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"Die erhaltenen Daten sind wie der Fingerabdruck eines Gebäudes"

I& F Rund um das Gebäudemanagement lassen sich unendlich viele Daten sammeln. Da gilt es, zu entscheiden, welche Daten letztendlich zielführend sind. Darum zunächst die grundlegende Frage: Mit welchen Bedürfnissen treten gewerbliche Großkunden an Ihre Gebäudeexperten heran?

Gewerbliche Großkunden bewegen sich in einem herausfordernden Spannungsfeld und müssen eine Waage ausbalancieren: Auf der einen Seite gilt es, den Wert der Gebäude zu erhalten. Gleichzeitig sollen die Gebäude möglichst effizient betrieben werden. Das wiederum beinhaltet Anforderungen an Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, um die Umwelt möglichst wenig mit Emissionen zu belasten. Technisch muss eine maximale Verfügbarkeit gewährleistet sein. Und nicht zuletzt tauchen von gewerblichen Großkunden Fragen und Anforderungen zu Normen wie ISO 50001 oder dem deutschen EEG auf. Auf der anderen Seite der Waagschale liegen finanzielle Aspekte: Unsere Kunden stehen immer wieder vor Investitionsentscheidungen und fragen sich, welche technische Lösung im Rahmen ihrer individuellen Anforderungen optimal ist. Oder sie möchten ihre Betriebskosten durch eine höhere Effizienz senken.

Wir unterstützen unsere Kunden beim Ausbalancieren dieser Waage. Hierbei spielt es natürlich eine wesentliche Rolle, ob es sich um neue Gebäude oder Bestandsimmobilien handelt. Beim Neubau gilt weitestgehend "grüne Wiese". Bei Bestandsimmobilien muss man überprüfen, wie der beste Maßnahmen-"Mix" aussieht, der alle Anforderungen optimal abdeckt.

I& F Was sind die dringendsten oder häufigsten Anliegen rund um die Gebäudeeffizienz?

Derzeit werden ganzheitliche Effizienzkonzepte für Gebäudeportfolios stark nachgefragt, nicht mehr die Betrachtung einzelner Maßnahmen in Einzelgebäuden. Bei der Gebäudeeffizienz gibt es viele Stellschrauben: Dreht man an einer, kann das Einfluss auf andere haben. Das kann die Regelung der Temperatur, Beleuchtung oder Beschattung sein. Die Automation in Gebäuden ist dabei eine wichtige Stellgröße.

Ein Beispiel: Die Klimatisierung und Beleuchtung von Räumlichkeiten sollte danach ausgerichtet sein, wie der Raum gerade genutzt wird und was die Sensorik meldet, beispielweise die Helligkeit und Temperatur. Das kann durch Regelungs- und Automatisierungstechnik berücksichtigt werden und führt zu einer deutlich höheren Energieeffizienz. Stellen Sie sich das wie das "Finetuning" eines Motors vor. Man muss die einzelnen Motorteile und ihre Funktion kennen, um das Zusammenspiel so kalibrieren zu können, dass der Motor rund läuft.

Das ist bei Gebäuden und Gebäudeportfolios nicht anders. Wie beim Motor lohnt sich das Kalibrieren auch richtig, nicht nur kostenseitig. Denn Gebäude verbrauchen 40 Prozent der weltweiten Energie und stoßen über 20 Prozent der Emissionen aus. Die Effizienz von Gebäuden macht sich also nicht nur in finanzieller Hinsicht bezahlt, sondern auch in Bezug auf die Umwelt.

I& F Wie geht man mit dieser Komplexität um?

Es ist wichtig, die Rahmenbedingungen der Gebäude in Gebäudeportfolios sehr gut zu kennen. Nur so kann man an den richtigen Stellschrauben drehen, um Gebäude und Portfolios effizienter zu machen. Wie sieht beispielsweise die mittel- bis langfristige Planung für ein Gebäude aus Sicht des Portfoliomanagers aus? Wie beeinflusst das Tagesgeschäft des Kunden die Nutzung der Gebäude in der Zukunft? Wie hoch ist der Energieverbrauch? Wie sieht die Energieversorgung aus? Wie effizient funktionieren

die technischen Systeme? Die Fülle der Informationen und Daten macht die Entscheidungssituation sehr komplex. Man wird dieser Komplexität nur Herr, indem man alle wesentlichen Daten sinnvoll zusammenbringt und zu einem nutzbaren Konzept aufbaut. Um das zu schaffen sind Software-Anwendungen mittlerweile ein Muss. Eine der Anforderungen unserer Kunden ist, dass wir Transparenz in diese Daten und Informationen bringen und sie so aufbereiten, dass faktenbasierte Entscheidungen möglich sind. Erfahrungsgemäß bringt es wenig, Einzelmaßnahmen anzustreben, beispielsweise, indem man ein einzelnes Kühlaggregat austauscht. Ein Gesamtkonzept, das auf einer sorgfältigen Ist-Analyse aufbaut und von unserem Kunden mitgetragen wird, ist viel wirksamer.

