die Errichtung eines europäischen Systems für die Finanzaufsicht (ESFS) mit drei europäischen Aufsichtsämtern, und zwar für Banken, Versicherungen und Wertpapierdienstleister. Die bisher schon bestehenden Einrichtungen in Form von Ausschüssen werden hierzu umgewandelt. Ziel ist es, Standards für die nationalen Aufsichtsämter zu entwickeln, die weiterhin die Aufgaben der klassischen Bankaufsicht, die sogenannte mikroprudentielle Aufsicht wahrnehmen.

Kritiker stellen die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft zur mikroprudentiellen Bankenaufsicht infrage, da nach deren Auffassung hierzu eine Änderung des Lissabon-Vertrages notwendig wäre.

Kritisch angemerkt wird zu dieser Maßnahme, dass sich "eine einmal installierte Aufsicht ölfleckartig "ausdehne". Bankenaufsichtsrechtliche Maßnahmen auf EG-Ebene könnten finanzielle Auswirkungen nach sich ziehen, für welche die Mitgliedstaaten aufzukommen haben. Dies berühre das Budgetrecht nationaler Parlamente." Diese Auffassung vertritt der Kronberger Kreis der Stiftung Marktwirtschaft in deren Heft 51 "Mehr Mut zum Neuanfang".

Standards für die nationalen Aufsichtsämter

Da für solche Fälle die Mitgliedstaaten einen Einspruch beim Rat der EU-Finanzminister einlegen können, der dann mit Mehrheit entscheidet, wird diese Maßnahme nicht als Fortschritt bewertet.

Auf der makroprudentiellen Aufsichtsebene, die sich mit dem Finanzsystem als Ganzem befasst, indem sie systemische Risiken, die in den Finanzmärkten aus makroökonomischen Entwicklungen entstehen können, analysiert und bewertet, ist auf der europäischen Ebene zusätzlich zum ESFS ein Europäischer Rat für Systemrisiken (ESRB) eingerichtet worden. Anlass für die Schaffung dieses Gremiums ist, dass makroprudentielle Aufgaben von der mikroprudentiellen Bankenaufsicht bisher nicht wahrgenommen wurden. Der Grundgedanke, den Finanzsektor regelmäßig auf das Entstehen systemischer Risiken hin zu überprüfen, wird deshalb als überzeugend erachtet. Eingewandt wird lediglich, dass es für diese Aufgaben keiner neuen komplexen Institution bedürfe, in der der Präsident und Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB) die Gouverneure der nationalen Notenbanken der 27 EU-Staaten, ein Vertreter der Europäischen Kommission sowie die Direktoren der drei neu zu errichtenden Europäischen Aufsichtsämter für Banken, Versicherungen und Wertpapierdienstleister Sitz und Stimme haben sollen.

Mehr Entschlossenheit

Allerdings und insgesamt meine ich: Diese Maßnahmen sind wirklich nur kleine Schritte, gemessen an den Zielen, die sich die G20-Staaten gesetzt haben, gleichwohl sind es Schritte in die richtige Richtung.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen und dazu aus einem Artikel der FAZ vom 29. Januar 2010 zitieren: "Mit Eifer arbeiten Bankenaufseher und Notenbanken, und ich füge hinzu, auch die Politik, an Vorschlägen für eine neue Regulierung. Der Papierausstoß ist gewaltig. Trotz der gemeinsamen Ziele bei den vielzähligen Vorschlägen gibt es, wenn es in die Details geht, teilweise unüberbrückbare Meinungsunterschiede der nationalen Finanzmärkte und der internationalen Finanzmarktarchitektur." Ich habe einige Beispiele aufgeführt. Darüber hinaus droht durch nationale Alleingänge, wie etwa durch den jüngsten Vorschlag des amerikanischen Präsidenten, wie es in der FAZ vom 24. Januar dieses Jahres heißt, "ein Regulierungschaos."

Soweit würde ich nicht gehen. Aber ich bin schon der Meinung, dass die Politik und die verantwortlichen Politiker deutlich mehr Entschlossenheit zeigen müssten, um diese Unübersichtlichkeit zu beseitigen.

Fußnoten

1)Der Vortrag gibt die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

2)Seit dem Vortrag, gehalten im Februar dieses Jahres, hat es zur Verhinderung künftiger derartiger Finanzmarktkrisen weitere folgende Entwicklungen gegeben:

1. Ein Verbot der gedeckten Leerverkäufe durch die Bundesregierung.

2. Diverse Maßnahmen der US-Amerikanischen Regierung.

3. Ein Papier des Institute of International Finance "A global approach to resolving failing financial firms".

4. Eine Mitteilung der Europäischen Kommission "Regulating financial services for sustainable growth".

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