Kommunen als Bestandshalter

Erbbaurecht als Instrument kommunaler Wohnungspolitik

Matthias Nagel

Manchmal werden Grundstücke im Erbbaurecht vergeben, dem dinglichen Recht, welches dem Inhaber die Befugnis erteilt, auf fremdem Grundstück ein Bauwerk zu errichten. Für Kommunen kann die Zurverfügungstellung von Land im Wege des Erbbaurechts als Alternative zum Verkauf wohnungspolitisch von Interesse sein, sofern die Bodenpreise hoch sind und dennoch bezahlbarer Wohnraum angeboten werden soll. Die Kommune profitiert nicht nur aus dem Erbbauzins, sondern behält ferner alle Einflussmöglichkeiten auf die Fläche und kann beruhigend auf den Bodenmarkt einwirken, weshalb das Erbbaurecht als kommunales Wohnungspolitikinstrument aktuell auch wieder an Bedeutung zunimmt. Große Kommunen wie unter anderem Frankfurt am Main, Zürich und Amsterdam ermöglichen dadurch Ansiedlungen auch für "Normalverdiener" und steuern dem ständigen Weiterverkauf des Grund und Bodens mit Spekulationsabsicht aktiv entgegen. Red.

Das Grundprinzip des Erbbaurechts ganz einfach: Auf einem Grundstück gibt man einem anderen das Recht, ein Haus in seinem Eigentum zu bauen. Daher belastet man sein Eigentum mit einem Erbbaurecht, für das ein Erbbaugrundbuch angelegt wird. Diese grundbuchliche Trennung ist insbesondere wichtig, damit Belastungen auf dem Erbbaurecht das Grundstückseigentum nicht belasten. Für die Belastung des Eigentums mit einem Erbbaurecht bekommt man einen Erbbauzins und generiert somit eine regelmäßige Einnahme, im Falle kommunaler Wohnungspolitik für den kommunalen Haushalt. Dabei finden sich alle wesentlichen Regelungen im Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG).

Sofern man über die Zurverfügungstellung von Land im Wege des Erbbaurechts als Alternative zum Verkauf nachdenkt, sollte man sich der eigenen Intentionen und Erwartungen bewusst werden. Das Erbbaurecht lohnt sich in Lagen mit niedrigen Bodenwerten in der Regel nicht, da es nicht am Markt zu platzieren ist. Spielt beim Erwerb eines Hauses der Bodenwert keine Rolle, ist das Erbbaurecht wirtschaftlich nur sehr bedingt interessant, und zwar sowohl für den Erbbaurechtsgeber als auch für den Erbbaurechtsnehmer. Insofern ist es kein Instrument, das für jede Kommune gleich geeignet ist. Hat man es jedoch mit hohen Bodenpreisen zu tun und will man dagegen wirken und auch bezahlbaren Wohnraum anbieten, kann das Instrument Erbbaurecht für Kommunen wohnungspolitisch von Interesse sein.

Vorteile des Erbbaurechts für den Grundstückseigentümer

Bevor man darüber nachdenkt, ob man seine Flächen im Wege des Erbbaurechts anbietet, sollte man sich über die Vor- und Nachteile im Klaren sein. Die Vorteile des Erbbaurechts für die Kommune sind:

- Die Kommune bleibt Grundstückseigentümer. Die Kommune, die sich für diesen Weg entscheidet, bleibt Eigentümer des Grundstückes und erhält somit sein Vermögen auch für spätere Zeiten in sehr sicherer Art und Weise. Zudem vermehrt sich dieses Grundvermögen gegebenenfalls, da die Grundstücke in der Regel im Wert steigen.

- Regelmäßige Einnahmen über Erbbauzinsen. Gleichzeitig bekommt man einen regelmäßigen Erbbauzins als Einnahme für den kommunalen Haushalt. Dies bedeutet, dass man als Grundstückseigentümer neben der positiven Vermögensentwicklung noch weiterhin regelmäßige Einnahmen zusätzlich generiert.

