Leitartikel

Der Traum von Mobilität

Es gibt nicht viele, aber doch so einige Dinge, auf die man sich wirklich verlassen kann. Da ist das Wetter, das sich je nach Hahn auf dem Mist ändert oder bleibt wie es ist, nach uralter Bauernregel. Da sind Politiker: Egal, welche Steuersenkungen sie den Bundesbürgern vor der Wahl versprechen, spätestens Mitte der Legislaturperiode kommen Steuererhöhungen dabei raus. Und da sind auch die Kapitalmärkte, an denen stets ähnliche Verhaltensweisen und Schemata zu beobachten sind. Herrscht zu große Unsicherheit steigt der Preis von Rohstoffen, allen voran Gold, und Immobilien - unabhängig von rationalen oder gar fundamentalen Daten. Die Flucht in Beton ist hierbei allerdings wörtlich zu nehmen, denn die indirekte Anlage in Immobilien leidet mit den anderen Assetklassen erheblich mit. Der vom Bankhaus Ellwanger & Geiger gepflegte Immobilienaktienindex Dimax hat Ende 2008, mitten in den größten Turbulenzen der Finanzkrise einen Absturz nahezu auf den Nullpunkt, das Niveau bei seiner Einführung 1994 erlebt. Davon erholen sich die Kurse der Immobilienaktien nur mühsam und liegen aktuell auf Höhe der Werte von 1998/1999. Verglichen mit den Höchstständen vor vier Jahren hat der Dimax über die Hälfte seines Wertes eingebüßt, ein weitaus größerer Einbruch als der des Aktien-Leitindex Dax. Weit gefehlt also in der Annahme, dass die Volatilität von Immobilienaktien geringer ausfällt als bei anderen Wertpapieren.

Auch eine weitere indirekte Form der Immobilienanlage kommt aus den Negativ-Schlagzeilen nicht heraus: die Offenen Immobilienfonds. Geschlossen, um einen Run auf die Anlagegelder und damit einen Liquiditätsengpass zu vermeiden, schieben einige der Vehikel die Öffnung länger und länger vor sich her und es wird nun auch schon mal offen über eine Liquidation nachgedacht. Es könnte also der Super-Gau passieren: Das in die vermeintlich so sicheren Offenen Immobilienfonds investierte Geld ist weg. Die Unfähigkeit der Branche, Missstände selbst zu beseitigen (man hat sich lediglich auf einige wenige Mindeststandards in der jüngsten Novelle zum Investmentgesetz einigen können, aber keinesfalls die immerwährenden Liquiditätsfragen gelöst), hat nun die Bundesregierung auf den Plan gerufen, die mit dem gerade vorgelegten verschärften Diskussionsentwurf nicht nur gestaffelte Kündigungsfristen und Mindesthaltedauern von bis zu zwei Jahren anpeilt, sondern gleich den Börsenhandel der Anteile sowie einen pauschalen zehnprozentigen Abschlag auf den Wert der Objekte als Sicherheitspuffer anvisiert. Da kann der Bundesverband BVI noch so filigran herausstellen, dass die Schwankungsbreite Offener Immobilienfonds über einen Zehnjahreszeitraum deutlich geringer ausgefallen ist als beispielsweise bei Aktien- oder Rentenfonds. Denn man muss allerdings angesichts der Tatsache, dass einige der Vehikel jüngst Wertkorrekturen von 20 Prozent und mehr vornehmen mussten, zweifeln, ob dies so fortzuschreiben ist und ob, die alte Kritik, Anpassungen nicht viel zu lange aufgeschoben wurden. Ist das Ende dieser Assetklasse in gewohnter Form gekommen?

Drittens schließlich der ehemalige Hoffnungsträger, der deutsche Real Estate Investment Trust, kurz REIT. "REITs werden Anlegern erstmals gestatten, liquide, unkompliziert und transparent in deutsche Immobilienwerte zu investieren. Die börsentägliche Handelbarkeit macht den REIT zu einer kosteneffektiven Assetklasse, sie vereint Vorteile von Immobilieninvestments mit denen eines fungiblen Wertpapiers." So oder so ähnlich loben die Befürworter diese Anlageklasse stets. Die Wirklichkeit sieht leider sehr viel nüchterner aus. Bis heute hat kein REIT nennenswerte Volumen auf sich ziehen können, die Zahl der Anbieter ist sehr überschaubar. Das hat verschiedene Gründe: Andreas Mattner, Präsident des ZIA (Zentraler Immobilien

Ausschuss e. V.) hat in der Neujahrsausgabe von Immobilien& Finanzierung einige wesentliche Punkte für die bisherigen Schwachstellen genannt. Da ist zum einen das Verbot, in Wohnimmobilien zu investieren. Außerdem belasten die gesetzlichen Fristen. Kein Vor-REIT kannderzeit den Gang an die Börse wagen. Allerdings sind diese verpflichtet, den Schritt zum REIT innerhalb von drei Jahren zu vollziehen, um nicht bestimmte Steuervorteile, die den Vor-REITs als Starthilfe gewährt wurden, rückwirkend wieder zu verlieren. Und zusätzlich stören die Streu- und Höchstbesitzklauseln. Ein REIT kann seinen Status verlieren, wenn ein einzelner Aktionär in drei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren mehr als zehn Prozent der Anteile hält oder sich während dieses Zeitraums weniger als 15Prozent der Aktien im Streubesitz befinden. Darauf hat der REITallerdings keinen Einfluss! Auch hier mag Korrekturbedarf bestehen?

Die Startschwierigkeiten der REITs, das Straucheln der Offenen Immobilienfonds und der Preisverfall der Immobilienaktiengesellschaften - die geschlossenen Fonds mögen an dieser Stelle ob ihres geringen Marktvolumens vernachlässigt werden - zeigen vor allem das uralte Grundproblem. Gebäude sind, das sagt schon der Name, nicht mobil, sie sind nicht teilbar und damit nur sehr eingeschränkt börsentauglich. Egal in welcher Form man dies versucht, es scheint nicht zu funktionieren. Fungibilität, so die Definition, ist die Eigenschaft von Gütern, Devisen und Wertpapieren leicht austauschbar zu sein. Fungible Werte werden nicht individuell, sondern der Gattung nach bestimmt und können durch andere Stücke gleicher Gattung und Menge ersetzt werden. Doch genau dies trifft auf Immobilien nun einmal nicht zu. Ein Gewerbepark in London ist nicht eins zu eins gegen einen solchen in Budapest austauschbar. Und solange die Bewertung hier mehr Fragen offen lässt als Antworten gibt, wird sich daran auch nichts ändern. In einer Unternehmensbilanz wird - ob man es glauben mag oder nicht - ein Ergebnis ausgewiesen, und dieses ist im Großen und Ganzen mit dem anderer Unternehmen vergleichbar. Bei Immobilien wird der Substanzwert anhand unterschiedlicher Methoden nur einmal im Jahr ermittelt, allen Marktschwankungen zum Trotz. Erfolgt die Ermittlung auf Basis des vereinfachten Ertragswertverfahrens oder mit einem Gutachterwert? Ist die Discounted-Cash-Flow-Methode der Schlüssel zum Glück? Gibt es ausreichend in Datenbanken gesammeltes Material um eine Historie aufzeigen zu können?

Börse ist immer auch ein Stück weit Hoffnung. Die Beweglichkeit von Immobilien ist für viele ein Traum. Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Traum aufzugeben? P. O.

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