Aufsätze

Einlagensicherung und Anlegerentschädigung in Deutschland - Status quo und Ausblick

Die von den kreditwirtschaftlichen Verbänden getragenen Einrichtungen der Einlagen- beziehungsweise der Institutssicherung in Deutschland haben sich über Jahrzehnte bewährt. Das auf europäischen Vorgaben basierende deutsche Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssystem ist zuverlässig, leistungsfähig und daher international anerkannt.

Kein Reformbedarf bei Einlagensicherung

Gleichwohl wird der Insolvenzfall der Phoenix Kapitaldienst GmbH von Teilen der Politik zum Anlass genommen, einen völligen Umbau der Anlegerentschädigung zu fordern. Vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist hierzu ein Gutachten in Auftrag gegeben worden, das sich mit konkreten Reformvorschlägen beschäftigt. Dabei ist insbesondere nicht nachvollziehbar, dass wegen eines Einzelfalls der Anlegerentschädigung auch die seit Jahrzehnten erfolgreichen Sicherungssysteme der Kreditwirtschaft in Frage gestellt werden.

Das deutsche Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssystem bedarf, jedenfalls was die Kreditwirtschaft betrifft, keiner grundlegenden Änderung oder Neuausrichtung. Die gesetzlichen und freiwilligen Einrichtungen zum Schutz der Einleger in Deutschland sind in ihrem Umfang weltweit einmalig. Alle bisherigen Entschädigungsfälle in der Kreditwirtschaft wurden im Interesse der Kunden schnellstmöglich und mit einer 100-prozentigen Erfolgsquote abgewickelt. Jeder Einleger ist entschädigt worden. Mit gezielten Maßnahmen, die bereits im Vorfeld möglicher Schieflagen ansetzten, konnten zudem Probleme bereits im Vorfeld gelöst und Insolvenzen vermieden werden.

Mit dem Entschädigungsfall der Phoenix Kapitaldienst GmbH ist allerdings im Bereich der Anlegerentschädigung für die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) ein "Worst-Case-Szenario" eingetreten. Betroffen sind rund 30 000 Anleger bei einem erwarteten Entschädigungsvolumen von insgesamt rund 180 Millionen Euro. Eine solche Größenordnung wird mit den Mitteln der EdW aus regulären Beiträgen und Sonderbeiträgen wohl nicht zu bewältigen sein. Der Fall ist im Übrigen nicht auf Risiken aus der "normalen" Geschäftstätigkeit eines Anbieters, sondern auf systematisches kriminelles Handeln zurückzuführen. Dass solche Betrügereien über mehrere Jahre möglich waren und zu einem so hohen Schaden - und zu einer finanziellen Überforderung der EdW - führen konnten, hat freilich nichts mit der Struktur der gesetzlichen Sicherungseinrichtungen der Kreditwirtschaft zu tun.

Mit anderen Worten: Dieser Einzelfall der Anlegerentschädigung bietet weder Anlass noch Grund, die gut funktionierende Einlagensicherung in Deutschland insgesamt in Frage zu stellen. Vielmehr muss mit geeigneten Maßnahmen sichergestellt werden, dass sich ein solcher Betrugsfall möglichst nicht wiederholen kann. Nach wie vor fehlt freilich die notwendige Analyse, wie es überhaupt zu diesem Schadensfall kommen konnte. Eine solche Untersuchung ist jedoch unverzichtbar, will man sachlich und zielführend über mögliche Veränderungen in der Anlegerentschädigung befinden.

Effizientere Risikokontrolle und risikoorientierte Beitragsbemessung

Reformvorschläge sollten - neben den Fragen, die im Bereich der Aufsicht liegen, vor allem die EdW selbst in den Blick nehmen: Eine effizientere Risikokontrolle durch eigene oder beauftragte Prüfungen, Sanktionskompetenzen für die Sicherungseinrichtung und eine risikoorientierte Beitragsbemessung sollten Kern solcher Überlegungen sein. Denn Prophylaxe ist allemal besser als Schadensbewältigung. Darüber hinaus gilt es, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Einrichtung zu verbessern.

Zudem könnten die der EdW angeschlossenen Unternehmen - wegen ihrer besonderen Risikosituation - zum Abschluss einer Vertrauensschadenversicherung verpflichtet werden. Die damit verbundene zusätzliche Risikoprüfung würde zugleich für mehr Sicherheit sorgen - bekanntlich sehen vier Augen mehr als zwei. Auch die operationellen Risiken bedürfen einer effizienteren Kontrolle. Bei Fragen des Risikomonitoring und der Risikosteuerung könnte dabei auf die langjährigen Erfahrungen der Sicherungseinrichtungen der Kreditwirtschaft zurückgegriffen werden.

Zusammenführung der Sicherungssysteme keine Lösung

In die völlig falsche Richtung führen hingegen Überlegungen zu grundsätzlichen Systemeingriffen, die die bewährten Sicherungseinrichtungen der Kreditwirtschaft einbeziehen. Letztlich würde dann ein bisher begrenztes, branchenspezifisches Problem auf den gesamten Finanzsektor übertragen - mit negativen Folgen für das Vertrauen der Bankkunden in ihre Institute und den deutschen Finanzplatz.

