Schwerpunkt: Alternative Finanzierung

Wachstumsfinanzierung per Anleihe - Erfahrungen eines Mittelständlers

Mittelstandsanleihen sind der schnelle und unkomplizierte Weg für jedes Unternehmen, um Geld für weiteres Wachstum zu generieren. Sie bieten auf jeden Fall bessere Konditionen als Bankkredite, ohne besondere Anforderungen an den Emittenten zu stellen. Diesen Eindruck konnte man zumindest im Jahr 2010 und den ersten Monaten 2011 gewinnen, als die Mittelstandsbond-Euphorie einen Höhepunkt erreichte. Die Sichtweise ist natürlich falsch, denn die Wachstumsfinanzierung über eine Mittelstandsanleihe ist weder per se unkompliziert, noch ein Selbstläufer. Und die billigste Variante muss sie ebenfalls nicht sein. Kann sie aber - und dann sind Mittelstandsanleihen in der Tat ein geeignetes Instrument, um mittel- bis langfristig verfügbares Kapital einzusammeln.

Pioniertat der Börse Stuttgart

Der Siegeszug der Mittelstandsanleihe begann vor rund 18 Monaten, als die Börse Stuttgart die Gründung von "Bondm" bekannt gab, einem Segment speziell für solche Wertpapiere. Vorher waren Anleihen mit einem Volumen von unter 100 Millionen Euro eine Rarität. Kleinere Eigenemissionen im Direktvertrieb wie etwa jene der Wurstwarenfabrik Zimbo wurden gemeinhin als eher exotisch angesehen.

Entsprechend war "Bondm" eine Pioniertat auf dem Weg zur "Volksanleihe", weitere Segmente für Mittelstandsanleihen folgten an den Börsen Frankfurt, Düsseldorf, München und Hamburg/ Hannover. Durch kleine Stückelung, erhöhte Transparenz- und Publizitätsverpflichtungen in Verbindung mit Liquidität durch die Einbeziehung in den Börsenhandel wurde ein Rahmen geschaffen, mit dem Anleihen auch für Privatinvestoren deutlich attraktiver wurden.

Gleichzeitig wurden von den Börsen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, mit denen Privatanleger direkt zur Emission zeichnen können, auch die Unternehmenshomepage als direkte Zeichnungsmöglichkeit ohne Einschaltung einer platzierenden Bank gewann an Bedeutung. Damit hatten Mittelständler plötzlich eine erweiterte potenzielle Investorengruppe für Anleihen, die auch kleinere Losgrößen ab 1000 Euro ins Depot nahmen, sodass nunmehr auch Anleihevolumina ab etwa 20 Millionen Euro besser platzierbar wurden.

Der Erfolg von Mittelstandsanleihen bei Privatanlegern lag - neben den geschilderten Rahmenbedingungen - auch im günstigen Marktumfeld begründet. Der Anleiheboom begann just zu dem Zeitpunkt, als die Anlagealternativen im Bereich Fest- und Tagesgeld für Investoren wegen magerer Renditen kaum attraktiv waren. Gerade Privatanleger waren offenbar vielfach der Auffassung, dass zwischen Tagesgeld mit einem Prozent Rendite und Anleihen mit 600 bis 700 Basispunkten mehr Rendite nahezu kein Risikounterschied bestünde und mithin die Anleihe die weitaus bessere Alternative darstellte. Entsprechend leicht wurde es Unternehmen gemacht, Geld über Anleihen aufzunehmen, die in der Regel auch schnell und vollständig platziert wurden.

Ende der Euphorie

Mittlerweile hat sich der Markt grundlegend geändert. Vollplatzierungen gibt es kaum noch und viele Mittelstandsanleihen haben es schwer bei Investoren. Längst müssen Emittenten mit freiwilliger Zusatztransparenz, Covenants und eventuell zusätzlichen Sicherheiten aufwarten, um einen zufriedenstellenden Platzierungserfolg zu erreichen. Und Unternehmen müssen sich noch kritischer als zuvor fragen, ob eine Anleihe für sie wirklich die geeignete Finanzierungsform darstellt.

