Schwerpunkt: Stadtentwicklung

"Wir dürfen die Menschen nicht aus ihren Wohnungen heraussanieren"

I& F Welchen Stellenwert haben städtebauliche Fragen in der aktuellen Bundespolitik?

Nach dem Willen der Politik soll die Wohnungswirtschaft die Welt retten. Von den Immobiliengesellschaften wird nicht weniger verlangt, als den globalen Klimawandel aufzuhalten, indem sämtliche Gebäude energetisch saniert und auf den neuesten Stand nachhaltiger Technik modernisiert werden. Gleichzeitig erwartet die Politik, dass die Mieten sozial verträglich bleiben und in den Ballungsräumen genügend neuer Wohnraum geschaffen wird. Und da die Bevölkerung, also auch die Mieter, immer älter werden, sollten die Wohnungen doch auch angepasst und nach Möglichkeit barrierefrei sein - aber bitteschön zu Mieten, die sich die künftigen Senioren auch bequem leisten können. Die Bedeutung der Wohnungswirtschaft für das Gemeinwohl ist also offensichtlich sehr hoch einzuschätzen. Trotzdem werden ihre Interessen zu wenig beachtet und berücksichtigt. Jüngsten Zahlen der Bundesregierung zufolge hat die Immobilienwirtschaft hierzulande 3,8 Millionen Beschäftigte. Sie leistet zur Bruttowertschöpfung einen größeren Beitrag als die Metall- und Automobilindustrie zusammen und verwaltet mehr als neun Millionen Wohnungen.

I& F Wie weit kann die Wohnungs- wirtschaft die Wünsche der Politik erfüllen?

Um bei populären Themen wie dem Klimaschutz zu glänzen, überbieten sich die Politiker mit Vorschlägen und übersehen dabei oft, dass sie gleichzeitig riesige Kostenprobleme schaffen. Die Politik will mehr, als technisch machbar ist, und wartet gar nicht mehr ab, welche Wirkungen frühere Vorgaben und Gesetze entfalten. Wenn es im Interesse des Gemeinwohls ist, dass der Gebäudebestand umfassend saniert wird, um eine hohe Energieeffizienz zu erreichen, dann können die Unternehmen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden. Ein solches Vorhaben würde sie wirtschaftlich überfordern. Niemand erwartet eine Vollfinanzierung der energetischen Sanierung und Modernisierung durch die öffentliche Hand, aber wenigstens Investitionsanreize müssen gegeben werden. Grundsätzlich müssen die gesellschaftlich gewünschten Investitionen wirtschaftlich tragfähig sein. Denn die privaten und die öffentlichen Wohnungsunternehmen brauchen auskömmliche Gewinne, um ihren Bestand erhalten, das Wohnumfeld pflegen und nicht mehr nachgefragte Objekte durch Neubau ersetzen zu können.

I& F Warum reicht Ihnen die Förderung nicht, die Bund und Länder zum Beispiel für die energetische Sanierung und Modernisierung bereitstellen?

In den großen Ballungsräumen und den Zuzugsregionen lassen sich die Investitionskosten sicherlich auf die Miete umlegen. Doch welcher gesellschaftliche Preis ist dafür zu zahlen? Weniger leistungsfähige Haushalte wollen oder können sich die höheren Mieten nicht leisten und werden aus den sozial gut durchmischten Quartieren an die Stadtränder oder vor die Stadtgrenzen verdrängt. Besser ist es doch, solchen Entwicklungen vorzubeugen und jetzt gezielt zu fördern, damit die Investitionen in eine höhere Wohnqualität auch für die bisherigen Mieter bezahlbar bleiben. Wir dürfen die Menschen nicht aus ihren Wohnungen und ihrem Lebensumfeld heraussanieren. Ein weiterer Aspekt mit sozialer Sprengkraft: Staatlich verordnete, aber nicht geförderte Investitionen können die Unternehmen nur durch Mieterhöhungen finanzieren. Doch dieses Geld fehlt den privaten Haushalten dann an anderer Stelle, zum Beispiel bei der privaten Altersvorsorge.

I& F Welche Förderung wünscht sich denn die Immobilienwirtschaft?

Wir möchten eine technikoffene Förderung, bei der der Wohnungseigentümer seine Maßnahmen individuell entscheiden kann. Förderung nach dem Gießkannenprinzip ist immer suboptimal. Besser wäre es, Gestaltungsfreiheiten zuzulassen. Letztlich muss doch der Eigentümer seine Wohnungen vermietet bekommen, also soll er auch beurteilen, welche energetischen Sanierungen und Modernisierungen wirtschaftlich sind. So lassen sich Fehlallokationen am besten vermeiden.

