Im Blickfeld

EZB ohne Einfluss auf Baugeld?

Mit mehreren Senkungen der Leitzinsen hat die EZB auf die Wirtschaftskrise reagiert. So hat sich das Zinsniveau seit Herbst letzten Jahres von 4,25 Prozent auf aktuell 1,00 Prozent reduziert. Die Folge ist, dass die Finanzmarktkrise ein verändertes Marktumfeld für die Baufinanzierer schafft, deren Auswirkungen über Jahre hinweg nachhaltig sein werden.

Bis Mitte letzten Jahres galten die Finanzvertriebe und insbesondere die freien Makler auf der Angebotsseite als Gewinner eines hart umkämpften Marktes, indem sie allein beeindruckende Wachstumsraten im zweistelligen Bereich verbuchen konnten. Als Verlierer wurde die klassische Filiale ausgemacht, für die weitere Marktanteilsverluste prognostiziert waren. Banken und "traditionelle" Marktteilnehmer standen im Zugzwang, auf die veränderten Wettbewerbsbedingungen entsprechend passende Antworten zu finden.

Mittlerweile sind aber die Anforderungsprofile der Kreditprozesse nahezu aller aktiver Marktteilnehmer - entsprechend dem Trend der Industrialisierung - neu organisiert worden, sodass sich hieraus nur noch geringe Wettbewerbsvorteile, beispielsweise in der Cost Income Ratio, ableiten lassen.

Wesentliches Entscheidungsmerkmal kommt aufgrund der Finanzkrise den Refinanzierungsmodellen der Anbieter zu. Einen ausschlaggebenden Wettbewerbsfaktor stellen nun die Einstandszinssätze für die Kalkulation der Baufinanzierungsprodukte dar. Je nach Institut haben sich im Gegensatz zu früher, als der Pfandbriefmarkt die Funktion einer ergiebigen, kostengünstigen und homogenen Plattform einnahm, nun große Spreads auf den Kapitalmärkten entwickelt. Mit der Folge, dass sich einige Anbieter aus dem Markt zurückziehen mussten, da sie keine wettbewerbsfähigen Refinanzierungen mehr stemmen konnten.

Entsprechend lassen sich zwei gegenläufige Trends in der zinsfestgebundenen langfristigen Baufinanzierung erkennen. Zunächst praktizieren die Banken bei der Kreditvergabe ein höheres Risikobewusstsein, indem die Kriterien von Basel II teils extrem stringent ausgelegt werden. Auf die ohnehin rückläufigen Verkehrswerte werden wesentlich höhere Risikoabschläge eingepreist, mit der Folge, dass potenzielle Kreditnachfrager mit bislang ausreichender Bonität nun nicht oder nur mit hohen Risikoaufschlägen bedient werden. So hat sich die Messlatte für Erstrang-Finanzierungen wesentlich erhöht, mit der Folge, dass die ehemals von einigen Marktteilnehmern forcierten 100-Prozent- und darüber hinausgehende Finanzierungen zu Ausnahmefällen geworden sind.

Die Begründung der verschärften Auslegung erfolgt durch eine starke Berücksichtigung allgemeiner konjunktureller Risikofaktoren und einer Neubewertung sogenannter weicher soziodemografischer Faktoren wie Zugehörigkeit zu Berufs- und Altersgruppen sowie Standort und Regionen. Aus dieser Neuorientierung konnten die Anbieter ihr Risikoprofil deutlich nach unten fahren und somit ihre Margen - die durch den harten Wettbewerb unter anderem durch den Markteintritt von Direktbanken und Vermittlern stark gelitten hatten - schätzungsweise um zehn bis 20 Basispunkte in den letzten Monaten verbessern.

Ein erster Blick auf die Zinsentwicklung bestätigt zudem, dass die Refinanzierungssätze für Banken einerseits aufgrund der EZB-Leitzinssenkungen in Höhe von insgesamt 3,25 Prozentpunkten binnen Jahresfrist kräftig zurückgegangen sind. Andererseits steht dem aber eine wesentlich geringere Weitergabe der Zinsanpassung an die Kunden entgegen. So beträgt die Reduktion beispielsweise bei dem Durchschnittszinssatz für von Bauherren favorisierte zehnjährige Zinsfestbindung gegenwärtig nur 83 Basispunkte, wie die Vergleichsdienstleister Frankfurter Finanzberatung Max Herbst (FMH) oder das Münchner Verbrauchsportal Biallo.de in ihren regelmäßigen Recherchen feststellen. Bei fünf- und 15-jähriger Zinsfestbindung werden gleichfalls nur teilweise die Reduktionen an die Konsumenten weitergereicht.