I& F Was beinhaltet umfassendes Energiemanagement?

Ich sehe im Wesentlichen fünf Handlungsfelder für das Energiemanagement: Erstens muss klar sein, wo wie viel Energie verbraucht wird und wie hoch die Kosten sind. Das umfasst alle Energieträger wie Elektrizität, Gas und Öl, aber natürlich auch Wasser. Zweitens ist die Kenntnis über Aufbau und Struktur der Energieversorgung gefordert. Dieses beinhaltet auch das Wissen um gesetzliche oder sonstige Rahmenbedingungen wie Förderungen. Drittens: der historische Vergleich des Energieverbrauches des Gebäudes mit der aktuellen Situation. Hier ist in meinen Augen auch das Benchmarking mit anderen (anonymisierten) Gebäuden von Bedeutung. Viertens: Die Ist-Gebäudesituation muss kontinuierlich durch Experten analysiert werden. Die Erfahrung zeigt, dass Gebäude sonst mittelfristig wieder "aus dem Ruder laufen", was Effizienz anbelangt. Schlussendlich dann als fünftes Element die Unterstützung aller vor genannten Aktivitäten durch ein Softwaresystem, das die kontinuierliche Überprüfung der Verbrauchsdaten und das Reporting übernimmt und auch die automatisierte Erkennung von Fehlern der technischen Infrastruktur anbietet. Das System sollte in diesem Zusammenhang auch Remote Services anbieten (Anmerkung der Redaktion: technische Dienstleistungen mit Hilfe von Telekommunikationsnetzwerken).

I& F Wo und wie lassen sich Einsparpotenziale im Gebäudemanagement erkennen?

Als Grundlage ist es wichtig, den Zweck, den Standort und die beabsichtigte Nutzung des Gebäudes verstanden zu haben. Ist der Standort in einer südlichen Klimazone, wird das Gebäude anders betrieben werden als in einer kalten Region. Entsprechend unterschiedlich wird die Einstellung der Betriebsparameter wie Temperatur, Feuchtigkeit oder Luftmengenwechsel ausfallen. Daneben muss der Ist-Zustand dieser Betriebsparameter in einer Zeitreihe ermittelt werden. Aus der Analyse des Ist-Zustands können dann Einsparpotenziale und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung abgeleitet werden. Um den Erfolg auch in der Zukunft überprüfen zu können, identifizieren Experten die energetische Performance zum gegenwärtigen Zeitpunkt, die sogenannte "Baseline" des Gebäudes. Gegen diese "Baseline" werden dann Verbesserungen gespiegelt und bewertet.

I& F Das Erkennen allein spart sicherlich noch keine Energie. Wie nutzen Sie dieses Wissen konkret?

Hierfür braucht man eine ganze Reihe von unterschiedlichen Mitarbeitern. Dazu gehören unsere Energieingenieure, Spezialisten für Gebäudeautomation und Analysten für den Energieeinkauf. Sie führen die unterschiedlichen Informationen zu dem Energiekonzept zusammen, über

das ich vorher schon sprach. Dabei werden sie von Energiemanagement-Plattformen unterstützt, die die Daten in einen größeren Kontext stellen und analysierbar machen. Die Plattform, die Siemens Building Technologies hierfür bietet, heißt Navigator. Das fertige Energiekonzept beschreibt dann detailliert, welche Änderungen an Heizung, Warmwasser, Klimatisierung, Lüftung, Gebäudeautomation, Energieerzeugung, Gebäudemanagement und so weiter durchgeführt werden können und was für einen Effekt dies hat. Es zeigt auch auf, wie lange es dauert, bis die Einzelmaßnahmen sich amortisiert haben.

I& F Welche technischen Einrichtungen, Gebäudeautomationssysteme und Versorgungseinrichtungen müssen dafür gegeben sein?

Wenn eine Gebäudemanagementstation oder ein Mess- und Zählsystem vorhanden ist, ist das vorteilhaft. Damit können wir, unabhängig von den installierten Systemen und ihren Herstellern, die benötigten Werte ermitteln.

In den meisten Fällen kombinieren wir "manuell" vorhandene Informationen mit automatisch abgreifbarer Information. Dass wir dabei nicht von Siemens-Systemen abhängig sind, erlaubt uns eine neutrale Sichtweise auf die im Gebäude installierte Technologie und auf die Prozesse.

