Unternehmen und Märkte

Wohnungsmärkte im Stimmungshoch

Dynamisch, aber differenziert entwickeln sich die deutschen Wohnimmobilienmärkte. So ziehen seit 2010 die Mieten an, die Zahl der Transaktionen und die Preise steigen, auch die Baugenehmigungen und Fertigstellungen nehmen wieder zu. Zu diesem Ergebnis kommt ein zum Jahresende 2011 vorgelegter Bericht des Bundesinstituts für Bau, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Nachdem die Neubautätigkeit seit Mitte der neunziger Jahre stetig abnahm, war 2010 der vorläufige Tiefpunkt durchschritten. Dass angesichts eines nur minimalen Zuwachses der Neubauzahlen um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr trotzdem von einer Trendumkehr gesprochen werden kann, dafür sprechen die Baugenehmigungen. Ihre Zahl stieg 2010 immerhin um sieben Prozent und allein im ersten Halbjahr 2011 um 28 Prozent. Für 2012 wird eine weitere Zunahme erwartet.

Das Gros der Baugenehmigungen betrifft den Ein- und Zweifamilienhausbau. Doch mittlerweile finden 80 Prozent der Investitionen im Wohnungsbau in Bestandsobjekten statt. Umbau, Sanierung und Modernisierung - angeregt zum einen durch neue Gesetze und Verordnungen und zum anderen durch staatliche Zuschüsse und zinsgünstige Kredite der Förderbanken. Seit 2006 fördert der Staat energieeffiziente Sanierungen im Bestand und die Errichtung von Neubauten. Für 2,5 Millionen Wohnungen ist die Förderung genutzt worden, die damit Investitionen in Höhe von 85 Milliarden Euro anregte.

Also keine Spur von Krise? Mitnichten. Die Zahlen zeigen vielmehr, dass institutionelle und zunehmend auch private Investoren in die (Wohn-)Immobilie als Kapitalanlage "flüchten" und ihre Bedeutung gegenüber anderen Anlageformen deutlich zunimmt. Obwohl den deutschen Wohnungsmarkt eine vergleichsweise geringe Volatilität auszeichnet, sind in den Ballungsräumen teils kräftige Preisanstiege zu beobachten. Das spricht dafür, dass die Investoren ihre Renditeerwartungen gegenüber dem Sicherheitsgedanken zurückstellen. Doch nicht nur die Angst vor Kapitalverlust treibt die Anleger. Stabile Einkommen, niedrige Zinsen, staatliche Fördermittel und eine demografisch bedingte wachsende Wohnungsnachfrage lassen das Interesse an Wohneigentum steigen.

Allerdings setzt sich die seit Jahren zu beobachtende regionale Spaltung der Immobilienmärkte fort, wie auch die jüngsten BBSR-Analysen bestätigen. In den ohnehin teuren Prosperitätsregionen in Nord-, West- und Süddeutschland werden die höchsten Preis- und Mietsteigerungen registriert. Vor allem München, Frankfurt am Main und Hamburg sind an dieser Stelle zu nennen. Hier bewegt sich das Mietniveau insgesamt nach oben und führt zu immer größeren Engpässen im Niedrigpreissegment. Positiv vermerkt der Bericht jedoch, dass das hohe Investoreninteresse an diesen "Wachstumsinseln" auch die Neubautätigkeit beflügelt.

Im Gegensatz dazu stagnieren die Mieten und Preise in den Regionen, die Bevölkerungsverluste durch hohe Abwanderung und geringe Geburtenzahlen verzeichnen. War diese Entwicklung bislang hauptsächlich in weiten Teile Ostdeutschlands zu beobachten, so sind inzwischen auch das Ruhrgebiet, Teile Nord- und Ostbayerns sowie Niedersachsen betroffen. Hier steigen die Leerstände und damit die Investitionsrisiken. Folglich unterbleiben hier zum Beispiel energetische Sanierungen sowie Objekt- und Wohnumfeldaufwertung häufiger. Wohnungen in Randlagen verlieren an Attraktivität für die Mieter und Käufer und werden abgerissen.

"Begehrteste Wohnform der Deutschen bleibt das selbst genutzte Wohneigentum", stellt das BBSR fest. Mittlerweile leben 43,2 Prozent der Haushalte in der eigenen Wohnung, bezogen auf die Zahl der Personen sind es früheren Erhebungen von Empirica und LBS Research zufolge sogar 52 Prozent. Allerdings konzentriert sich die Nachfrage vor allem auf Bestandsobjekte. Als Ursache für den hohen Anteil "gebrauchter" Immobilien an den Transaktionen ist einerseits der nach wie vor geringe Neubau, andererseits ein Generationenwechsel bei den Hauseigentümern, die ihre Objekte entweder vererben oder sich eine Wohnung suchen, die zu ihrer veränderten Lebenssituation besser passt.

Gleichzeitig hat das Mietwohnungssegment eine große Bedeutung für die Wohnraumversorgung. Allerdings ist der Markt von einer kleinteiligen Vermieterstruktur geprägt. So entfallen rund 60 Prozent der etwa 24 Millionen Mietwohnungen auf Kleinvermieter. Lediglich in den Städten dominieren institutionelle Anbieter, teilweise aus dem Ausland, den Markt.

Aufgrund des großen Interesses professioneller Investoren am deutschen Wohnungsmarkt nehmen auch die Transaktionen von Wohnimmobilienportfolios wieder zu. Bereits in der ersten Jahreshälfte 2011 belief sich nach Erhebungen des Maklerhauses Jones Lang Lasalle das Transaktionsvolumen auf 3,1 Milliarden Euro - soviel wie im gesamten Jahr 2010. Mitte Dezember waren mehr als 220 Portfolios mit einem Investitionsvolumen von 5,5 Milliarden Euro gehandelt worden - deutlich mehr als in den drei Jahren zuvor. Davon entfielen 4,4 Milliarden Euro auf Immobilien-Aktiengesellschaften, Fonds und Banken.

Mit insgesamt rund 150000 Einheiten wurden knapp dreimal so viele Wohnungen gehandelt wie 2010. Auch darin ist ein Indiz für die Hinwendung der Investoren zu Sachwerten mit stabilen Erträgen zu sehen, nachdem die Risiken an den Finanz- und Aktienmärkten zugenommen haben.

Die mit Abstand größte Transaktion war der Börsengang der GSW Immobilien AG. Für etwa 50000 Wohnungen wurden von den Eigentümern - Cerberus und der zu Goldman Sachs gehörende Whitehall-Fonds - bei einer Platzierung von 80 Prozent im ersten Quartal 2011 immerhin 633,4 Millionen Euro erzielt. Die übrigen 20 Prozent kommen voraussichtlich 2012 für schätzungsweise 170 Millionen Euro auf den Markt. Zweitgrößte Transaktion war die Mehrheitsübernahme der Colonia Real Estate mit mehr als 18000 Wohnungen durch die TAG Immobilien AG.

Außerdem übernahm Blackstone für 220 Millionen Euro im dritten Quartal 2011 fast 7000 Wohnungen der insolventen Wohnungsgesellschaft Level One. Darüber hinaus wechselte das Pegasus-Portfolio für 330 Millionen Euro von der Gagfah an die GSW. Überhaupt stellt Berlin derzeit den Markt mit den größten Aktivitäten dar. Für 2,3 Milliarden Euro wurden in der Bundeshauptstadt Wohnungsportfolios mit insgesamt 76000 Einheiten veräußert.

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