Trotzdem kann die Mittelstandsanleihe ein attraktives Finanzierungsinstrument sein. Sie konkurriert dabei in der Regel mit dem klassischen Bankkredit. Diesen zur Wachstumsfinanzierung zu bekommen, ist für viele Mittelständler bekanntermaßen immer noch nicht einfach. Gerade bei Volumina im zweistelligen Millionenbereich schrecken viele Geldinstitute vor Krediten an den Mittelstand zurück. Die steigenden Eigenkapitalanforderungen an Banken wirken zusätzlich erschwerend bei der Kreditvergabe. Nicht zuletzt weil umfangreiche Kredite für Mittelständler natürlich, gerade bei kleineren, regionalen Instituten, mit einem deutlichen Klumpen-Ausfallrisiko verbunden sein können. Eine Anleihefinanzierung, bei der sich das Ausfallrisiko auf viele Investoren verteilt, hat es in dieser Situation oft einfacher.

Für das jeweilige Unternehmen sind neben der Frage, ob sich die Alternative Bank oder Bond überhaupt stellt - die Konditionen der entscheidende Vergleichsfaktor. Der reine Nominalzinssatz ist als Maßstab wenig geeignet, sind doch auf der Kostenseite stets auch zusätzliche Aufwendungen zu berücksichtigen. Zudem ist beim Vergleich zwischen Bankkredit und Anleihe zu prüfen, in welcher Konstruktion das Unternehmen über größere Freiheitsgrade in der zukünftigen Entwicklung verfügt. Werden Mittelstandsanleihen zum Beispiel als herkömmliche Straight Bonds mit festem Kupon und fixer Laufzeit ohne Kündigungsrechte begeben, können die Mittel über die gesamte Laufzeit vom Unternehmen verwendet werden. Bankkredite sind vor allem dann problematisch, wenn kurzfristig Kündigungsrechte seitens der Bank bestehen.

Der Kupon für Mittelstandsanleihen mit einem Rating im Investmentgrade (also mindestens "BBB minus") liegt derzeit zwischen etwa 6,5 Prozent und gut 8,0 Prozent per annum. Trotz niedriger Kapitalmarktzinsen hat der zunehmende Emittentenwettbewerb in den vergangenen Monaten hier zu einer Erhöhung geführt. Einen Zinsabschlag können Unternehmen in Maßen erreichen, indem sie beispielsweise zusätzliche Sicherheiten für die Anleihegläubiger bereitstellen. Die Eyemaxx Real Estate AG beispielsweise hat bei ihrer Anleiheemission im Sommer 2011 ein umfangreiches Immobilienportfolio, das überwiegend im Privatbesitz des Firmengründers und CEO befindlich ist, als grundpfandrechtliche Besicherung der Forderung der Anleihebesitzer zur Verfügung gestellt.

Vorteile der Anleihe

Immobilienunternehmen müssen natürlich abwägen, ob eine grundpfandrechtliche Besicherung von Objekten bei Banken nicht deutlich günstigere Konditionen verspricht, als sie eine Anleihe bieten kann. Tendenziell eher mit "ja" ist diese Frage bei klassischen Bestandshaltern zu beantworten. Projektentwickler hingegen, bei denen der Weiterverkauf von Immobilien innerhalb kurzer und mittlerer Frist Teil des Geschäftsmodells ist, können den kurzfristigen Kapitalbedarf des Einzelprojekts, der aber für das Unternehmen insgesamt langfristig ist, durch eine Anleihe zum Teil günstiger darstellen.

Ein weiterer Vorteil der Anleihe besteht, wenn die Mittel aus einer Besicherung bei künftigen Projekten als Eigenkapitalersatz eingesetzt werden können. Gerade bei Wachstumsunternehmen aber ist der Bedarf an eigenkapitalähnlichen Mitteln zu (günstigeren) Fremdkapitalkonditionen naturgemäß hoch.

Covenants, wie beispielsweise Ausschüttungssperren oder vorzeitige Rückzahlungsoptionen im Falle eines Kontrollwechsels im Unternehmen, vermögen in dieser Situation dem Anleihegläubiger zusätzliche Sicherheit über einen regelmäßigen Kapitaldienst und eine Rückzahlung des eingesetzten Kapitals zu geben. Sie sind deshalb bei Mittelstandsanleihen zu empfehlen, zumal sie auch von Banken in der Regel verlangt würden, besonders natürlich bei Non-Re-course-Finanzierungen.

