Pro und Kontra

Sind Investitionen in Bestandswohnungen risikoärmer als in Neubauten?

PRO

Mehr Sicherheiten beim Bestandserwerb

Bestandsimmobilien sind derzeit stark nachgefragt. Dass Menschen, die in ihre eigenen vier Wände investieren wollen, sich zunehmend für die gebrauchte Immobilie und damit gegen den Neubau entscheiden, zeigt eine Umfrage von TNS Infratest. Demnach wollen 70 Prozent der Kaufwilligen eine Bestandsimmobilie erwerben. Dies ist ein bemerkenswerter Anstieg gegenüber einer Umfrage aus dem Jahr 2005, bei der dieser Anteil noch 58 Prozent ausmachte.

Für zwei von drei Befragten ist der im Vergleich zum Neubau günstigere Kaufpreis der Grund, warum eine Bestandsimmobilie zu bevorzugen ist. Dies ist in der Tat eines der wichtigsten Argumente für "gebrauchte" Immobilien. Neue Wohnungen sind nicht nur teurer als gebrauchte, sondern sie verlieren oftmals in den ersten Jahren nach der Anschaffung erst einmal an Wert.

Für 36 Prozent der Befragten war das geringere Risiko der Grund, weshalb sie eine Bestandsimmobilie einem Neubau vorziehen. Der Erwerb eines Neubauprojekts vor Fertigstellung birgt in der Tat ein höheres Risiko als der einer gebrauchten Immobilie. Zwar zahlt er in der Regel nach Baufortschritt - die Raten dafür sind in der Makler- und Bauträgerverordnung festgelegt. Wenn der Bauträger jedoch während der Bauphase in die Insolvenz geht, gibt es dennoch das Problem, jemanden zu finden, der ohne große Zeitverzögerung die Immobilie fertigstellt.

Wie aus den Berichten vom TÜV oder der Dekra immer wieder hervorgeht, sind bei Neubauimmobilien häufig Baumängel durch Pfusch am Bau festzustellen. Oftmals treten sie erst nach Monaten oder gar nach Jahren zutage und können bei der Übernahme der Immobilie durch den Eigentümer nicht erkannt werden. Im Gegensatz dazu lassen sich beim Erwerb einer Eigentumswohnung ernsthafte Mängel rasch feststellen. Hierzu müssen lediglich die Protokolle der Eigentümerversammlung der letzten Jahre eingesehen werden.

Ein weiteres Argument für den Erwerb einer Bestandsimmobilie im Gegensatz zu einem Neubau ist die Lage. So gab immerhin jeder siebte Befragte an, einfach kein geeignetes Neubauangebot in der gewünschten Lage beziehungsweise Größe zu finden. Dagegen befinden sich Bestandswohnungen meist in etablierten Lagen mit guter infrastruktureller Anbindung, während Neubauten in vielen Städten kaum noch möglich sind und daher nicht selten auf der "grünen Wiese" stattfinden. Doch sowohl ältere wie auch jüngere Menschen schätzen zunehmend fußläufige Distanzen und urbanes Wohnen. Der Trend geht zurück in die Städte und damit auch zur Bestandswohnung.

Jeder zweite bei der Infratest-Umfrage Befragte bevorzugt Gebrauchtimmobilien, weil diese schneller bezogen werden können als Neubauten. Der hohe Zeiteinsatz und Stress, der in Verbindung mit Neubauprojekten steht, schreckt viele potenzielle Käufer ab. Die Menschen sind ungeduldiger und hinsichtlich ihrer verfügbaren Zeit immer weniger bereit, Abstriche zu machen. In der Umfrage werden die Bedürfnisse von potenziellen Immobilienerwerbern deutlich. Diese sollten jedoch auch in der Politik berücksichtigt werden, wenn es beispielsweise um Debatten zur Wohnungsbauförderung geht.

So schlägt etwa der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) vor, dass bei energetischen Sanierungen Investitionen, ähnlich wie bei Denkmalschutzimmobilien, steuerlich erhöht absetzbar sein sollen. Derartige Begünstigungen hätten nicht nur positive Auswirkungen auf das Erreichen von Nachhaltigkeits- und Klimaschutzzielen, sondern würden auch die häufig schlechtere Energieeffizienz von Bestandsimmobilien, und damit deren Nachteil im Vergleich zum Neubau, kompensieren.

