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Wohnimmobilien: Auswahlkriterien institutioneller Investoren

Institutionelle Investoren entwickeln sich zunehmend zu einer der wichtigsten Nachfragegruppen auf den deutschen Immobilienmärkten. Über die konkreten Investitionsgründe im Einzelfall ist jedoch oft nur wenig bekannt. Das Anlageverhalten institutioneller Immobilieninvestoren wird zwar durchaus in unterschiedlichen Studien beleuchtet. In der Regel werden jedoch die Motive nur auf einer übergeordneten Ebene betrachtet - über Aspekte wie die Stabilität der Erträge, die favorisierten Nutzungen oder eine grobe Lageeinschätzung hinaus gehen viele Untersuchungen nur wenig in die Tiefe.

Informationen über Nutzungsart und Lage vorhanden

Ein Beispiel ist eine Untersuchung des Instituts für Immobilienmanagement der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. In einer Umfrage aus dem Sommer 2008 werden stabile Erträge als das wichtigste Kriterium für die Immobilienanlage institutioneller Investoren genannt. Bei den Nutzungsarten wird der Untersuchung zufolge insbesondere der Wohnimmobilie eine vergleichsweise hohe Ertragssicherheit zugesprochen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Assekuranz-Studie von Ernst & Young Real Estate aus dem Jahr 2009. Danach steht neben dem Büro- und Einzelhandelssektor eben auch das Wohnsegment im Fokus der befragten Versicherer. Die Studie hebt dabei das im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegene Interesse an Wohnimmobilien hervor. Weitere Aspekte, die untersucht wurden, betreffen die Lagekriterien bei Immobilieninvestments. So äußerten sich der Studie an der Universität Leipzig zufolge rund 80 Prozent der Befragten dahingehend, dass A-Standorte und Top-City-Lagen für den Portfolioaufbau in Deutschland bevorzugt werden. Zu den deutschen A-Standorten zählen der Umfrage gemäß Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und Stuttgart.

Annäherung an nächste Ebene über ein Fallbeispiel

Fragen auf der nächsten Ebene, beispielsweise ob institutionelle Investoren eher Altbau- oder Neubauimmobilien favorisieren, ob Nachhaltigkeitsaspekte bei der Investitionsentscheidung eine Rolle spielen oder welche Kriterien genau eine Top-Lage im Einzelfall ausmachen, wurden unseres Erachtens bislang nicht ausreichend untersucht. Der Annäherung an diese Fragen kann ein konkreter Verkaufsfall aus dem Jahr 2008 dienen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Pensionskasse der Bewag ein rund 100 Wohnungen umfassendes Portfolio im nördlichen Berliner Umland erworben. Das Investment umfasst eine Gesamtwohnfläche von knapp 8000 Quadratmetern, 30 Tiefgaragen- und 80 oberirdische Stellplätze sowie die Außenanlagen. In einer Befragung über die Investitionsgründe nannte die Bewag die Aspekte Lage und Renditeerwartung als wichtige Aspekte, gefolgt vom Baujahr der Immobilien und Nachhaltigkeitskriterien.

Lagekriterium

Auf einer Schulnoten-Skala von Eins bis Sechs bewertete die Pensionskasse die Bedeutung der Lage für die Ankaufsentscheidung mit Eins. Die erworbenen Wohnungen liegen in der Gemeinde Glienicke im Kreis Oberhavel, der nördlich an Berlin grenzt. Ein Grund dafür, dass sich die Pensionskasse für das Investment in Glienicke entschieden hat, dürfte die Bevölkerungsentwicklung sein, die wiederum die Nachfrage nach Wohnraum mitbestimmt. Der Kreis Oberhavel zählt einer Studie der Deutschen Hypothekenbank zufolge zu den Top-[5]-Kreisen der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Bis 2025 wird der Landkreis knapp 24 Prozent mehr Einwohner aufweisen als 2002. Bei der Zahl der Haushalte zeigt sich ein noch deutlicheres Bild: Hier wächst Oberhavel sogar um 43 Prozent.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der das Lagekriterium mitbestimmt, ist die lokale Kaufkraft. Glienicke ist einer Untersuchung von GfK Geomarketing zufolge die Gemeinde mit der höchsten Kaufkraft in den neuen Bundesländern. Sogar der wohlhabende Berliner Stadtteil Dahlem rangiert dahinter. Glienicker Bürger können für Lebensunterhalt und Konsum jährlich über 24 000 Euro ausgeben. Damit liegen sie deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 19000 Euro.

Renditekriterium

Neben der Lage schätzt die Pensionskasse auch die Bedeutung der zu erwartenden Rendite im Fall des Glienicke-Investments mit der Note Eins ein. Hierbei dürften insbesondere die im bundesweiten Vergleich günstigen Grundstückspreise in Berlin und im Umland eine wichtige Rolle gespielt haben. Hinzu kommt, dass NCC Deutschland als Projektentwickler und Verkäufer die Funktionen des Bauherrn, Architekten und Bauträgers vereint und dadurch die Baukosten niedrig gestalten kann.

Über die Höhe der erwarteten Rendite im konkreten Fall hat die Pensionskasse der Bewag zwar keine Angabe gemacht. Der Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch: NCC Deutschland hat durch die niedrigen Baukosten bereits Neubauwohnungspakete mit Nettoanfangsrenditen von über fünf Prozent verkaufen können.

Neben dem Kaufpreis dürfte außerdem die künftig erwartete Mietsteigerung eine Rolle für die Kaufentscheidung gespielt haben. Denn aufgrund der steigenden Nachfrage nach Wohnraum und der hohen Kaufkraft in der Gemeinde sind die Vorzeichen hier günstig.