Einnahme an Erbbauzinsen

- Einnahmesteigerungen über Wertsicherungsklauseln. Diese Einnahmen sind in der Regel beziehungsweise sollten über eine Wertsicherungsklausel aufgrund der langen Laufzeit der Verträge inflationsbedingt wertgesichert sein, indem man zum Beispiel den Erbbauzins alle drei oder fünf Jahre nach der Entwicklung des Verbraucherpreiskostenindex anpasst.1) Dies bedeutet, dass sich während der Laufzeit des Vertrages die absolute Einnahme an Erbbauzinsen auch noch regelmäßig steigert und man darüber inflationsbedingte Mehrkosten auffangen kann. Der kürzeste zu vereinbarende Anpassungszeitraum beträgt dabei bei privat genutzten Erbbaurechten drei Jahre (§ 9 a Abs. 1 Satz 5 ErbbauRG), gewerbliche Erbbaurechte könnten sogar jährlich angepasst werden.

- Zustimmungsvorbehalte bei Weiterverkauf des Erbbaurechtes. Ein nicht zu unterschätzendes Argument ist zudem, dass man als kommunaler Grundstückseigentümer Entwicklungen auf seinen Grundstücken weiter beobachten und im schlimmsten Fall sogar verhindern kann. In den §§ 5 bis 7 ErbbauRG sind Zustimmungsvorbehalte für den Grundstückseigentümer normiert. Dadurch kann man zum Beispiel verhindern, dass sich auf den Grundstücken Institutionen oder Gewerbe einrichten, die man aus kommunaler Sicht nicht dulden möchte. Diese Einflussmöglichkeit hat man bei einem Verkauf nicht mehr. Gegebenenfalls sollte man dabei bestimmte Anforderungen, die man an einen Erbbauberechtigten erfüllt sehen möchte, im Erbbaurechtsvertrag normieren, da ansonsten die Gründe für eine Nichtzustimmung auf rein wirtschaftliche Faktoren beschränkt sind.

- Verhinderung von Bodenspekulationen. Im Weiteren kann durch das Instrument Bodenpreisspekulationen entgegengewirkt werden. Dies ist insbesondere für Kommunen von Bedeutung, in denen es aufgrund ständig steigender Bodenpreise immer schwieriger wird, auch bezahlbaren Wohnraum anzubieten. Hier kann mit klaren Regeln aktive Wohnungspolitik betrieben werden und über das Instrument des Erbbaurechts eine Ansiedlung auch für "Normalverdiener" ermöglicht werden. Zudem wirkt man beruhigend auf die Bodenpreise in der Kommune, da es keinen ständigen Weiterverkauf des Grund und Bodens mit Spekulationsabsicht gibt.

Große Kommunen wie Frankfurt am Main2) handeln hier schon länger in diese Richtung, aber auch in Berlin3) oder in Stuttgart4) wird wieder verstärkt über eine Ansiedlung im Erbbaurecht nachgedacht. Im europäischen Ausland behalten hier zum Beispiel Zürich oder Amsterdam5) aktive Bodenpreisinstrumente in der Hand. Dies zeigt, dass das Erbbaurecht als kommunales Wohnungspolitikinstrument wieder an Bedeutung zunimmt.

Nachteile des Erbbaurechts für den Grundstückseigentümer

Natürlich hat das Erbbaurecht für den Grundstückseigentümer auch Nachteile. Hier sind insbesondere zu nennen:

- Die Schlechte Verzinsung von Erbbaurechten. Viele Kommunen haben vor allem historische Erbbaurechte mit einer schlechten Verzinsung. Der Erbbauzins hat mit der Entwicklung der Bodenpreise nicht mehr Schritt gehalten. Dies bedeutet, dass man in solchen Fällen darüber nachdenken muss, ob man sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht doch vom Grund und Boden trennt.6)

Dabei kann es durchaus richtig sein, sich dann auch von vorhandenen Erbbaurechten zu trennen. Allerdings sollte über ein Reinvest in neue und dann vernünftig verzinste Erbbaurechte aus den oben genannten nachgedacht werden. Zudem sollte auch bei einer aktuellen schlechten Verzinsung die strategische Bedeutung des Grund und Bodens im Auge behalten werden. Dann kann man nach Ablauf des Erbbaurechts wieder erfolgreich neue Erbbaurechte vergeben.