I& F Wie funktioniert das Energieversorgungsmanagement für gewerbliche Gebäude?

Es lohnt sich, die Energieversorgungsseite im Rahmen des Energiemanagements genau zu prüfen. In diesem Bereich kann man oft mit wenig Aufwand wesentliche Verbesserungen erzielen. Mit dem prognostizierten Energiebedarf von einzelnen Gebäuden oder Gebäudekomplexen als Basis können alternative Energieversorgungsmöglichkeiten in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit betrachtet werden. Verschiedene Energieträger wie Strom, Erdgas, Biomasse oder Heißwasser oder auch die Möglichkeiten der Eigenerzeugung sollten hier einbezogen werden.

Sobald die Entscheidung für eine Option gefallen ist, folgt im nächsten Schritt ein Vergleich geeigneter Anbieter. Wenn die Energie für mehrere Gebäude gebündelt beschafft werden kann, wirkt sich das meist günstig auf den Preis aus. Dieser sinkt bei einer größeren abgenommenen Menge und vor allem auch bei einer gleichmäßigen Abnahme. Diese Gleichmäßigkeit im Energiebezug lässt sich über Lastmanagement erzielen.

I& F Welche Daten werden dafür erfasst?

Beispielsweise Energieeinkaufsdaten wie Strom- oder Gasrechnungen, Energieverbrauchsdaten von Strom und Wasser oder der Vergleich der Abrechnungen mit dem tatsächlichen Verbrauch eines Gebäudes. Relevant sind auch Informationen unterschiedlicher Versorgungsalternativen durch andere Anbieter oder Energieträger. Weitere Informationen fließen ebenfalls ein, beispielsweise welche Förderungen es für erneuerbare Energien gibt oder welche Steuervorteile aufgrund von Zertifizierungen wie ISO 50001 gewährt werden. Für den Energieeinkauf ist auch der Einbezug von Hedging-Prognosen auf Basis unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen wichtig. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, es gibt je nach Gebäudetyp und Gebäudeportfolio eine Vielzahl derartiger Daten, die erfasst werden.

I& F Nach welchen Kriterien werden Gebäudeinformationen gesammelt und analysiert?

Das Team, das das Gesamtkonzept erarbeitet, priorisiert nach der Analysephase die Gebäudedaten, die benötigt werden. Dabei richten wir uns nach den Kundenprioritäten, der Intensität des Verbrauchs, dem Alter der Technologie und so weiter. Daraus ermitteln wir das erwartete Einsparpotenzial und nehmen dies als Ausgangspunkt für das Monitoring von Zeitreihen. Es werden also gezielt nur jene Daten angefordert und analysiert, die notwendig sind.

Ausgehend von der Tatsache, dass es unmöglich ist, alles sofort zu erfahren, hat sich dies als ein pragmatischer Ansatz bewährt, der unseren Kunden rasche Ergebnisse liefert und dann aufzeigt, wo in Zukunft weiterer Handlungsbedarf bestehen könnte.

I& F In welchen Bereichen wird SAP bereits für das Gebäudemanagement eingesetzt?

SAP ist im Umfeld von Enterprise-Resource-Planning-(ERP)-Systemen stark vertreten und hat auch eine eigene Lösung für das Immobilienmanagement. Für detaillierte Informationen dazu verweise ich auf SAP. Wir sehen in SAP einen starken Partner und bringen deswegen mit dem Building Performance Management Cockpit eine gemeinsame Softwareplattform für Immobilienkunden auf den Markt. Diese Plattform visualisiert alle wichtigen Daten und Fakten über den kompletten Immobilienbestand in Echzeit auf einen Blick. Dazu gehören energiebezogene Leistungen sowie technische und kommerzielle Daten. Sowohl SAP mit rund 450 Gebäuden an 230 Standorten als auch Siemens mit zirka 3 000 Gebäuden an 2 500 Standorten sind selbst Betreiber von großen Gebäudeportfolios und kennen daher die Bedürfnisse eines professionellen unternehmensweiten Immobilienmanagements sehr gut. Derzeit arbeiten wir mit ersten Pilotkunden zusammen. Anfang 2015 erfolgt der Markteintritt - zunächst in Europa und den USA, später in Asien und Middle East.

I& F Welche Unternehmensprozesse sind in welchen Gewerken bereits digitalisiert und miteinander ganzheitlich vernetzt? Bitte nennen Sie uns einige Beispiele.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, das gesamte Gebäudemanagement zu vernetzen. Konkrete Beispiele sind hier die Vernetzung von Beleuchtung und Beschattung, Heizung, Klimatisierung und Lüftung, Einzelraumsteuerung, Brandschutz, Zutrittskontrolle bis hin zur Belegungsplanung. Wir bieten dies mit unserer Managementstation Desigo CC an.