Baujahr

Die Bedeutung des Aspekts Baujahr wurde mit der Note Zwei bewertet und zählt damit zu den vier wichtigsten Kriterien. Die Bewag-Pensionskasse hat sich in Glienicke für Neubauwohnungen entschieden. Ein wesentlicher Vorteil von Neubau- gegenüber Bestandswohnimmobilien sind die niedrigeren Instandhaltungskosten: Beim Altbau müssen erhebliche Instandhaltungsrücklagen gebildet werden, beim Neubau kaum. Die Annahmen, die Investoren in der Vergangenheit für die notwendigen Instandhaltungskosten beim Altbau getroffen haben, erwiesen sich häufig als zu optimistisch. Mit steigendem Alter der Bausubstanz steigen naturgemäß auch die Instandhaltungskosten - sie verdoppeln sich im Vergleich der ersten zur zweiten Lebenshälfte von Wohnimmobilien und steigen von durchschnittlich zwölf auf rund 24Euro pro Quadratmeter im Jahr.

Bei Neubauten hingegen fallen in den ersten zehn Jahren quasi keine Instandhaltungskosten an. Als Rücklage brauchen daher in dieser Zeit nicht mehr als ein bis vier Euro pro Quadratmeter zurückgestellt werden. Ein weiterer Vorteil: Die Wohnungen in Neubauten entsprechen eher den modernen Wohnbedürfnissen als Altbauten. Lange und zu große Flure, zu kleine Fenster oder Durchgangszimmer, wie sie in Altbauten teilweise zu finden sind, finden sich in Neubauten nicht. Aufgrund der frei planbaren Grundrisse sind auch die Wohnungsgrößen flexibel gestaltbar und können dem Trend nach mehr Wohnfläche folgen.

Nachhaltigkeitsaspekte

Die richtige Lage vorausgesetzt, führen diese Aspekte zu tendenziell höheren Mieten und niedrigeren Leerstandsrisiken - zumindest im Vergleich zu unsanierten Altbauten. Das Fazit der Bewag zur Auswahl von Neubauten: Ziel des Ankaufs sei die Optimierung des Portfolios zur Stabilisierung der Rendite für die Versorgungsverpflichtungen gewesen. Der Zukauf von Neubauten könne hier eine renditestarke Möglichkeit darstellen.

Dem Themenkomplex Nachhaltigkeit hat die Pensionskasse mit der Note Zwei ebenfalls eine hohe Bedeutung beigemessen. Insbesondere die Energieeffizienz war wichtig für die Ankaufsentscheidung. Die hohen gesetzlichen Standards im Neubau haben niedrigere Nebenkosten als in älteren Wohnungsbeständen zur Folge - dies erhöht die Marktfähigkeit der Wohnungen, da der Nebenkostenaspekt für die Nutzer immer wichtiger wird. Der Aspekt dürfte vor allem durch die zum Zeitpunkt des Ankaufs im Jahr 2008 besonders hohen Preissteigerungen bei Gas, Öl und sonstiger Haushaltsenergie ohne Strom beeinflusst gewesen sein: Von 2005 bis 2008 hat der Preisanstieg nach Angaben des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen über 40 Prozent betragen.

Trend zur Wohnimmobilie

Das Beispiel des Investments der Bewag-Pensionskasse in Glienicke nördlich von Berlin ist in vielen Punkten exemplarisch für das Investitionsverhalten im Wohnungssegment: In der jüngsten Vergangenheit wiesen die Pakete häufig nur eine zwei- bis dreistellige Zahl an Wohnungen auf, Investoren wie die Berliner Bewag erwerben Wohnungen tendenziell in der Region, in der sie selbst beheimatet sind, und die Faktoren Lage, Renditeerwartung, Baujahr und Nachhaltigkeit deuten auf das gestiegene Sicherheitsbedürfnis hin - das sich ja ohnehin bereits in der Entscheidung für die Nutzungsart Wohnen widerspiegelt.

Der Trend zur Wohnimmobilie ist auch bei indirekten Anlagen zu beobachten. Einer Umfrage von Feri Euro Rating zufolge planen institutionelle Investoren, insgesamt rund 2,7 Milliarden Euro in Fonds mit deutschen Wohnimmobilien zu investieren. Die Gründe dafür sind ähnlich wie beim Direkterwerb: Das Segment Wohnen ist in Deutschland risikoarm und bietet vergleichsweise stabile Erträge. Dennoch kann ein einzelnes Beispiel wie der Ankauf der Bewag-Pensionskasse naturgemäß nur sehr bedingt auf das generelle Anlageverhalten übertragen werden.

Anhaltende Entwicklung

Wohnimmobilien liegen im Trend - und dies dürfte auch in absehbarer Zeit so bleiben. So hat die Nutzungsart Wohnen beispielsweise dem Ernst & Young Trendbarometer 2010 zufolge bei institutionellen Investoren deutlich an Attraktivität gewonnen. Eine Umfrage im Rahmen des Trendbarometers zeigt, dass für Toplagen mehrheitlich mit steigenden Preisen gerechnet wird - das Wohnsegment schneidet im Vergleich zu den übrigen betrachteten Nutzungsarten Büro, Einzelhandel und Hotel insgesamt am besten ab.

Insbesondere periphere Lagen werden in den anderen Nutzungsarten kritisch gesehen, während bei Wohnimmobilien auch dort die positive Einschätzung überwiegt: Knapp 60 Prozent der Befragten erwarten selbst hier konstante oder steigende Preise. Dennoch ist davon auszugehen, dass vor dem Hintergrund des steigenden Sicherheitsbedürfnisses auch bei Wohninvestments wie im Fall der Pensionskasse langfristig eher Top-Lagen mit steigender Wohnraumnachfrage im Fokus der Investoren stehen werden.

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