Markt- und Objektbewertung

Bewertungsmöglichkeiten nachhaltiger Qualitäten von Immobilien

Abbildung 1: Prinzip des dreifachen Gewinns, das Nachhaltigkeitsverständnis der GLS Bank und die Umsetzung auf Immobilien Quelle: GLS ImmoWert GmbH

Mit dem, wie auch die Autoren zugeben, arg strapazierten Begriff der Nachhaltigkeit beschäftigt sich der vorliegende Artikel. Denn diese habe nun auch die Immobilienbranche erreicht. Auf dem Investmentmarkt der Gewerbeimmobilien nähmen die als nachhaltig zertifizierten Gebäude inzwischen rund 19 Prozent des gehandelten Volumens ein. Darüber hinaus bestehe ein Nachholbedarf bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Bestandsimmobilien aller Nutzungsarten und bei Sozialimmobilien. Daneben profitierten energieeffiziente und nachhaltige Immobilien derzeit noch zu wenig bei der Bewertung und Finanzierung. In der Folge wird ausführlich die Methode nWert vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein System zur Bewertung nachhaltiger Qualitäten von Immobilien. Diese Bewertung erfolge auf der Basis von Informationen, die entweder vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt oder durch die Auditoren recherchiert werden. Es müssen keine Sondergutachten, Berechnungen oder Modellierungen für das Audit beauftragt werden. Red.

Nachhaltigkeit ist in der Immobilienwirtschaft angekommen. Aber Nachhaltigkeit ist in der Immobilienwirtschaft auch ein so stark strapazierter Begriff, dass sie für manche zum Unwort geworden ist, was wahlweise Fluchtreflexe oder Langeweile auslöst. Inzwischen ist die Karawane der Meinungsführer weiter gezogen und bearbeitet jetzt die aktuellen Buzzwords wie beispielsweise "Big Data", "Proptech" oder "Internet of Things (IoT)". Wie sieht aber die Realität aus? Einerseits ist Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft etabliert. Auf dem Investmentmarkt der Gewerbeimmobilien nehmen die als nachhaltig zertifizierten Gebäude inzwischen rund 19 Prozent des gehandelten Volumens ein (BNP Paribas Real Estate 2015). Andererseits ist die Anzahl explizit nachhaltiger Gebäude eher überschaubar.

Die RICS zählt bis 2015 etwa 482 zertifizierte Neubauten und Sanierungen sowie 163 zertifizierte Bestandsgebäude in Deutschland, nicht jedes Jahr sondern insgesamt und bezogen auf alle großen Zertifikatssysteme DGNB, BREEAM, LEED und HQE (Royal Institution of Chartered Surveyors 2015). Natürlich gibt es darüber hinaus sehr nachhaltige, aber nicht zertifizierte Gebäude, die in keiner Statistik auftauchen. Aber auch deren Anteil am Gesamtgebäudebestand in Deutschland - allein knapp 19 Millionen Gebäude mit Wohnraum - darf als gering eingeschätzt werden.

Ermittlung deutlich sichtbar machen

Das Thema Nachhaltigkeit ist also noch lange nicht "durch". Es bleibt viel zu tun und eigentlich geht es mit der Arbeit erst richtig los. Ein Teil dieser Arbeit ist beispielsweise nachhaltige Qualitäten von Immobilien in der Markt- und Beleihungswertermittlung deutlicher sichtbar zu machen (Meinen et al. 2016). Längst wurden die Bewerter als wichtige Kommunikatoren und Vermittler der Nachhaltigkeit in die Immobilienwirtschaft hinein erkannt. So spricht das Forschungsvorhaben Renovalue davon, dass gerade die Sachverständigen beziehungsweise die Berufsgruppe der Wertermittler aufgrund ihrer Rolle als "Informationsmittler" in Immobilienmärkten und ihrer oftmals beratenden Funktion sich in einer ausgezeichneten Position befinden, um die Marktteilnehmer über die finanziellen Vorteile nachhaltiger Gebäude aufzuklären beziehungsweise zu informieren (Internetdokument Reno-Value Fact Sheet: o.A., o.J.).

