Rechnungslegung

Sisyphosarbeit mit Teilerfolgen

Ein einheitliches Regelwerk für Rechnungslegung in Europa und den USA - das ist das Ziel der Arbeit des International Accounting Standards Board (IASB) und des US-amerikanischen Financial Accounting Standards Board (FASB). Seit Jahren bemühen sie sich, neue und bessere Vorschriften zu entwerfen, diese mit der Öffentlichkeit zu diskutieren und schließlich ihre Ausarbeitungen den jeweiligen Gesetzgebern zur Zustimmung vorzulegen. Dabei wird Themengebiet für Themengebiet abgearbeitet.

Erfassen von Einkünften

In Kürze werden von den beiden Gremien neue Vorschläge zu zwei Großprojekten erwartet: zur Erfassung von Einkünften (Revenue Recognition) und zum Thema Mietverträge (Lease Contracts). Bereits größtenteils abgeschlossen ist die Neuordnung der Regeln zu gemeinschaftlichen Unternehmungen (Joint Arrangements). Im Mai 2011 legten das IASB und das FASB ihre abschließende Fassung vor, 2012 soll die Europäische Kommission zustimmen. Ins Stocken geraten ist hingegen die Etablierung neuer Vorschriften zu Finanzinstrumenten (Financial Instruments).

Gut Ding will Weile haben - dieses Sprichwort scheinen sich das IASB und das FASB zu Herzen genommen zu haben. Seit fast zehn Jahren beschäftigen sich die beiden Gremien damit, einheitliche Vorschriften zum Erfassen von Einkünften zu entwickeln. Ihr Revenue Recognition Project hat zum Ziel, Inkonsistenzen und Schwachstellen der zurzeit geltenden Regelungen zu beseitigen.

Die Vereinheitlichung der Standards soll künftig einen Vergleich von Unternehmensaktivitäten über Branchen und Regionen hinweg erleichtern. Auch die Bilanzierung wird einfacher, weil das Regelwerk verschlankt wird.

Das Grundprinzip des neuen Standards: Umsätze werden dann realisiert, wenn Güter oder Dienstleistungen übertragen werden, und zwar in Höhe der erwarteten Gegenleistung für den Transfer. Enthält ein Vertrag mehrere Leistungsverpflichtungen, so müssen diese getrennt voneinander betrachtet werden. Das heißt, dass für jede einzelne Leistung des Vertrags eine Vergütung bestimmt werden muss. Sobald die Leistungsverpflichtung erfüllt ist, wird die Vergütung als Ertrag realisiert.

Die neuen Vorschriften bringen wesentliche Änderungen mit sich. So können in Zukunft Umsätze nur noch dann realisiert werden, wenn Güter oder Dienstleistungen auf den Kunden übertragen werden. Außerdem ist neu, dass die einzelnen Leistungsverpflichtungen für Güter und Dienstleistungen aus einem Vertrag voneinander getrennt betrachtet werden. Das führt zu einer ungewohnten Aufteilung des Preises der gesamten Transaktion.

Besonders auf wesentliche Erlösarten bei Immobilienunternehmen wird sich das neue Regelwerk auswirken. Bei Mieteinnahmen muss künftig unterschieden werden, ob das Objekt zum Anschaffungswert bilanziert wird oder zum beizulegenden Zeitwert. Im ersten Fall fallen die Mieteinnahmen unter den Anwendungsbereich des Leasing-Standards, im zweiten Fall nicht.

Wird eine Immobilie verkauft, sind für bedingte oder variable Kaufpreisbestandteile in Zukunft Schätzungen nötig. Hier muss der "wahrscheinlichste" Betrag angenommen werden. Außerdem ist eine zugesagte Gegenleistung an den Zinseffekt anzupassen, wenn der Vertrag eine wesentliche Finanzierungskomponente erhält. Darüber hinaus müssen Wertberichtigungen für erwartete Wertminderungen erfasst werden.