Aufwand für die Bond-Emission

Die Nebenkosten einer Anleihe unterteilen sich in Einmalaufwendungen zur Emission und den Aufwendungen während der Laufzeit. Mittelstandsbonds, die auch Privatanleger adressieren, und gerade dies ist ein Schlüssel ihres Erfolgs, benötigen zunächst einmal einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt. Die Kosten für dessen Erstellung summieren sich schnell auf einen rund sechsstelligen Betrag, der für die Arbeit von Anwälten und Wirtschaftsprüfern anfällt. Das Zahlen- und Datenmaterial, das vom Unternehmen zur Verfügung gestellt werden muss, ist zudem erheblich. Auch das obligatorische Rating durch eine anerkannte Agentur ist mit Kosten und einem hohen Datenbedarf verbunden.

Wenn zudem eine Bank beziehungsweise Wertpapierhandelsbank mandatiert wird, um institutionelle Anleger für die Anleihe zu gewinnen, wird auf jeden Fall eine Platzierungs-Fee fällig, die sich üblicherweise im unteren einstelligen Prozentbereich des von dieser Klientel gezeichneten Volumens bewegt. Wird nur die rein technische Abwicklung der Börseneinführung der Anleihe bei einer Bank nachgefragt, fällt lediglich ein vergleichsweise niedriger Fixbetrag an. Dies setzt allerdings voraus, dass der Emittent sich selbstständig um die Platzierung kümmert, hier haben Unternehmen mit einer bekannten Marke oder einem am Markt bekannten Konsumprodukt einen Vorteil. Für Zeichnungen, die unmittelbar über die Bondsegmente der jeweiligen Börsen generiert werden, fällt zudem eine ans Volumen gekoppelte Gebühr an.

Um den Bond bei Investoren bekannt zu machen, ist zudem eine professionelle Medienarbeit notwendig, die Privatanleger und Institutionelle gleichermaßen adressiert. Um Privatinvestoren tatsächlich für den Bond zu begeistern, sind zudem Pressearbeit und gegebenenfalls auch Werbeanzeigen notwendig. Zudem muss in aller Regel der Internetauftritt zumindest überarbeitet und an den Auftritt am Kapitalmarkt angepasst werden. Nicht zu vernachlässigen sind die nichtmonetären Aufwendungen, die besonders während der Platzierungsphase der Anleihe anfallen: Der Zeitaufwand auch für das Management des Unternehmens ist bei einer Bondemission in aller Regel signifikant höher als wenn es gilt, einen Bankkredit zu erhalten.

Die laufenden Kosten während der Bondnotiz basieren überwiegend auf den Transparenzanforderungen der Bondsegmente der Börsen. Ein jährliches Folgerating der Anleihen zählt dazu, ebenso die Erstellung von Zwischenberichten und Jahresabschlüssen sowie eventuell weiterer Unternehmensmeldungen. Hierbei offenbart sich einmal mehr eine Eigenschaft der Anleihe, der sich der mittelständische Emittent bewusst sein muss: überdurchschnittliche Transparenz. Die "Meine Zahlen gehen die Öffentlichkeit gar nichts an"-Mentalität einiger Mittelständler lässt sich mit einer Bondemission nicht verbinden. Die Öffentlichkeitswirkung einer Anleiheemission kann aber auch in einen Vorteil verwandelt werden. Eine solide strukturierte und gut platzierte Anleihe schafft für ein Unternehmen zusätzliche Aufmerksamkeit, die langfristig das operative Geschäft und die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern positiv beeinflussen kann.

Im Vergleich

Eine Mittelstandsanleihe eignet sich besonders als Finanzierungsinstrument für Unternehmen, die eine Alternative zum Bankkredit oder teureren Eigenkapitalfinanzierungen suchen. Mittelstandsanleihen machen Volumina im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich möglich, bei denen Banken in der Vergabe sehr zögerlich sind. Zudem werden auch Privatanleger adressiert, deren Renditeerwartungen unterhalb derjenigen von Institutionellen liegen. Die Anleihefinanzierung ist aber weder weniger komplex noch schneller als andere Finanzierungsformen und die Marktselektion ist in den vergangenen Monaten schärfer geworden.

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