Schon heute empfiehlt die RICS als gute fachliche Praxis "einzuschätzen, inwieweit die zu bewertende Immobilie derzeit die Nachhaltigkeitskriterien erfüllt, und eine sachkundige Meinung darüber zu bilden, inwieweit sich diese Nachhaltigkeitskriterien wahrscheinlich auf den Preis auswirken". Darüber hinaus empfiehlt es sich, "eine Meinung über die Beziehung zwischen Nachhaltigkeitsfaktoren und der daraus resultierenden Bewertung zu äußern, einschließlich Anmerkungen zu den mit diesen Nachhaltigkeitsmerkmalen verbundenen aktuellen Vorteilen/Risiken oder gegebenenfalls zu nicht vorhandenen Risiken" (Royal Institution of Chartered Surveyors 2014).

Außerdem besteht ein Nachholbedarf bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Bestandsimmobilien aller Nutzungsarten und darüber hinaus bei Sozialimmobilien. Daneben profitieren energieeffiziente und nachhaltige Immobilien derzeit noch zu wenig bei der Bewertung und Finanzierung. nWert, ein System zur Bewertung nachhaltiger Qualitäten von Immobilien, eröffnet eine Lösung für beide Themen.

Die GLS Gemeinschaftsbank (GLS Bank) hat an ihre Immobilientochter, die GLS Immowert, ebenfalls die oben genannte Aufgabe gestellt, nachhaltige Qualitäten von Gebäuden bewertbar zu machen und stärker in die Markt- und Beleihungswertermittlung einzubinden. Damit war implizit auch verbunden, einen Maßstab für die Bewertung nachhaltiger Qualitäten zu definieren. Ausgangspunkt aller Aktivitäten der GLS Bank und damit auch der immobilienbezogenen Aktivitäten ist folgendes Nachhaltigkeitsverständnis: Im Mittelpunkt stehen die Menschen mit ihren Bedürfnissen. Die Bewahrung und Entwicklung der Lebensgrundlagen sind notwendige Bestandteile und ökonomischer Gewinn eine Folge unseres Handelns.

Gewinn am Bedürfnis des Menschen ausrichten

Das neu entwickelte Bewertungssystem zur Beurteilung nachhaltiger Qualitäten von Immobilien trägt den Namen nWert und verfolgt folgende Ansätze: Es soll gleichermaßen für Bestands- wie auch für Neubauten anwendbar sein. Neben der Finanzierung von Neu- und Umbauten sowie Sanierungen wird das nWert-Audit auch dazu dienen, sowohl im Kreditportfolio der Bank als auch bei Bestandshaltern den Gebäudebestand zu benchmarken und eine Wegbeschreibung zu einer verbesserten Nachhaltigkeit zu ermöglichen. nWert berücksichtigt Fragen des Klimaschutzes und der Energieeffizienz, hat aber einen umfassenderen Ansatz. Alle Aspekte der Nachhaltigkeit werden berücksichtigt. Entsprechend diesem Selbstverständnis wird die sozialkulturelle Komponente der Nachhaltigkeit, die menschliche Dimension, in den Mittelpunkt gestellt und auch ökonomische Aspekte mit bewertet.

Ausgangspunkt von nWert wie auch von anderen Systemen sind die Nutzungen "Büro/Verwaltung" und "Wohnen". Da aber Immobilien der Sozialwirtschaft, des Gesundheits- und Bildungswesens zu den wichtigen Kompetenzfeldern der GLS Bank gehören, wurden auch dafür Nutzungsvarianten von nWert entwickelt. Es ist damit möglich, Pflegeeinrichtungen, Kitas, Schulen und Einrichtungen der Behindertenhilfe zu bewerten. Eine Auditierung mit nWert ist mit einem überschaubaren Aufwand möglich. Damit lässt es sich einerseits in die Markt- und Beleihungswertermittlung einbinden und darüber hinaus auch in unterschiedlicher Breite und Tiefe an Bankprozesse andocken.

Keine Sondergutachten für das Audit

Das nWert-Audit erfolgt auf der Basis von Informationen, die entweder vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt oder durch die Auditoren recherchiert werden. Es müssen keine Sondergutachten, Berechnungen oder Modellierungen für das Audit beauftragt werden.