Der Autor Jürgen F. Kelber Geschäftsführender Direktor, conwert Immobilien Invest SE, Wien

KONTRA

Bestandswohnungen als Investitionsrisiko

Mehrere Milliarden Euro wollen Wohnimmobilienfonds in deutsche Wohnungen investieren. Auch bei Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerken ist eine Renaissance der Wohnimmobilie als Anlagevehikel zu beobachten. Zunehmend wird dabei über Investitionen in neu errichtete Wohnimmobilien nachgedacht. Insbesondere durch die breite Diskussion von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz wird Investoren stärker das Risiko bewusst, das sie mit Investitionen in den Bestand eingehen. Die meisten institutionellen Investoren planen eine längerfristige Anlage, und hier gewinnt insbesondere die Frage der Energieeffizienz an Gewicht.

Mieter kalkulieren - anders als Immobilienprofis - nicht mit der Nettokaltmiete, sondern mit der Bruttomiete einschließlich der Heizkosten. Bei neu errichteten Gebäuden, die in der Regel eine sehr viel höhere Energieeffizienz aufweisen als Bestandsimmobilien, sind die Heizkosten meist wesentlich geringer, was Investoren wiederum mehr Spielraum bei der Kaltmiete ermöglicht. So ist der Energieverbrauch eines unsanierten Hauses, das über 25 Jahre alt ist, etwa drei Mal so hoch wie der eines Neubaus.

Früher hatte das Argument der Energieeffizienz ein geringeres Gewicht. Durch den Anstieg der Heizkosten und durch die Einführung des Energiepasses, der bei jeder Neuvermietung vorgelegt werden muss, gewinnt dieser Aspekt jedoch an Bedeutung. Jeder Mieter kann anhand des Energieausweises einschätzen, wie energieeffizient - oder -ineffizient seine Wohnung ist.

Wer als langfristig orientierter Investor heute eine Immobilie erwirbt, muss sich allerdings auch die Frage stellen, ob diese in zehn Jahren am Markt noch wettbewerbsfähig sein wird. Dies ist bei vielen Bestandswohnungen fraglich, weil sie Probleme haben werden, im Wettbewerb mit den sehr viel energieeffizienteren Wohnungen zu bestehen, die heute oder in den nächsten Jahren errichtet werden.

Der Verbrauch einer Bestandsimmobilie kann zwar durch energetische Sanierung reduziert werden. Damit ein unsanierter Nachkriegsbau anschließend den heutigen energetischen Standards entspricht, müssen dafür nach Angaben des Verbands Privater Bauherren (VPB) jedoch rund 70000 Euro eingeplant werden. Unbedingt ratsam ist es zudem, die Meinung eines Sachverständigen einzuholen. Denn wenn die Maßnahmen nicht richtig auf das Objekt abgestimmt sind, können Bauschäden verursacht werden. Feuchtigkeit und Schimmel können die Folge sein.

Darüber hinaus vergehen meist viele Jahre, bis sich eine solche Investition finanziell lohnt. Der Immobilienvermittlungs- und -finanzdienstleister Planethome rechnet im Schnitt mit 20 Jahren, bis sich die Investitionskosten durch die Einsparungen amortisiert haben. In Anbetracht des langen Zeithorizonts bis zur Amortisation schrecken viele Eigentümer vor einer energetischen Sanierung zurück. Dies ist insbesondere bei älteren Eigentümern leicht verständlich, die nicht wissen, ob sich die Investition noch zu Lebzeiten rentieren wird.

Wenn Investoren heute dennoch vielfach eher in den Bestand als in Neubauobjekte investieren, dann hat dies erstens etwas mit den zu erzielenden Renditen und zweitens mit der Verfügbarkeit von Objekten zu tun. Wohnimmobilienfonds und institutionelle Investoren erwarten in der Regel eine laufende Ausschüttung von vier bis fünf Prozent. Die kann mit Neubauwohnungen meist nicht dargestellt werden, weil in Deutschland oft viel zu ineffizient und teuer gebaut wird.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass institutionelle Investoren ein großes Interesse an Neubauprojekten haben, wenn eine Anfangsrendite zwischen fünf und sechs Prozent erreicht werden kann. Dies ist zwar ein ambitioniertes Ziel, jedoch nicht unerreichbar. Es ist davon auszugehen, dass Neubau-Mehrfamilienhäuser zunehmend zu einem gesuchten Investitionsobjekt auch für institutionelle Investoren werden, da sie aufgrund der stark gesunkenen Bautätigkeit der letzten Jahre nur beschränkt verfügbar sind.

Der Autor Nils Olov Boback Geschäftsführer, NCC Deutschland GmbH, Fürstenwalde

Jürgen F. Kelber , Geschäftsführender Gesellschafter , Dr. Lübke & Kelber GmbH, Frankfurt am Main
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