Auch Erlöse aus der Erstellung von Immobilien werden künftig anders behandelt. Dem Grundprinzip der Neuregelung entsprechend ist bei derartigen Erlösen der Zeitpunkt der Umsatzrealisierung abhängig von den jeweiligen Leistungsverpflichtungen (Güter oder Dienstleistungen). Des Weiteren müssen die Auftragserlöse und die Forderungen bei Verträgen mit Finanzierungskomponente künftig abgezinst werden. Zudem wird die Bonität eines Kunden berücksichtigt, indem in einer separaten Zeile der Gewinn- und Verlustrechnung eine Wertberichtigung ausgewiesen wird.

Bei Einkünften aus dem Asset Management sind ebenfalls die unterschiedlichen Leistungsverpflichtungen voneinander zu trennen, zum Beispiel das Vertragsmanagement, die Gebäudebewirtschaftung oder das Berichtswesen. Eine variable Erfolgsgebühr muss künftig geschätzt werden. Zuletzt kann eine Rückstellung für belastende Leistungsverpflichtungen erfolgen.

Die hohe Zahl der hier beschriebenen Sachverhalte darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie nur einige wenige Beispiele für die weitreichenden Auswirkungen der neuen Vorschriften sind. Viele Punkte sind im jetzigen Stadium noch offen. Unklar ist zum Beispiel, wie bei der Veräußerung von Beteiligungen an Unternehmen, die im erheblichen Umfang Immobilien besitzen, zu verfahren ist. Ebenso wenig steht fest, wie künftig Mietgarantien zu bilanzieren sind. Offen ist auch die Frage, ob es sich bei einem Immobilienverkauf mit Finanzierung durch den Veräußerer um zwei getrennte Transaktionen handelt. Die Beispiele zeigen, dass noch ein langer Weg zurückzulegen ist, bis Klarheit herrscht. Konkrete Hinweise wird die Überarbeitung des Entwurfs liefern, die in Kürze vorgelegt werden soll. 2012 soll dann die endgültige Fassung des neuen Regelwerks beschlossen werden, das schließlich von 2013 an gelten soll.

Mietverträge

Auch Mietverträge sollen in Zukunft bei der Rechnungslegung anders behandelt werden als jetzt. Geplant ist, dass sämtliche Mietverträge - egal, ob es sich um einfache Mietverträge oder Leasing-Verträge handelt - künftig in der Bilanz erfasst werden müssen. Das hat zur Folge, dass die Verpflichtungen aus Mietverträgen künftig als Finanzschulden zu betrachten sind - mit allen negativen Auswirkungen auf die finanzwirtschaftlichen Kennzahlen der betroffenen Unternehmen.

Als das IASB und das FASB im August 2010 den entsprechenden Entwurf veröffentlichten, war die Resonanz gewaltig. Mehr als ein Jahr verarbeiteten die beiden Gremien die Ratschläge und Kritik der Öffentlichkeit, ehe sie Ende Oktober 2011 erneut zu dem Thema Stellung bezogen. Anders als erhofft bekräftigten IASB und FASB ihren Entwurf aus dem Vorjahr im Hinblick auf die bilanzielle Behandlung von Mietverträgen. Nur einige variable Mietzahlungen müssen nicht in der Bilanz aufgeführt werden.

Gemeinschaftliche Unternehmungen

Über Entwürfe und Diskussionen hinaus sind das IASB und das FASB beim Punkt "gemeinschaftliche Unternehmungen". Ihre Ausarbeitung zu diesem Thema, der International Financial Reporting Standard (IFRS) 11, regelt die Bilanzierung von Sachverhalten, in denen mehrere Unternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) oder eine gemeinschaftliche Tätigkeit (Joint Operation) führen. Geplant ist, dass IFRS 11 von 2013 an verbindlich wird.