I& F Angesichts der jeweiligen wirt- schaftlichen Bedeutung: Warum behandelt die Politik die Automobilindustrie offenbar wohlwollender als die Wohnungswirtschaft?

Weil das Auto der Deutschen liebstes Kind ist. Für etwas mehr Motorleistung, Komfort oder auch nur das Markenimage wird gerne mehr bezahlt. Das ist beim Wohnen leider nicht so, denn es wird als selbstverständlich angesehen. So kommt es, dass ein Autohersteller für hohe Gewinne gelobt wird, während Wohnungsvermietern vorgeworfen wird, sie würden sich bereichern. Dabei sind die Renditen bei privaten und institutionellen Wohnungsvermietern in der Regel sehr viel

geringer als in der Industrie. Ein weiterer Grund ist, dass die wohnwirtschaftlichen Verbände im Gegensatz zu anderen Industrieverbänden keine Tarifpartner sind. Anliegen, die von einer Organisation artikuliert werden, die zugleich über Arbeitsplätze entscheiden kann, werden von der Politik stets mit größter Sensibilität wahrgenommen. So passiert es, dass zu Gesprächen über die Möglichkeiten der energetischen Sanierung beispielsweise Interessenvertreter der Bauindustrie, der Elektroindustrie und der Energiewirtschaft geladen werden, nicht aber die Wohnungswirtschaft. Dabei sind wir der entscheidende Gesprächspartner, denn unsere Unternehmen müssen die Maßnahmen doch letztlich umsetzen.

I& F Wie laut muss Lobbyarbeit heute sein, um gehört zu werden?

Es kommt darauf an, ein Bewusstsein für die eigenen Probleme und Positionen zu schaffen. Lautstärke kann dabei ein Hebel sein, doch wird sie in der Regel nur als lästig empfunden. Lobbyarbeit hat sich gewandelt und besitzt heute eine ganz andere Qualität als früher. Die Politik, also Parteien, Parlament und Regierung, sowie die Verwaltung brauchen in Sachfragen fachlichen Rat. Denn oftmals haben die Parlamentarier gar nicht den Erfahrungshorizont, um zu erkennen, welche Folgen ihre Entscheidungen haben werden. Wir bringen heute vor allem unseren Sachverstand in das politische System ein. Damit finden wir auch Gehör und sind mit der Politik im Dialog.

I& F Wer ist schwerer von dem Machbaren zu überzeugen - die Politiker oder die eigenen Verbandsmitglieder?

Bei der Politik können wir nur um Verständnis für unsere Positionen werben. Gegenüber unseren Verbandsmitgliedern müssen wir erklären, wie politische Entscheidungen zustande gekommen sind. Politiker bilden sich ihre Meinungen eben nicht nur anhand von Sachargumenten, sondern berücksichtigen auch persönliche Aspekte und nicht selten spielt dabei Wahltaktik eine gewichtige Rolle. So kann auch die konkrete Situation im jeweiligen Wahlkreis des Abgeordneten ausschlaggebend sein. Zudem sondieren Politiker stets, für welche Position sich leichter Mehrheiten organisieren lassen. Schwierig wird es immer dann, wenn ein Paket von Entscheidungen, die nichts direkt miteinander zu tun haben, verhandelt wird. Dann besteht immer die Gefahr, dass ein als weniger relevant angesehenes Thema "geopfert" wird, um an anderer Stelle die eigene Position durchzusetzen.

I& F Wie einig ist sich die Immobilienwirtschaft in der politischen Interessenvertretung?

Die Heterogenität der Immobilienwirtschaft spiegelt sich in der Vielfalt ihrer Verbände wider. Das Spektrum reicht von Architekten, Bauunternehmern und Projektentwicklern über Makler, Hausverwalter und Finanzierer bis zu den privaten und öffentlichen Wohnungsunternehmen, Fonds und Immobiliengesellschaften. Diese Bandbreite an Akteuren entlang der Wertschöpfungskette einer Immobilie scheint zunächst schwer koordinierbar. Tatsächlich gibt es aber durchaus eine große Schnittmenge an Interessen. In der politischen Diskussion ist es von Vorteil, wenn wir uns innerhalb der Branche auf unsere Kernpositionen einigen und diese dann gemeinsam vertreten. Damit hat unsere Stimme mehr Gewicht.

I& F Wie klein ist der kleinste gemeinsame Nenner und wie schwer ist er zu finden?

Die gemeinsame Schnittmenge ist in vielen Bereichen ziemlich groß. Zum Beispiel sind wir uns beim energetischen Umbau oder der Verschärfung der Energieeinsparverordnung einig.