Die Elemente des Audits sind:

- Scoping,

- Vorrecherche,

- Besichtigung,

- Interview,

- Nachrecherche und

- Bericht.

nWert setzt das oben genannte Nachhaltigkeitsverständnis der GLS Bank auf der Grundlage des Prinzips des dreifachen Gewinns (tripple bottom line: people, planet, profit) um (siehe Abbildung 1).

Je Dimension der Nachhaltigkeit werden vier Kriteriengruppen gebildet, die gewissermaßen die Hauptüberschriften sind. Diese Kriteriengruppen bestehen aus zwei oder mehr Kriterien, die Unterüberschriften. Das Nachhaltigkeitsbild wird so entlang der logischen Kette Dimension-Kriterium-Indikator so lange verdichtet, bis eine konkrete und messbare Eigenschaft des Gebäudes abgefragt und anhand eines Messmodells in Bewertungspunkte umgesetzt werden kann (siehe Abbildung 2).

In der menschlichen Dimension ist eine Kriteriengruppe beispielsweise der Nutzerkomfort. Darunter sind je nach Nutzungsvariante verschiedene Kriterien hinterlegt. Abbildung 3 zeigt einen Ausschnitt von nWert für Pflegeimmobilien mit einem Auszug der Indikatoren (siehe Abbildung 3).

Das Messmodell kategorisiert die Merkmale des Gebäudes in drei Qualitäten:

a: überdurchschnittliche nachhaltige Qualität,

b: durchschnittliche nachhaltige Qualität,

c: unterdurchschnittliche Qualität.

Je nach Einordnung werden entsprechend ein, zwei oder drei Punkte vergeben. Die Punkte gehen in die Wertung der Kriteriengruppe ein. Gemäß ihrer Bedeutung im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsverständnis werden die Indikatoren verschieden gewichtet. Auf Ebene der Dimensionen erfolgt ebenfalls eine Gewichtung.

Die konsequente Umsetzung des Nachhaltigkeitsverständnisses der GLS Bank findet seinen Niederschlag darin, dass die menschliche Dimension höher gewichtet ist als die zukunftsweisende, diese wieder höher als die ökonomische. Der ökonomische Vorteil ist nicht der primäre Zweck eines nachhaltigen Gebäudes, sondern das Ergebnis das sich einstellt, wenn zuvor die Menschen in den Mittelpunkt gerückt werden und natürliche Ressourcen schonen und zukunftsweisend in Anspruch genommen wurden.

Abbildung 4 zeigt das zusammenfassende Tableau einer nWert-Auditierung. Das Beispielgebäude erreicht insgesamt einen Erfüllungsgrad von rund 74 Prozent, das heißt einen nWert "A+" und weist sehr gute nachhaltige Qualitäten auf. Das Objekt zeigt insbesondere Stärken in der menschlichen und in der ökonomischen Dimension. Dagegen fällt es bei den zukunftsweisenden (ökologischen) Kriterien etwas zurück. Eine Betrachtung der einzelnen Indikatoren hilft die Merkmale des Gebäudes zu identifizieren, deren Verbesserung zu einer ebenfalls verbesserten nachhaltigen Qualität führt.

Nimmt man den Anspruch einer Bewertung nachhaltiger Qualitäten von Immobilien ernst, dann folgt daraus, dass mit Hilfe einer solchen Bewertung, etwa durch nWert, eine breite und umfassende Beschreibung der Immobilie erfolgt. Im Prozess des nWert-Audits werden auch Informationen zum Makro- und Mikrostandort, zum Marktumfeld, zur Vermietungs- und Wettbewerbssituation und zu baulichen Eigenschaften abgefragt oder recherchiert. Damit stellt die Auditierung auch die für eine Markt- und Beleihungswertermittlung erforderlichen Daten bereit. nWert erfüllt insofern das Ziel der Implementierung nachhaltiger Eigenschaften von Immobilien in die klassische Markt- und Beleihungswertermittlung.