Das ist ein Werkzeug, um gewerkespezifische Systeme in einem Gebäude miteinander zu vernetzen, gleichzeitig aber auch an übergeordnete Energiemanagementplattformen anzubinden, beispielsweise den Navigator oder das neue

Building Performance Management Cockpit.

I& F Wie angreifbar sind vernetzte (Cloud-)Systeme?

Systeme, die mit der Außenwelt vernetzt sind, sind grundsätzlich auch angreifbar. Wie wir aus Erfahrung wissen, gibt es keine absolute Sicherheit vor solchen Angriffen. Mit genügend Zeit und Aufwand kann man fast jedes System knacken. Hier liegt aber auch der Schlüssel zu den Schutzmaßnahmen: Sie müssen derart gestaltet sein, dass der Aufwand, sie zu umgehen, höher ist als der Gewinn, den ein Angreifer durch das Eindringen in das System erlangt.

Bei Gebäudesystemen werden verschiedene Daten mit verschiedenen Sicherheitsrisiken behandelt. So sind Daten aus Zutritts kontroll- und Sicherheitssystemen sensiblere Informationen als Energiedaten. Trotzdem, man könnte beispielsweise aus Energie-Forecast-Daten einer Fabrik Rückschlüsse auf die Produktionsplanung ziehen. Darum werden die Daten für vernetzte Systeme und vor allem auch für Passwörter und Zugriffsinformationen auf Netze und Datenbank verschlüsselt. Zusätzlich erfolgen noch technische und sicherheitsrelevante Maßnahmen und Prozesse für Administratoren und Benutzer. Die konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen bietet bereits einen sehr wirksamen Schutz gegen Angriffe.

I& F Wo ist Silo-Denken weiterhin dringend erforderlich?

Wenn es um die Effizienz von Gebäudeportfolios geht, ist Silodenken eher hinderlich. Zumal die einfachen Maßnahmen vielfach bereits umgesetzt sind. Also gilt es wahrscheinlich eher zu fragen, welche Silos kombiniert werden müssen, um die Strategie des Kunden bezüglich seines Gebäudeportfolios mit den Effizienzzielen in Einklang zu bringen.

I& F Wer braucht welche Daten?

Das hängt sehr von der Nutzerrolle ab. Gemeinsam mit SAP und Siemens Real Estate haben wir im Umfeld von Corporate-Real-Estate-Organisationen die wesentlichen Nutzerrollen aufgenommen und deren Hauptaufgaben ermittelt. Ein Facility Manager benötigt andere Leistungskennzahlen als ein Projektleiter, Energy Manager oder ein Finanzchef. Die funktionsbezogenen Leistungskennzahlen stellen wir in einem Katalog dar und bilden diesen auch in Softwareplattformen wie dem Building Performance Management Cockpit ab. Einige Nutzer benötigen den Energieverbrauch pro Quadratmeter, andere Daten über die Mieterzufriedenheit.

Wir sind der Meinung, dass es hier keinen "one size fits all"-Ansatz gibt. Das ist auch der Grund, weshalb der Katalog mit den Leistungskennzahlen eine wichtige Basis unserer Consulting-Aktivitäten ist. Er stellt sicher, dass unsere Kunden im Cockpit die auf die Rolle bezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage erhalten und somit ihre Entscheidungen auf Fakten bezogen treffen können. Nach wie vor ist es eine große Herausforderung, diese Transparenz zu schaffen.

I& F Wer entscheidet, wer welche Daten verwenden darf, und wer bestimmt die vordefinierten Benutzerprofile?

Unser Kunde ist der Eigentümer seiner Daten. Ausnahmen gibt es nur, wenn eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde, beispielsweise um die Daten für einen anonymisierten Benchmark zu verwenden. Die Benutzerprofile und deren Zugriffsrechte werden von Kundenseite her bestimmt und freigegeben. Natürlich beraten wir unsere Kunden in Bezug auf dieses Thema.

I& F Welche Rolle spielen der Datenschutz und Compliance bei Big Data im Gebäudemanagement?

Dies ist heutzutage sehr wichtig. Die erhaltenen Daten sind wie der Fingerabdruck eines Gebäudes und müssen geschützt werden. Wir stellen an uns selbst höchste Anforderungen in den Bereichen Datenschutz, Integrität und Compliance mit den geltenden Gesetzen. Und was für uns selbst gilt, leben wir auch in unserer Kundenbeziehung!

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