Immobilien an der Börse

Das besicherte Schuldscheindarlehen als Alternative zum erstrangigen Hypothekendarlehen

Michael Piontek

In der Immobilienfinanzierung stehen Unternehmen zunehmend neue Finanzierungsprodukte zur Verfügung. Diese befinden sich im Wettbewerb zur tra ditionellen Bankenfinanzierung. Bei kleineren Finanzierungen gewinnen Schuldscheindarlehen zunehmend an Bedeutung. Die Platzierung ist häufig nicht zeitaufwendiger als eine Finanzierungsanfrage. Und die Konditionen sind durchaus wettbewerbsfähig im Vergleich zu Angeboten von Hypothekenbanken für erstrangige, durch Pfandbriefe refinanzierte Hypothekendarlehen. Der Autor erwartet, dass Hypothekenbanken dieser Konkurrenz aktiv begegnen und ihre Bedingungen vereinfachen werden. Red.

Die Hypothekenbanken in Deutschland haben sich mit der zinsgünstigen Refinanzierung über Pfandbriefe in der Vergangenheit große Marktanteile bei der Immobilienfinanzierung sichern können. In letzter Zeit treten verstärkt neue Wettbewerbsprodukte als Konkurrenz zum klassischen Senior Loan auf, die insbesondere von börsennotierten Immobiliengesellschaften und weiteren größeren mittelständischen Unternehmen genutzt werden.

Nachdem größere Finanzabschnitte ab 300 Millionen Euro mit CMBS (Commercial Mortgage-Backed Securities) oder RMBS (Residential Mortgage-Backed Securities) erfolgreich platziert werden können (beispielsweise durch Gagfah, Deutsche Annington und Vitus) erfreuen sich bei kleineren Finanzierungen Bonds oder Schuldscheindarlehen wachsender Beliebtheit. Diese alternativen Finanzierungsformen sind neben den Banken einem breiten Investorenpublikum - inklusive Versicherungen und Versorgungskassen - zugängig.

Diese Investoren haben aktuell einen hohen Anlagedruck, was die Renditeanforderungen sinken lässt und dazu führt, dass nach den indirekten Investitionen über Finanzierungsinstrumente in Wohn immobilienbestände nun auch gewerbliche Immobilienbestände als Investitionsziel in den Fokus gerückt sind. Neben den klassischen Eigenkapitalbeteiligungen kann dies auch über Fremdkapitalprodukte als Investitionsvehikel erfolgen. Diese Entwicklung ist in diesem Ausmaße und hinsichtlich der gesunkenen Konditionsanforderungen neu.

Kleinste Volumenanforderung

Schuldscheindarlehen stellen in der Produktpalette das Produkt mit der kleinsten Volumenanforderung (ab 10 Millionen Euro) dar - Bonds sind aufgrund der Fixkosten für Prospekte und Ähnliches in der Regel erst ab 50 Millionen Euro wirtschaftlich vertretbar. Diese Schuldscheindarlehen stellen rechtlich einen Darlehensvertrag nach Paragraf 488 (1) Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar und können bilateral privatschriftlich ab geschlossen werden. Bei einer Erstplatzierung sowie dem Verkauf an mehrere Gläubiger empfiehlt sich die Einschaltung einer Investmentbank, die zur Sicherstellung der Handelbarkeit auch als Zahl- und Koordinierungsstelle dienen kann.

Das Schuldscheindarlehen kann unbesichert oder erstrangig besichert platziert werden. Die Covenants und Reporting-Verpflichtungen unterscheiden sich nicht wesentlich von klassischen Bankfinanzierungen. Allerdings weist das Schuldscheindarlehen tendenziell einige Vorteile auf, unter anderem ist die Ausschreibung der Finanzierung zur Generierung der günstigsten Konditionen vergleichsweise einfach. Man kann sich dabei eines bekannten Investorenkreises oder einer Investmentbank bedienen. Schuldscheindarlehen werden in der Regel tilgungsfrei vereinbart, auch um den administrativen Aufwand gering zu halten.

Da die Bewertung (im Falle einer Besicherung durch Immobilien) und die Einhaltungskontrolle der Loan-to-Value (LTV)-Covenants auf der Basis der unternehmenseigenen Bewertung (bei kapitalmarktfähigen Unternehmen in der Regel durch externe Begutachtung) erfolgt, entfallen auch zusätzliche Bewertungen, was neben Kosten auch Zeit erspart.

Durch den Wegfall der sonst üblichen Term-Sheet-Fees können weitere Kosten eingespart werden. Ein erheblicher qualitativer Vorteil ist auch, dass bei einem Schuldscheindarlehen die Darlehensbedingungen durch den Darlehensnehmer vorgegeben werden. Damit entfallen bisweilen umfangreiche und manchmal intransparente und schwer zu überwachende Kreditbedingungen von klassischen Bankfinanzierungen. Die Platzierung am Kapitalmarkt, unter Vorgabe von einheitlichen Darlehensbedingungen durch den Darlehensnehmer, erfüllt auch Compliance-Bedürfnisse des Darlehensnehmers, da damit die Angebote der Finanzierungspartner tatsächlich vergleichbar sind.