- Die Kappungsgrenze von § 9 a ErbbauRG. Im Weiteren ist aus wirtschaftlicher Sicht auch die gesetzliche Kappungsgrenze nach § 9 a ErbbauRG zu nennen. Diese beinhaltet - vereinfacht dargestellt -, dass ein Erhöhungsverlangen nicht über die gleiche Entwicklung der Bruttolöhne im gleichen Zeitraum hinausgehen darf.

Besteht also zum Beispiel eine Inflationsklausel und die Inflation betrüge 7 Prozent, im gleichen Zeitraum sind aber die Bruttolöhne nur um 5 Prozent gestiegen, darf man den Erbbauzins trotz der anderen eigentlich besseren Regelung im Vertrag nur um 5 Prozent anpassen. Dies ist insbesondere in Zeiten höherer Inflation und niedriger Lohnabschlüsse von Bedeutung und belastet natürlich gegebenenfalls die Rentabilität des Erbbaurechts.

- Das Risiko von hohen Entschädigungsleistungen am Ende des Vertrages. Bei privaten Erbbaurechten sind in der Regel zum Vertragsende Regelungen vereinbart, dass bei einer Nichterneuerung des Erbbaurechts der Grundstückseigentümer dem Erbbauberechtigten eine Entschädigung für sein Haus zu zahlen hat. Dabei wird meistens eine Entschädigungshöhe von zwei Dritteln des Verkehrswertes des Hauses vereinbart.

Hier können im Einzelfall auf die Kommune erhebliche Entschädigungsleistungen zukommen. Im Notfall kann die Kommune eine mögliche Entschädigung verhindern, indem sie gem. § 27 Abs. 3 ErbbauRG den Erbbaurechtsvertrag auf die Standdauer des Gebäudes verlängert. Allerdings kann man in diesen Fällen den Erbbauzins nicht an die neue wirtschaftliche Lage anpassen. Zudem muss man sich vor Verhandlungen über eine Erneuerung des Erbbaurechts für diesen Weg bereits entschieden haben. In der Regel wird jedoch bei ablaufenden Verträgen der Abschluss eines neuen Erbbaurechtsvertrages von beiden Seiten angestrebt.

Imageschäden bei regelmäßigen Erhöhungen

- Schlechtes Image in der Öffentlichkeit im Falle von regelmäßigen Erhöhungen. Im Weiteren nicht zu unterschätzen ist der Fakt, dass bei Erhöhungsverlangen, insbesondere wenn der Erhöhungssatz zum Beispiel nach einem Zeitraum von zehn Jahren besonders hoch ist oder bei der Erneuerung von Erbbaurechten, die öffentliche Meinung gegen den kommunalen Eigentümer gerichtet werden kann. Hier wird viel mit der sozialen Komponente des Erbbaurechts argumentiert. Solange dabei das Erbbaurecht nicht von Anfang an einen sozialen Zweck erfüllen sollte, ist diese Argumentation zwar rechtlich und inhaltlich fehl am Platze, dennoch kann man hier als Kommune unter öffentlichen Druck kommen.

Besonderheiten bei der Verwaltung von Erbbaurechten

Es soll noch kurz auf ein paar Besonderheiten bei der Verwaltung von Erbbaurechten eingegangen werden. Erbbaurechtsverwaltung ist keine Mietverwaltung und Fehler bei der Verwaltung können aufgrund der dinglichen Sicherung vieler Rechte weitreichende Folgen haben.

- Wahrung der dinglichen Rechtsposition. Als Grundstückseigentümer muss man darauf achten, seine dinglichen Rechtspositionen zu wahren. Der Erbbauzins, aber auch die Erhöhungsbeträge sind an erster Rangstelle zu sichern. Bei Belastungen des Erbbaugrundbuches ist zu prüfen, ob die geplanten Belastungen sich auch wirklich nur auf das Bauwerk beziehen. Abzuwägen ist dabei aber auch, dass das Eigentum unbelastet bleibt.