Auffällig ist, dass mit steigender Zinsfestschreibung die Bereitschaft zur Weitergabe der gegenwärtigen EZB-Zinssenkungen stark abnimmt. Zu begründen ist dieser Trend mit der zögerlichen Entspannung der inversen Zinsstrukturkurve, zudem optieren die Institute mittel- bis langfristig mit steigenden Kapitalmarktzinsen. Die verhaltene Weitergabe der Zinssenkungen erklärt sich auch durch den veränderten Kapitalmarkt, der die ehemals günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten unterläuft. Kapitalanleger bevorzugen in der Finanzkrise die als sicher geltenden Staatspapiere mit geringer Rendite und verweigern beispielsweise Investments in besser verzinsliche Pfandbriefinvestitionen der Hypothekenfinanzierer.

Entscheidendes Kriterium der Finanzbranche ist aber, dass ihre Refinanzierungskosten nicht primär von der Entwicklung des EZB-Leitzinssatzes abhängt, sondern stark von weiteren Zinssätzen des Marktes - wie beispielsweise dem Euribor. Dieser offiziell täglich bekannt gegebene Mittelwert stellt die Basis dar, zu welchen Konditionen sich Banken in der EU untereinander Geld leihen.

Dies bedeutet de facto, dass ihre Refinanzierungskosten nicht immer parallel zur Entwicklung der EZB-Leitzinsen verlaufen müssen. Weiter als nachteilig erweist sich für die Kapitalmärkte, dass aufgrund der Subprime-Krise eine kostengünstige Verbriefung von gebündelten Baufinanzierungsdarlehen seitens der Banken nicht oder nur sehr schwer gegenwärtig auf den Kapitalmärkten realisierbar ist.

Historisch betrachtet korrelieren die Baufinanzierungszinsen stark mit den DGZF-Indizes für fünf-, zehn- und 15-jährige Rendite-Indikatoren öffentlicher Pfandbriefe, die die Deka-Bank mit Reuters gemeinsam täglich ermittelt. Betrachtet man die Entwicklung der DGZF-Indikatoren, so ergibt sich gegenüber der Betrachtung zu den EZB-Leitzinssätzen eine andere Situation. Der durchschnittlichen Reduktion im zehnjährigen Angebotsbereich von 83 Basispunkten steht ein lediglich um 19 Basispunkte geringer Rückgang der DGZF-Renditen gegenüber. Dies bedeutet, dass die Baufinanzierungsanbieter ihren Konsumenten 64 Basispunkte mehr weiterreichen. Allerdings bleibt auch hier die Distanz zur EZB-Leitzins-Reduktion von 3,25 Prozentpunkten gleichfalls extrem hoch. Ähnliche Konstellationen ergeben sich im fünfjährigen mit 33- beziehungsweise im 15-jährigen Bereich 73 Basispunkte.

Allein hieraus lässt sich kein allgemeingültiger Trend ableiten. Zu sehr unterscheiden sich die Refinanzierungsmodelle der Anbieter. So profitieren beispielsweise Direktbanken, die sich stark über ihre Kundeneinlagen refinanzieren, derzeit überproportional vom Absinken der Konditionen für Tages- und Termingeldeinlagen, wodurch sich die Zinsspanne der Institute aus Aktiv- und Passivkredit deutlich verbessern lässt. Insgesamt ist der Angebotsmarkt differenzierter und inhomogener geworden. Die Folge ist, dass die Adressen und Positionen in den Rennlisten für Top-Hypothekenanbieter - die zuvor mehrheitlich von Vermittlern reserviert waren - häufig wechseln und von allen Finanzdienstleistern und Bankengruppen, ob große oder kleine Player, hart umkämpft werden. Für die Teilnehmer hat eine effiziente Marktbetrachtung oberste Priorität.

Prof. Dr. Klaus Fleischer, Fachhochschule München

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