Gespräch des Tages

Bilanzierung - Hoffen auf die SEC

Interessiert schaut die weltweite Bilanzwelt derzeit auf die US-amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC). Dieser obliegt in den kommenden Monaten die Entscheidung, ob sie die internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS auch für in den USA ansässige Unternehmen ohne Überleitungsrechnung nach den United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) akzeptiert. Damit würde das Konvergenzprojekt der beiden Standard-Setter International Accounting Standards Board (IASB) und seinem US-Pendant Financial Accounting Standards Board (FASB) einen entscheidenden Schritt nach vorn machen. Und ein solcher wäre angesichts der Tatsache, dass die USA trotz erster Fortschritte bei der Angleichung beider Regelwerke bislang noch in vielerlei Hinsicht an den eigenen US-GAAP festhalten, auch dringend notwendig. Denn nach dem ursprünglich angestrebten Zeitplan sollten die überarbeiteten internationalen Bilanzrichtlinien bereits 2013 umgesetzt werden. Doch davon ist man derzeit, trotz Drängen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer, noch ein gutes Stück entfernt. Frühestens 2015 soll es nun soweit sein.

Der wohl größte Knackpunkt ist dabei die Bewertung von Finanzinstrumenten. Etwas vereinfacht zusammengefasst: In den USA gibt es die Forderung, generell alles zum beizulegenden Zeitwert (dem berüchtigten Fair Value) zu bilanzieren. Demgegenüber sehen die internationalen - immerhin in mehr als 100 Ländern gültigen - IFRS vor, dass über reine Finanzinstrumente hinaus bestimmte Papiere, etwa im Kreditbereich, auch zu Anschaffungskosten verbucht werden dürfen. Tatsächlich schlummert in einer rigiden Bewertung zu Marktpreisen die Gefahr, dass sich Krisen verschärfen, weil die Banken zu immer neuen Abschreibungen gezwungen werden, falls Marktpreise nicht existent sind oder stark schwanken, wie es in den vergangenen Monaten und Jahren vielfach zu beobachten war.

Über diese Bewertungs-Differenzen hinaus gab und gibt es zudem weitreichenden Anpassungsbedarf der beiden Bilanzstandards insbesondere bei der Bilanzierung von Erträgen, der Klassifizierung von Leasing-Finanzierungen oder bei der Behandlung von Versicherungen. Und auch bei Sicherungsgeschäften, zu denen IASB und FASB jeweils eigene Neuregelungen vorgelegt hatten, scheinen weiterhin Konflikte zu bestehen. Streitpunkt bleibt dabei unter anderem, wie weit die Regeln über reine Finanzinstrumente hinaus etwa auch für Rohstoffe Anwendungen finden sollen.

Für US-amerikanische sowie deutsche und internationale Unternehmen von praktischer Bedeutung dürfte derweil der Bereich der Risikovorsorge sein. Hier hatten beide Bilanzierungs-Institutionen Anfang des Jahres Einigkeit demonstriert und gemeinsam Entwürfe vorgelegt, nach denen Wertminderungen nicht erst bei eingetretenen Verlusten (incurred loss), sondern bereits bei zu erwartenden Verlusten (expected loss) zu berücksichtigen sind.

Aus deutscher Sicht sind sich die Investoren-orientierten internationalen Regeln und US-GAAP zudem bereits jetzt deutlich ähnlicher als das auf Gläubigerschutz basierende HGB und die deutlich angelsächsisch geprägten IFRS.

Wenn sich das weiterentwickelte internationale Regelwerk, das seine Ursprünge in den International Accounting Standards (IAS) hat und ein Teil dessen die Umwidmung des für die Finanzbranche so wichtigen IAS 39 in den neuen IFRS 9 ist, auch in den USA als Standard durchsetzen sollte, wäre dies gleich in mehrerer Hinsicht ein Paradigmenwechsel für den transatlantischen Partner. Zum einen wären die dort gültigen Regeln dann erstmals nicht mehr ausschließlich "made in USA". Zum anderen würde man von einem Regel- (und Ausnahmen)-basierten auf einen weitestgehend Prinzipien-basierten Ansatz umschwenken. Entsprechend intensiv betreiben IASB-Chef Hans Hoogervorst und Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Clemens Börsig, der als Trustee die Arbeit des Standard-Setters überwacht, derzeit ihre Aufklärungsarbeit in den USA wie auch hierzulande. Der SEC bleibt derweil im Sinne eines Level Playing Field, einer besseren Vergleichbarkeit der Abschlüsse dies- und jenseits des Atlantiks und über einen vielleicht nicht immer gleichgerichteten politischen Willen hinweg vor allem eines zu wünschen: Nur Mut! Auch wenn ein solch bekennender Schritt hin zu einer internationalen Rechnungslegung stellenweise noch etwas schwierig erscheinen mag.

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