Im Blickfeld

Politischer Preisabschlag beim LEG-Verkauf in NRW

Mehr schlecht als recht hat Nordrhein-Westfalen jetzt seine Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) verkauft. Wie schon bei der Diskussion um die Zukunft der WestLB sorgten politische Interessen - oder sollte man besser sagen: Fehleinschätzungen - dafür, dass der optimale Zeitpunkt für die Transaktion verpasst wurde.

Wie sehr die Landesregierung unter Zugzwang stand, lässt sich allein schon am Preis ablesen: 3,4 Milliarden Euro für die rund 93 000 Wohnungen und 900 Gewerbeobjekte sind ein Schnäppchen. Umgerechnet auf die durchschnittlich 65 Quadratmeter pro Wohneinheit entspricht der Kaufpreis gerade einmal einem Quadratmeterpreis von etwa 550 Euro. Abzüglich der LEG-Schulden verbleibt nur ein Betrag von rund 700 Millionen Euro, der dem Land zufließt. Dabei wäre durchaus mehr zu erzielen gewesen.

Schlechter Zeitpunkt

- Der erste Malus war der Zeitpunkt des Verkaufs. Denn die Hochphase der großen Portfoliotransaktionen - vornehmlich im Wohnungsbereich - als noch wesentlich höhere Quadratmeterpreise erzielt wurden, ist längst vorbei. Der Markt steht nicht mehr unter dem massiven Anlagedruck wie noch vor Jahresfrist. Die Investoren, die in sehr kurzer Zeit mit sehr viel Kapital eine kritische Masse an Bestandsobjekten und Verwaltungskapazitäten aufbauen mussten, sind mittlerweile weitgehend versorgt. Entsprechend lassen sie sich heute nur noch widerwillig auf eine teure Versteigerungslösung ein und preisen die möglichen Kosten eines Nichtzuschlags in ihre Gebote ein.

Hinzu kommt, dass inzwischen auch die ausländischen Großeinkäufer gemerkt haben, dass der deutsche Wohnungsmarkt weit weniger Fantasie besitzt, als sie es erwartet hatten. Spekulative Entwicklungen bei Wohnungen, wie sie in anderen westeuropäischen Märkten zu beobachten waren, blieben hierzulande aus und sind auch in Zukunft nicht zu erwarten. Entsprechend haben sich auch die Hoffnungen der Investoren auf schnelle, zahlreiche und lukrative Mieterprivatisierungen oftmals nicht erfüllt.

Letztlich hat aber das Zögern und Zaudern der Landesregierung dazu geführt, dass nicht nur der optimale Verkaufszeitpunkt verpasst wurde, sondern dass sich durch die Finanzkrise der Kreis der Kauffähigen zwischenzeitlich erheblich eingeengt hatte. In hohem Maße Fremdkapital nutzende Investoren sind derzeit nicht mehr am Markt aktiv, weil sie entweder keine Finanzierung bekommen oder aber so viel Eigenmittel aufbringen müssen, dass sich ihr Geschäftsmodell nicht mehr rechnet. So hat dem Vernehmen nach auch der jetzt ausgewählte Käufer Whitehall, ein Immobilienanlagevehikel der US-Investmentbank Goldman Sachs, entgegen seiner früheren Praxis die Akquisition komplett aus Eigenmitteln finanziert.

- Der zweite Malus ist eine Sozialcharta, die für den LEG-Käufer verpflichtend ist. Dass die Regelung relativ weitreichend ist, zeigt, wie gering die Widerstandsfähigkeit der Landesregierung gegenüber öffentlichem und politischem Druck ist. Dabei ist der Nutzen der Regelungen fraglich. So ist kaum einsichtig, warum über 60-jährigen Mietern ein lebenslanges Wohnrecht zugestanden wird. Erstens weist diese Mietergruppe ohnehin eine höhere Objekttreue als junge Menschen auf. Zweitens sind die Senioren als Stabilisator im Mietermix bei Vermietern ohnehin eine gern gesehene Kundschaft. Und drittens gilt das Wohnrecht nur für das konkrete Mietobjekt, sodass die natürliche Fluktuation dafür sorgen wird, dass in einem überschaubaren Zeitraum von wenigen Jahren diese Ansprüche der älteren Mieter kaum noch eine Rolle im Bestand spielen werden.

Den Verkaufserlös belastet hat auch der fünf Millionen Euro umfassende Fonds für notleidende Mieter, den Whitehall einrichten muss. Hierbei darf gefragt werden, ob eine solche Vorgabe nötig war. Denn aus Investorensicht ist der Fonds unproblematisch, stellt er doch nur eine Art Risikovorsorge dar. Diese wäre ohne politischen Zwang vielleicht sogar höher ausgefallen und damit für die betroffenen Mieter besser gewesen. Insgesamt scheint ein so umfassender Mieterschutz, wie er beim LEG-Verkauf vorgeschrieben wurde, kaum nachvollziehbar, da rund 70 Prozent des Bestandes Sozialwohnungen sein sollen, die ohnehin mit besonderen Rechten versehen sind.

Teure Auflagen

Dass die Charta darüber hinaus vorschreibt, der Investor dürfe pro Jahr maximal 2,5 Prozent der Wohnungen an Kapitalanleger veräußern, mag noch als Bremse gegen das Filetieren der Bestände und das Durchhandeln von Objekten verstanden werden. Doch auch hier werden die Bieter die Einschränkungen ihrer geschäftlichen Optionen zu bewerten gewusst haben. Gleiches gilt für das Gebot, einen Mindestbetrag in die Objektpflege zu investieren. Auch der zehnjährige Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen für die 950 LEG-Mitarbeiter wird der Erwerber als Risiko ansehen und mit entsprechenden Kosten im Kaufpreis berücksichtigt haben.

Fehlt bei den politischen Entscheidern demnach das wirtschaftliche Verständnis? Mitnichten. Dem nordrhein-westfälischen Finanzministerium ist die Differenz zwischen dem realisierten Kaufpreis und dem LEG-Wert ohne Sozialcharta durchaus bewusst. Denn das Land hat auf einen dreistelligen Millionenbetrag verzichtet. Dem Steuerzahler wird noch sehr genau zu erklären sein, warum dieses "Geschenk" von allgemeinem Nutzen sei. Beschenkt wurden nämlich nicht die Mieter.

Whitehall - in der öffentlichen Diskussion von den Verkaufsgegnern gerne als "Heuschrecke" gebrandmarkt, mag die Charta hin und wieder als störend empfinden, nachhaltig einschränken wird sie die Aktivitäten aber nicht. Denn der eigentliche Renditehebel sind nicht die Mieterhöhungen, sondern die Beseitigung von Leerstand und ein effizientes Finanzmanagement. Bei 2,7 Milliarden Euro Schulden, die auf den LEG-Beständen lasten, dürfte das Optimierungspotenzial gewaltig sein. Dass der Investor diese Herausforderungen bewältigen kann, hat er bereits bei der Berliner GSW bewiesen. (Red.)

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