Eine zu hohe Belastung des Erbbaugrundbuches ist für den Grundstückseigentümer nur beim sogenannten Heimfall ein Problem. Des Weiteren muss man bei Verkäufen des Erbbaurechtes darauf achten, dass der Erwerber in alle Rechte und Pflichten es Erbbaurechtsvertrages und insbesondere möglicher Nachtragsverträge, zum Beispiel wegen einer Wertsicherung, eingetreten ist.

- Eigentümerverantwortung wahrnehmen. Bei einer Erbbaurechtsbestellung muss man zudem seine Eigentümerverantwortung wahrnehmen. Alle für den Grundstückseigentümer relevanten Belange, insbesondere die Nutzungsart, sollte man bereits im Erbbaurechtsvertrag normieren. Dies ist insbesondere wichtig für die Zustimmungsvorbehalte nach den §§ 5-7 ErbbauRG im Falle der Weiterveräußerung. Im Weiteren muss man regelmäßig im Blick haben, wann und in welcher Höhe Wertanpassungen durchzuführen sind.

Dabei sind insbesondere die Regelungen des § 9a ErbbauRG zu beachten (siehe oben). Ebenso muss gegebenenfalls geprüft werden, ob auch ohne Anpassungsklausel eine Wertanpassung nach den Grundsätzen der Äquivalenztheorie des BGH zulässig wäre.7) Schließlich sollte man sich im Falle nicht gezahlter Erbbauzinsen gut überlegen, welches Rechtsinstrument man anwenden will: Den im Erbbaurechtsgesetz normierten Heimfall oder die Zwangsversteigerung. Letztere ist dabei primär ins Auge zu fassen.

Ablaufende Erbbaurechte

- Sonderfall: ablaufende Erbbaurechte. Nicht zu unterschätzen ist letztlich auch der Aufwand der Verhandlung ablaufender Erbbaurechte. Zunächst einmal sind grundsätzliche Entscheidungen zu treffen, mit welcher Zielrichtung man in solche Verhandlungen geht. Dabei sind insbesondere der demografische Faktor, die Lage des Grundstückes und mithin das Entschädigungsrisiko zu bewerten und eine Verlängerung des Erbbaurechts auf die Standdauer des Bauwerkes gemäß § 27 Abs. 3 ErbbauRG in Betracht zu ziehen.

Primär sollte jedoch der Abschluss eines neuen Vertrages mit verbesserten Konditionen im Fokus stehen. Dafür sind jedoch ausreichend Verhandlungszeit und eine Vorbereitung auf eine eventuelle mediale Aufmerksamkeit einzuplanen.

Das Erbbaurecht sollte also wieder mehr in den Fokus wohnungspolitischer Betrachtungen geraten. Es kann Lösungsansätze bieten, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen oder Bodenspekulationen entgegenzuwirken, aber auch die dauerhafte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Kommune zu stärken.

Fußnoten

1) Wird vom Statistischen Bundesamt jährlich aktuell zur Verfügung gestellt unter www.destatis.de.

2) Vgl. aktuelle Bebauung in Frankfurt Niederrad - siehe www.frankfurt-live.com vom 15. April 2015 - "Stadt ermöglicht weiteres Wohnprojekte in der Bürostadt"

3) Vgl. Der Tagesspiegel vom 28. August 2013 "Ratenzahlung statt Kaufpreis - Das Erbbaurecht gewinnt für die Stadtentwicklung in Berlin wieder an Bedeutung"

4) Vgl. Stuttgarter Nachrichten vom 18. März 2015 unter www.stuttgarter-nachrichten.de "Vergabe von Grundstücken wird neu geregelt"

5) Beide Städte wurden unter anderem auf den Jahrestagungen des Deutschen Erbbaurechtsverbandes 2014 und 2015 vorgestellt - mehr Infos unter www.erbbaurechtsverband.de

6) Vgl. Hansestadt Lübeck (Bekanntmachung vom 26. November 2009)

7) Vgl. BGH NJW 1984, S. 2212f. ; BGH NJW 1985, S. 2524f.

Der Autor

Dr. Matthias Nagel Geschäftsführer, Deutscher Erbbaurechtsverband e.V., Berlin

Noch keine Bewertungen vorhanden


X