Marktwert: ökonomische Dimension im Mittelpunkt

Unsere Überlegungen gehen aber noch einen Schritt weiter. Die Frage nach dem Marktwert stellt die ökonomische Dimension in den Mittelpunkt, andere Aspekte der Nachhaltigkeit sollen dabei schmückendes Beiwerk sein. Das ist aus unserer Sicht nicht zukunftsfest. Die Perspektive muss doch sein, im Sinne des umfassenden Ansatzes der Nachhaltigkeit die verschiedenen Bewertungen und Werte zusammen zu führen. Ein nachhaltiges Gebäude bietet den Eigentümern einen wirtschaftlichen Vorteil, der sich daraus ergibt, dass zuvor die Menschen, also die Nutzer, Besucher, Quartiersnachbarn (also alle Stakeholder eines Gebäudes) mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt gerückt und die natürlichen Ressourcen über den Lebenszyklus schonend in Anspruch genommen werden.

Die Wertschätzung einer Immobilie durch die Marktteilnehmer ergibt sich aus der Summe aller ihrer nachhaltigen Eigenschaften. Es wäre folgerichtig, wenn sich langfristig ein neues Verständnis entwickelte, das eine Immobilie mit einem umfassenderen Wertbegriff beschreibt. Viele Institute aus dem Bereich des ethischen und sozialökologischen Bankings befassen sich mit der Frage der sozialen Rendite beziehungsweise der Messung sozialer Wirksamkeit des Handelns. nWert stellt einen Ansatz dafür bereit.

Für Banken ergeben sich aus der umfassenden Betrachtung von Markt- und Beleihungswert und Nachhaltigkeit Möglichkeiten der Steuerung von Risiko und Eigenkapitalanforderungen. Aus sachlogischen Überlegungen heraus muss ein Kreditportfolio von Immobilien mit guten nachhaltigen Qualitäten risikoärmer als ein konventionelles sein.

Denn ein solches Portfolio weist Eigenschaften wie beispielsweise guten Nutzerkomfort, gute Quartiersanbindung, geringe Energiebedarfe, schadstoffarme und recyclebare Materialien sowie ausgewogene Erträge und Kosten auf. Ausfälle oder Leistungsstörungen von Kreditengagements infolge von Leerständen, mangelnder Attraktivität, sinkenden Bedarf, unpassenden Standorten und so weiter sollten bei einem nachhaltigen Portfolio weit weniger, eigentlich gar nicht auftreten.

Damit sich diese positiven Eigenschaften im Kontext der Bankenregulatorik aber auch verargumentieren lassen, muss der Nachweis dieser Korrelation von Nachhaltigkeit, Wert und gutem Verlauf des Kreditengagements geführt werden. Auch das ist ein weiteres, sinnvolles Anwendungsgebiet eines Nachhaltigkeits-Audits, wie beispielsweise nWert.

Literaturverzeichnis

BNP Paribas Real Estate (2015): Market Focus 2015 Investmentmarkt Green Buildings. Hg. v. BNP Paribas Real Estate.

Meinen, Heiko; Morgenstern, Matthias; Kock, Katrin (2016): Nachhaltigkeit in der Immobilienbewertung. 1. Auflage. Köln: Bundesanzeiger (Grundstücks- und Immobilienbewertung spezial, Band 1).

o.A. (o.J.): RENOVALUE, Triebkräfte für den Wandel: Stärkung der Rolle von Wertermittlern bei der Markttransformation, zuletzt geprüft am 16.11.2016.

Royal Institution of Chartered Surveyors (2015): Insight Paper: Grün kommt! Europäische Nachhaltigkeitsstatistik 2015. Hg. v. RICS. Royal Institution of Chartered Surveyors.

Royal Institution of Chartered Surveyors (2014): RICS Bewertung- Berufsgrundsätze Januar 2014. Royal Institution of Chartered Surveyors, zuletzt geprüft am 16.11.2016.

RICS-Berufsgrundsätze Global, Januar 2014: RICS Bewertung- Berufsgrundsätze Januar 2014, zuletzt geprüft am 16.11.2016.

Royal Institution of Chartered Surveyors (2014): RICS Bewertung- Berufsgrundsätze Januar 2014. Royal Institution of Chartered Surveyors, zuletzt geprüft am 16.11.2016.

Die Autoren Jochen Nagel Geschäftsführer Dr. Matthias Morgenstern MRICS, Leiter Nachhaltige Immobilien, beide GLS ImmoWert GmbH, Nürnberg

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