So würde beispielsweise ein einheitliches Sicherungssystem für Einleger und Anleger lediglich vorhandene finanzielle Ressourcen zusammenfassen, ohne damit zu einer verbesserten Schadensfrüherkennung und Prävention in Bezug auf die Mitglieder der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen zu kommen. Zudem hätte ein solches System eine Größe, die das Management, die Risikokontrolle und das Zusammenführen von Informationen über Krisensituationen erheblich erschweren; auch könnte dann den unterschiedlichen Gegebenheiten in einzelnen Bereichen des Finanzgewerbes nicht mehr im erforderlichen Umfang Rechnung getragen werden.

Der entscheidende Punkt, der bei dieser Diskussion häufig geflissentlich übersehen wird, ist aber ein ganz anderer: Gesetzliche Lösungen können sich nur auf gesetzliche Systeme auswirken. Das Erfolgsrezept der kreditwirtschaftlichen Sicherungssysteme liegt aber gerade in den freiwilligen Einrichtungen, die eine umfassende solidarische Absicherung garantieren und schon im Vorfeld von Problemen erfolgreich intervenieren können.

Auch die Überlegung, alle Institute, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, in einer einheitlichen Anlegerentschädigungseinrichtung zusammenzufassen, führt in die Irre und würde nur gravierende Probleme mit sich bringen. Banken und Sparkassen müssten zwangsweise in zwei Systeme einzahlen, obwohl in ihren bestehenden Einrichtungen die Anlegerentschädigung durch die Einlagensicherung bereits abgedeckt ist. Eine solche Verpflichtung zur "Doppelsicherung" sieht die dem deutschen Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) zugrunde liegende EU-Richtlinie deshalb aus gutem Grund ausdrücklich nicht vor.1)

Aktuell wird auch diskutiert, die bisher getrennten Einlagensicherungssysteme beizubehalten und einen säulen- und systemübergreifenden "Überlaufmechanismus" einzuführen. Völlig unklar bleiben dabei die Auswirkungen auf die bestehenden Systeme der Einlagensicherung und des Institutsschutzes, die Funktionsweise des "Überlaufs" sowie dessen rechtliche und praktische Ausgestaltung.

Ein solcher Mechanismus wäre darüber hinaus in jedem Fall verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt und würde den Schaden, der in einer klar abgegrenzten Gruppe von Marktteilnehmern verursacht wurde, automatisch auf die anderen Systeme abwälzen und damit zulasten aller Kunden sozialisieren. Diese verfassungs- und europarechtlichen Bedenken hinsichtlich eines Überlaufs zwischen den Systemen als auch einer etwaigen Zusammenführung aller Institute in einem einheitlichen System der Anlegerentschädigung sind von Professor Herdegen in einem im Auftrag des ZKA erstellten Gutachtens umfassend erhärtet worden.2)

Nicht zuletzt könnte ein solcher Überlaufautomatismus unseriöse Anbieter begünstigen, da er immer eine volle Entschädigung aller Ein- und Anleger garantiert. Die bei bestimmten Anbietern von Finanzdienstleistungen typischerweise höheren Risiken würden so zulasten der gut ausgestatteten und professionell geführten Sicherungseinrichtungen seriöser Anbieter und deren Kunden gehen. Gerade im Lichte der aus dem Phoenix-Fall gewonnenen Erfahrungen können solche Fehlanreize nicht im Interesse einer gesetzlichen Lösung liegen. Vielmehr muss jedes System aus sich heraus so tragfähig sein, dass es einen "normalen", also nicht systemischen Schadensfall mit eigenen Mitteln bewältigen kann.

Kreditwirtschaft als Vorbild

Die bestehenden freiwilligen und gesetzlichen Systeme der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung der deutschen Kreditwirtschaft haben sich nach allgemeiner Ansicht, auch der Politik, bewährt. Es gibt von daher keinen Grund, die kreditwirtschaftlichen Sicherungssysteme zu reformieren. Zuvorderst muss möglichst sichergestellt werden, dass sich Betrügereien in einer Dimension, wie sie im Fall der Phoenix Kapitaldienst GmbH stattgefunden haben, nicht wiederholen. Darüber hinaus bedürfen die EdW beziehungsweise deren gesetzliche Kompetenzen und die Pflichten der ihr zugeordneten Institute in der Tat einer Reform, um für ihre Auf gaben gerüstet zu sein. Hierbei können die seit Jahrzehnten bewährten Systeme der Kreditwirtschaft als Vorbild dienen. Die ZKA-Verbände sind bereit, den Bund und die EdW bei einer solchen Reform mit ihren Erfahrungen zu unterstützen. Eine partielle oder gänzliche Zusammenlegung der Sicherungseinrichtungen oder etwaige Überlaufmechanismen aber werden von der Kreditwirtschaft - auch und gerade im Interesse ihrer Kunden - strikt abgelehnt.

Fußnoten

1) 97/9/EG, Nr. 9 der Erwägungsgründe: "Kreditinstitute sollten jedoch nicht verpflichtet sein, zwei getrennten Systemen anzugehören, wenn sowohl ein einziges System den Anforderungen dieser Richtlinie als auch denen der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme entspricht."

2) Vgl. Herdegen, WM Wertpapiermitteilungen, 2008, Seiten 329 ff.

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