Mit dem neuen Regelwerk sollen mehrere Ziele erreicht werden. So soll die Bilanzierung auf Grundlage des wirtschaftlichen Gehalts und nicht - wie momentan noch der Fall - der rechtlichen Form eines gemeinschaftlichen Projekts erfolgen. Außerdem soll die Vergleichbarkeit von Unternehmensabschlüssen erhöht werden. Dazu wird das bislang gültige Wahlrecht zwischen Quotenkonsolidierung und Equity-Methode eliminiert, indem die Quotenkonsolidierung abgeschafft wird. Darüber hinaus soll die Vergleichbarkeit mit den US-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften US-GAAP (United States Generally Accepted Accounting Principles) verbessert werden.

Um zu entscheiden, wie die jeweiligen vertraglichen Rechte und Pflichten aus einer gemeinschaftlichen Unternehmung zu bilanzieren sind, ist zwischen einer Joint Operation (gemeinschaftliche Tätigkeit) und einem Joint Venture (Gemeinschaftsunternehmen) zu unterscheiden. Eine Joint Operation liegt vor, wenn die beteiligten Parteien unmittelbare Rechte und Pflichten an den Vermögenswerten und Schulden beziehungsweise den Aufwendungen und Erträgen haben. Bei einem Joint Venture haben die gemeinschaftlich führenden Parteien hingegen gerade keinen unmittelbaren Zugriff auf die Vermögenswerte und Schulden. Sie sind vielmehr aufgrund ihrer Gesellschafterstellung am Reinvermögen des Gemeinschaftsunternehmens beteiligt.

Handelt es sich bei der gemeinschaftlichen Unternehmung um eine Joint Operation, hat jeder Beteiligte die ihm zuzurechnenden Aktiva und Passiva beziehungsweise die Einnahmen und Ausgaben aus der gemeinschaftlichen Tätigkeit unmittelbar in seinen Abschluss zu übernehmen. Bei einem Joint Venture hingegen ist jeder Anteil an dem Gemeinschaftsunternehmen ausschließlich nach der Equity-Methode gemäß IAS (International Accounting Standard) 28zu erfassen.

Auch IFRS 11 wird starke Auswirkungen auf Immobilienunternehmen haben. So werden unter anderem Leistungs- und Finanzkennzahlen sowie Managementvergütungen davon betroffen sein. Elementar wird die Neubeurteilung bestehender Vereinbarungen als Joint Operation oder als Joint Venture sein. Besonders kompliziert dürfte die Umsetzung dann sein, wenn eine Vereinbarung sowohl eine Joint Operation als auch ein Joint Venture enthält. Auch die Gestaltung von Verträgen wird sich den geänderten Standards anpassen müssen.

Die neuen Standards können freiwillig auch schon vor 2013 beachtet werden. Wer also die Umsetzung abgeschlossen hat, kann nahtlos mit der Bilanzierung nach den neuen Regeln beginnen. Eine Umsetzung in EU-Recht wird im Spätsommer 2012 erwartet.

Finanzinstrumente

Nicht alles läuft so rund wie der Beschluss des IFRS 11. Obgleich älter als die genannte Vorschrift stockt die Entwicklung des IFRS 9. Er soll regeln, wie Finanzinstrumente bei der Rechnungslegung anzusetzen und zu bewerten sind, und den IAS 39 ablösen.

Eigentlich sollte IFRS 9 von 2013 verbindlich gelten. Doch im August 2011 schlug das IASB vor, die Einführung des Standards auf Januar 2015 zu verschieben. Der Grund: Von den drei Phasen, in die das Projekt eingeteilt worden war, steht erst eine kurz vor dem Abschluss. Die beiden anderen dürften sich nicht mehr rechtzeitig im kommenden Jahr umsetzen lassen. Nachdem bis zum 21. Oktober 2011 Kommentare zu diesem Vorschlag abgegeben werden konnten, wird nun damit gerechnet, dass das IASB in Kürze eine Verschiebung bekannt geben wird.

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