Leitartikel

Zinsen und Politik

Die gegenwärtige Zinsentwicklung wird stark von den beunruhigenden Nachrichten der Schuldenkrise in den USA und in einigen europäischen Ländern geprägt. Den Niederschlag findet dieses turbulente Umfeld unter anderem in der jüngst stark zunehmenden Kritik am Krisenmanagement der Schuldenkrise und einer unberechenbar gewordenen Zinsentwicklung an den Kapitalmärkten. Standen die Zinsampeln im Umfeld der wirtschaftlich boomenden Konjunktur in den ersten fünf Monaten dieses Jahres primär auf Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung durch die Bundesbank, was sich in zwei kleinen Schritten von Leitzinssatzerhöhungen niederschlug, so hat sich dieser Trend mit den EU-Beschlüssen vom 21. Juli über Nacht schlagartig verändert. Um einer drohenden Deflation und Rezession entgegenzuwirken, haben die Zentralbanken nun signalisiert, dass die Zinsen doch für längere Zeit auf den Niedrigständen verharren werden. Zudem pumpt die Europäische Zentralbank hohe Liquidität in den Geldmarkt und kauft zur Stabilisierung der Märkte Staatsanleihen gefährdeter EU-Mitgliedsländer auf. In diesem Kontext ist auch die Zinssatzsenkung auf nahezu Nullniveau der schweizerischen Nationalbank zu verstehen.

Die derzeit angesagte Politik wirkt sich entsprechend auch auf die Baufinanzierungskonditionen aus. So konnte in den letzten Wochen - entgegen vieler Expertenmeinungen - gerade im langfristigen Bereich eine deutliche Reduktion des Zinsniveaus gegenüber Jahresbeginn festgestellt werden. Sie betrug bei zehnjähriger Zinsfestschreibung um die 100 Basispunkte und die Zinsangebote pendeln derzeit um 3,5 Prozent effektiv, eine im langjährigen Vergleich sehr günstige Kondition. Gleiches gilt auch für den kurzfristigen Bereich. So sind die Konditionen für fünfjährige Zinsfestbindung für Schuldner bester Bonität bei Internetanbietern und ausgewählten Regionalanbietern wieder deutlich unter die Marke von drei Prozent gesunken.

Nach dieser Entwicklung zeichnet sich ab, dass wir entgegen der gängigen ökonomischen Erfahrung und Lehre ein niedriges Realzinsniveau mit steigender Inflation in den EU-Ländern und insbesondere in Deutschland weiter sehen werden. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die europäische Schuldenkrise nicht weiter eskaliert, sondern vielmehr zeitnah durch die Politiker in den Griff bekommen wird. Die weitere Entwicklung hängt auch von der Eurobond-Diskussion ab. Hier droht dem nationalen deutschen Zinsniveau große Gefahr. Nicht nur für den Staat wird die Refinanzierung bei der Schuldenkrisenlösung mittels Eurobonds teurer, sondern gleichermaßen auch für den Privatsektor. Experten sind sich derzeit nicht einig, welches Ausmaß ein nationaler Zinsanstieg in Deutschland zur Folge haben dürfte. Die Antwort werden die Märkte geben. Zu befürchten ist aber, dass beispielsweise die Renditen für zehnjährige Staatspapiere um bis zu 50 Basispunkte steigen dürften. Zumindest wird der Hafen der als sicher geltenden deutschen Staatspapiere infrage gestellt, was eine nachlassende Nachfrage zur Folge hätte beziehungsweise Verkaufsreaktionen auslösen würde. Damit dürfte im Gleichklang auch mit steigenden Baufinanzierungszinsen zu rechnen sein.

Offen bleibt der Blick auf die weitere Entwicklung, insbesondere welcher Trend sich letztlich stärker durchsetzen wird. Auf der einen Seite ist abzuwarten, wie die Märkte aufgrund der Diskussion einzuführender Eurobonds reagieren werden. In diesem Zusammenhang ist auch das kurz aufgekommene, aber rasch dementierte Gerücht zu verstehen, dass eine Herabstufung der Bonität Deutschlands durch eine Ratingagentur anstehe und somit das gleiche Schicksal wie in den USA drohe. Andererseits ist zu beachten, in welchem Maße die Regierungen aufgrund einer sich erneut abzeichnenden Rezession gezwungen werden, die drohende Deflation mit Billiggeld durch Niedrigzinsen nach dem Vorbild Japans zu bekämpfen.

Überlagert wird die hohe Marktunsicherheit durch eine Verschärfung der Richtlinien für Wohnungsbaukredite für private Haushalte seitens der Baufinanzierungsbranche. So verweist die EZB in ihrem Monatsbericht vom August denn auch auf einen Rückgang in der Kreditnachfrage im bisherigen Jahresverlauf. Dies korrespondiert auch mit den weiterhin auf niedrigem Niveau verharrenden Zahlen an Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser. Für Risikobewusste ist deshalb Flexibilität angesagt, um bei größeren Ausschlägen des Zinsniveaus nach unten rasch zugreifen zu können. Sicherheitsorientierte sollten sich aber gegen drohende Ausschläge nach oben rasch absichern.

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