Im Blickfeld

Northern Rock - Täter und Opfer?

Die Krise des britischen Immobilienfinanzierers Northern Rock zeigt, wie fragil das Vertrauen der Kunden in ihre Bank und das Finanzsystem sein kann. Dabei ist das Kreditinstitut sicherlich zum Teil Opfer ungünstiger und zuweilen übertriebener Marktreaktionen sowie unzulänglicher Sicherungsmechanismen, denn dem Kreditbuch bescheinigt zumindest Fitch Ratings eine gute Qualität. Northern Rock ist aber vor allem auch Täter. Denn wer kurz vor der Illiquidität noch vollmundig verkündet, dass es keine Probleme bei der Refinanzierung seiner umfangreichen Kapitalmarktvehikel gäbe, verschärft die ohnehin massive Vertrauenskrise. Hatten nicht bereits andere Immobilienfinanzierer wie die Halifax Bank of Scotland (HBOS) oder Nationwide Probleme bei der Refinanzierung? Sie mussten ihre strukturierten Covered Bonds mit deutlich erhöhten Spreads in den Markt drücken - und dabei zum Teil noch schlechtere Preise akzeptieren als erwartet.

Rettungsaktion schafft Probleme

Die Probleme waren also bekannt. Daher mag es wie Ironie erscheinen, dass gerade die ansonsten zurückhaltende Bank of England mit ihrem Eintreten als Lender of Last Resort den bereits ins Rollen gebrachten Stein nicht aufzuhalten vermochte, sondern ihm ungewollt noch einen Tritt gab. Denn erst die Ankündigung der Notenbank, eine Notfazilität in ungenannter, aber "substanzieller" Größenordnung für Northern Rock bereitzustellen, hat den Run der Bankkunden auf ihre Einlagen ausgelöst. Dies mag dem widersprechen, was als ökonomische Vernunft bezeichnet wird, doch kann den kontoplündernden Kleinsparern kein Vorwurf gemacht werden, wenn zuvor schon die Kapitalmarktakteure, denen tiefere Einblicke in das Geschäftsgebaren der Bank unterstellt werden darf, kein Vertrauen mehr haben.

Dass die britische Regierung zur Beruhigung der Privatkunden und zur Stützung der Bank Garantien für Kundeneinlagen geben muss, steht den sonst hochgehaltenen Prinzipien vom freien Spiel der Marktkräfte deutlich entgegen und ist ordnungspolitisch bedenklich. Dass am Ende der Steuerzahler die Zeche dafür bezahlen muss, weil sich eine Bank passivseitig verzockt hat, könnte als falsches Signal im Markt ankommen. Die Notenbank warnte zu Recht vor einem Moral-Hazard-Problem und hat sich aus gutem Grunde lange - manche kritisieren: zu lange - gegen Stützungsmaßnahmen für Northern Rock gesträubt.

Aber auch das ungünstige Zusammenwirken der britischen Finanzmarktgesetze ließ wohl die Notenbank zögern, denn das Einräumen einer Notlinie kann nicht unauffällig geschehen, sondern muss öffentlich angezeigt werden. Das verunsichert jedoch zwangsläufig Kunden und Kapitalmarktpartner und verschärft damit die Liquiditätskrise, statt sie zu heilen. Mehr Vertrauen schafft hier wohl nur die Verbesserung des Einlagensicherungssystems, wie Analysten diagnostizieren. Dabei müssten risikoreichere Engagements mit deutlich höheren Einzahlungen in den Sicherungsfonds "bestraft" werden.

Zumindest haben die Garantien der britischen Regierung den Bank-Run der Privatkunden vorerst gestoppt, sodass Fitch Ratings in seiner jüngsten Analyse Northern Rock zumindest wieder als solvent bezeichnen kann. Für die Zukunft der Bank macht die Ratingagentur drei mögliche Wege aus: erstens die Änderung des Geschäftsmodells hin zu solideren Immobilienfinanzierungen und einer Zurückführung des Anteils der Refinanzierung über den Kapitalmarkt, zweitens eine Aufgabe des Geschäftes und drittens die Übernahme durch einen in- oder ausländischen Wettbewerber. Die letztgenannte Option ist jedoch in der jüngsten Vergangenheit öfter diskutiert und angestrebt worden. HBOS und HSBC waren dabei als aufnehmende Institute schon im Gespräch. Doch angesichts der Tatsache, dass Übernahmen dieser Größenordnung an den Kapitalmärkten derzeit nur zu höheren Kosten finanzierbar sind, hält sich die Bereitschaft in Grenzen.

Marktstabilisierung erwartet

Ohnehin werden die aktuellen Probleme von Northern Rock von den britischen Immobilienfinanzierern zwar mit einiger Sorge, aber auch einer gewissen Genugtuung gesehen. Denn dem Kreditinstitut und seiner aggressiven Vertriebspolitik wird eine nicht unwesentliche Schuld am Margenverfall auf dem britischen Wohnungsmarkt gegeben. Gegenfinanziert wurde diese volumengetriebene Kreditvergabe durch massive Kapitalmarktaktivitäten, deren Anteil an der Refinanzierung mit rund 72 Prozent weit über dem anderer Banken lag.

Folglich rechnet Fitch Ratings in Zukunft mit einer Verschärfung der Kreditvergabekriterien und einer nachhaltigen Verbesserung der Margen. Weil sich jedoch gleichzeitig die Konjunktur des Eigenheimmarktes deutlich eingetrübt hat, dürften die meisten Banken mit rückläufigem Kreditneugeschäft und sinkenden Zinseinnahmen konfrontiert werden. Insgesamt aber schätzt die Ratingagentur die Auswirkungen der Northern-Rock-Krise als eher gering ein, denn die Rentabilität der Banken sei trotz der niedrigen Hypothekenmargen hoch gewesen, Rückstände seien auf einem historisch niedrigen Niveau und die meisten Institute seien gut kapitalisiert. Das klingt fast schon wieder zu schön. Doch man mag bedenken, dass auch Ratingagenturen mit ihren Urteilen in der Vergangenheit mitunter daneben lagen. (Red.)

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