Schwer vergleichbar

Hypothekenbanken weisen (häufig als Folge der individuellen Erkenntnisse aus der Finanzmarktkrise) untereinander abweichende Darlehensbedingungen auf, die die Angebote trotz Zins-, Kosten- und Bereitstellungsprovisionsangaben schwer vergleichbar machen. Eine "faire" Ausschreibung eines Senior Loans unter verschiedenen Kreditinstituten wird dadurch erschwert. Ein Thema, das in Zeiten gesteigerter Transparenzanforderungen Diskussionen zur "good" Corporate Governance und eventuellen Haftungsfragen bei Compliance-Verstößen gegebenenfalls noch an Bedeutung gewinnen könnte.

Die Platzierung eines Schuldscheindarlehens ist - außer eventuell bei einer Erstplatzierung - nicht zeitaufwendiger als eine Finanzierungsanfrage, da die Gremienentscheidungen bei den Finanzierungspartnern ähnlich terminiert sind. Bei Banken, die in beiden Produkten agieren, sind die "Anleger" in Schuldscheindarlehen häufig schneller als die Kreditabteilungen mit Finanzierungsentscheidungen und die zusätzliche Begutachtung durch einen Gutachter der Hypothekenbank (verbunden mit Kosten und Restunsicherheit) entfällt.

Es ist aber zu beachten, dass bei einem Schuldscheindarlehen meist kürzere Laufzeiten (bis 10 Jahre) vereinbart werden. Da der Markt für dieses Produkt noch relativ neu ist, vor allem mit konkurrenzfähigen Margenvorstellungen, bleibt abzuwarten, ob bei Fälligkeit der Markt für Schuldscheindarlehen dann ebenso aufnahmefähig für eine Prolongation beziehungsweise Ablösung durch ein neues Darlehen ist - gegebenenfalls muss dann eine Umschuldung mittels eines klassischen Hypothekendarlehens erfolgen.

Margen deutlich gesunken

Die Margen für Schuldscheindarlehen sind in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Während die Kosten für unbesicherte Tranchen - je nach Bonität des Schuldners - auf zirka 200 Basispunkte gesunken sind, werden besicherte Schuldscheindarlehn bis 60 Prozent des Markt- beziehungsweise Verkehrswertes (nicht des hypothekarischen Beleihungswertes) bereits im Einzelfall, zum Beispiel bei gewerblichen Immobilien mit zirka 100 Basispunkten, angeboten. Damit sind die Konditionen durchaus wettbewerbsfähig im Vergleich zu Margenangeboten von Hypothekenbanken für erstrangige, Pfandbrief-refinanzierte Hypothekendarlehen im gewerblichen Bereich.

Ein Emittent eines Schuldscheindarlehens benötigt eine gewisse Infrastruktur zur Erfüllung der Reporting-Pflichten und Covenant-Berechnungen (und -Forecasts). Dann ist die Platzierung eines Schuldscheindarlehens in heutigen Zeiten aber auch eine geeignete Alternative beziehungsweise Ergänzung der Finanzierungsmöglichkeiten im erstrangigen Bereich. Damit kann eine zu starke Abhängigkeit vom eher zyklisch agierenden Bankenmarkt vermieden werden. Ein Investment-Grade-Rating hilft bei der Platzierung, ist aber nicht Voraussetzung.

Die Hypothekenbanken werden dieser Konkurrenz aktiv begegnen und ihre Bedingungen vereinfachen sowie eigene Stärken stärker ausspielen müssen. So sind Schuldscheindarlehen beispielsweise nicht mit einer Forward-Konstruktion (dies bedeutet, dass der Platzierungserlös erst später - innerhalb einer vereinbarten Frist - einseitig vom Emittenten abgerufen werden kann) platzierbar. Andernfalls werden die Banken weitere Marktanteile an alternative Finanzierungsformen und -anbieter, diesmal auch in "kleinteiligeren" Bereich ihres Kerngeschäftsfeldes, verlieren. Für Investoren ist es auf jeden Fall interessant, dass es derzeit eine "neue" Alternative zur Finanzierung mit konkurrenzfähigen Konditionen gibt. Wie nachhaltig sich dieses Produkt, insbesondere auch in einem veränderten Zinsumfeld, im Markt etablieren kann, bleibt abzuwarten.

Der Autor

Dr. Michael Piontek Finanzvorstand, POLIS Immobilien AG, Berlin

Dr. Michael Piontek , CFO , POLIS Immobilien AG, Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X