I& F Was kann die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) besser als die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) und ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss?

Mit der BSI haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Um jedoch auch den ZIA einzubeziehen, war eine neue Struktur nötig, die wir mit der BID geschaffen haben und die diese Erweiterung auch nach außen dokumentieren und transportieren soll. Wo es gemeinsame Interessen gibt, ist es sinnvoll, sich zusammenzutun. Die BID tritt gegenüber der Politik als die Interessenvertretung der gesamten gewerblichen Immobilienwirtschaft auf.

I& F Wie integrativ muss ein BID-Vorsitzender sein?

Das hängt vor allem von der Einsicht aller Beteiligten ab. Im Gegensatz zu politischen Parteien wollen sich die immobilienwirtschaftlichen Verbände nicht gegeneinander abgrenzen, sondern gemeinsame Positionen finden und artikulieren. Richtig ist, dass das Verhältnis zum Beispiel des BFW, der vor allem die private Wohnungswirtschaft vertritt, und dem GdW, der hauptsächlich die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen repräsentiert, früher weniger harmonisch war. Heute sind die alten Vorbehalte weitgehend abgebaut und es bestehen keine Berührungsängste mehr. In einer Struktur wie der BID wird auf alle Beteiligten ein Zwang zur Kooperation ausgeübt. Wenn das nicht funktioniert, wird sich die Arbeitsgemeinschaft wieder auflösen oder eine neue Struktur gesucht. Alle Beteiligten müssen natürlich das Gemeinsame sehen und das in der BID zusammen mit den anderen verfolgen. Das Trennende kann die Organisation nicht überwinden.

Natürlich gibt es auch spezifische Fragen, mit denen sich nur einzelne Mitgliedsverbände der BID beschäftigen. Dann ist es aber auch zulässig, diese für sich, außerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft zu vertreten.

Für die Zusammenarbeit ist es weniger entscheidend, wer der Vorsitzende ist und welche Qualitäten er hat, sondern vielmehr, wie kooperativ die einzelnen Verbände sind. In der Immobilienwirtschaft ist der Wille zur Zusammenarbeit sehr groß.

I& F Wie erfolgt die Zusammen- arbeit konkret?

In der Präsidentenrunde kommen die Vorsitzenden aller Mitgliedsverbände zusammen, um sich abzustimmen. Die operative Arbeit wird durch einen ständigen Ausschuss koordiniert, dem die Geschäftsführer der Mitgliedsverbände angehören. Zu den einzelnen Themen oder Fachfragen werden Arbeitskreise gebildet, deren Leitung der Verband mit der größten Kompetenz in dieser Sache übernimmt. So versuchen wir, Synergien zu heben und arbeitsteilig zu operieren. Beim BID-Vorsitz gilt das Rotationsprinzip, sodass jeder Präsident eines Mitgliedsverbandes abwechselnd für jeweils ein Jahr die Position innehat.

I& F Wie stark kann ein BID-Vor- sitzender gegenüber der Politik auftreten, wenn jährlich die Person wechselt?

Die politischen Entscheider treffen ja nicht auf neue Gesichter, sondern die Präsidenten der beteiligten Verbände sind bekannte Personen. Das Rotationsprinzip ist kein Nachteil für die öffentliche Wahrnehmung. Vielmehr stärkt es die BID, wenn in einem Jahr der BFW-Präsident auch für die gesamte Immobilienwirtschaft spricht und in einem anderen Jahr der Präsident eines anderen Verbandes.

I& F Seitdem auf der Expo Real 2012 die Gründung der BID bekannt gegeben wurde, hat die Arbeitsgemeinschaft schon zahlreiche Forderungen öffentlich kommuniziert. Werden die Appelle jetzt besser wahrgenommen?

Je geschlossener die Immobilienwirtschaft auftritt, desto größer ist die Wirkung ihrer Appelle und ihres öffentlichen Auftritts. Die kommunizierten Positionen sind für die Politiker keine neuen Informationen - für ein breites Publikum und die öffentlichen Meinungsbildner aber vielleicht schon. In jedem Fall erzeugen wir einen öffentlichen Druck auf die politischen Entscheider, sich intensiver mit unseren Argumenten auseinanderzusetzen. Sie wollen und werden vielleicht nicht alles berücksichtigen, doch dann werden ihnen - in den Medien, von den Parteimitgliedern und im Wahlkreis - sicherlich Fragen gestellt und sie müssen sich rechtfertigen, warum sie sich gegen unsere Sachargumente entschieden haben.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X