Im Gespräch

"Der türkische Büromarkt wandelt sich dramatisch"

I& F Warum ist die Türkei in diesem Jahr zu Recht Ehrengastland der Mipim?

Die Türkei ist auch hinsichtlich ihres Immobilienmarktes eines der sich am schnellsten entwickelnden Länder Europas und der Welt. Besonders dynamisch wächst das Segment der Einzelhandelsund Büroimmobilien. Wer zum Beispiel in Istanbul vom Flughafen ins Stadtzentrum fährt, kommt durch einen Wald an Kränen. Zahlreiche dieser Projekte stemmen private Investoren. Daneben treibt die öffentliche Hand eine ganze Reihe von Infrastrukturprojekten voran. So entstehen neue Brücken und Tunnel, die den Bosporus queren, neue Schifffahrtskanäle werden angelegt und in Istanbul wird ein Flughafen für 150 Millionen Passagiere pro Jahr - und damit der größte der Welt - geplant und gebaut. Außerdem entstehen neue Satellitenstädte und U-Bahnen. Diese Infrastrukturprojekte sollen bis 2023, zur 100-Jahrfeier der Republik, vollendet sein.

I& F Was macht die Türkei für ausländische Investoren attraktiv?

Gleich mehrere Gründe sprechen für Investitionen in der Türkei: Erstens wächst die Wirtschaft seit Jahren. Zweitens ist die politische Lage sehr stabil. Drittens sind die Lohnstückkosten geringer als in anderen europäischen Ländern. Viertens gibt es einen großen Pool an qualifizierten Fachkräften. Fünftens sorgt die geografische Lage dafür, dass man innerhalb eines Tages von hier aus Tokio und New York sowie in nur vier Stunden Flugzeit Dubai und London erreichen kann. Und sechstens - für Immobilieninvestoren besonders wichtig: Das Grundbuchwesen in der Türkei ist sehr weit entwickelt. Die zentrale Erfassung und digitale Speicherung aller Grundbücher des Landes steht kurz vor dem Abschluss.

Diese Vorteile erkennen immer mehr international tätige Unternehmen und errichten in der Türkei ihren regionalen Hub, von dem aus sie den Nahen Osten, Afrika und Asien betreuen. Beispielsweise steuert Microsoft 80 Länder von Istanbul aus. Ein weiterer Trend ist, dass ausländische Investoren verstärkt türkische Unternehmen übernehmen, um Zugang zu den Märkten im Nahen Osten, in Nordafrika und Zentralasien zu bekommen oder ihr Geschäft in diesen Regionen auszubauen. Dadurch wachsen der Personalbedarf und die Flächenanforderungen der internationalen Unternehmen.

I& F Dennoch ist das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr stark gesunken. Verliert die Konjunktur an Schwung?

Die gebremste Konjunktur ist politisch gewollt, um ein Überhitzen der Wirtschaft zu verhindern. Gleichzeitig soll damit dazu beigetragen werden, die Geldentwertung einzudämmen. Lag die Inflation in den vorangegangenen Jahren noch bei etwa zehn Prozent, so beträgt sie aktuell etwa acht Prozent. Womit dem Ziel von fünf Prozent schon ein gutes Stück näher gekommen wurde.

I& F Ist die Inflation ein Investitionshindernis?

Weil die Inflation in den vergangenen Jahren so hoch war, lauten Mietverträge für hochwertigen Büroraum in aller Regel auf US-Dollar oder Euro. Dadurch werden jedoch die Wechselkurse für jeden Investor zur großen Herausforderung. Zwar ist in den vergangenen Jahren immer wieder versucht worden, die Türkische Lira im Mietmarkt durchzusetzen, doch die Verabschiedung der entsprechenden Gesetze wurde wiederholt aufgeschoben. So war unter anderem vorgesehen, dass bei Verträgen, die auf Euro oder Dollar lauten, keine Mietsteigerungen möglich sein sollten.

I& F Im Nachbarland Syrien tobt ein Bürgerkrieg, der Iran baut möglicherweise an einer Atombombe, Anfang Februar wurde ein Anschlag auf die US-Botschaft in Ankara verübt und die Kurden drängen auch gewaltsam auf mehr kulturelle Eigenständigkeit. Wie sicher ist die Türkei für Investoren?

Die Türkei hat kein großes Sicherheitsproblem, zumindest ist es nicht größer als in anderen europäischen Ländern. Das Risiko, dass es zum Krieg mit Syrien oder dem Iran kommt, wird in der Türkei als wesentlich geringer eingeschätzt als im europäischen Ausland. Zwar wurden Patriot-Raketen von den Nato-Partnern angefordert und auch aufgestellt, doch werden ernsthafte Auseinandersetzungen nicht erwartet.

I& F Welche Standorte sind gemeint, wenn vom türkischen Gewerbeimmobilienmarkt gesprochen wird?

Hier ist eine Differenzierung nach Nutzungsarten nötig. Der Büroimmobilienmarkt ist im Wesentlichen Istanbul. Ein kleiner Teil der Transaktionen findet in Ankara statt und einen geringen Anteil hat Izmir. In allen anderen Städten kann von einem Büromarkt im eigentlichen Sinne nicht gesprochen werden. Natürlich finden sich auch dort teils qualitativ hochwertige Bürogebäude, doch ist der Bedarf und das Angebot sehr begrenzt.

Der türkische Büromarkt wandelt sich dramatisch. Derzeit deckt das Angebot an hochwertigen Flächen noch nicht einmal annähernd die Nachfrage. Aber aufgrund der zahlreichen Projektentwicklungen ist zu erwarten, dass innerhalb von fünf Jahren hinsichtlich Bauqualität, Ausstattung und Flächenverfügbarkeit Istanbul das Niveau westeuropäischer Metropolen erreichen wird.

Für Shoppingcenter ist die gesamte Türkei ein attraktiver Markt. In den meisten der 81 Provinzen gibt es zwar schon große Einkaufszentren, doch ist der Bedarf noch nicht gedeckt. Die höchste Shoppingcenter-Dichte pro 1 000 Einwohner weist derzeit Ankara, gefolgt von Istanbul, auf. Der Logistikimmobilienmarkt hat seinen Schwerpunkt in Istanbul und der Region rings ums Marmarameer.

I& F In nur wenigen Jahren ausreichend Büroflächen zu schaffen, ist ein ambitioniertes Ziel. Wird in der Türkei schneller gebaut als andernorts?

Tatsächlich sind die bürokratischen Hürden niedrig. Vom Baurecht über die Planung bis zur Fertigstellung dauert es in der Regel nur etwa zwei bis drei Jahre. Das ist wesentlich schneller als in Deutschland, wo allein der Genehmigungsprozess oft deutlich mehr Zeit braucht.

Einerseits ist es für Investoren attraktiv, dass Projekte in der Türkei relativ schnell realisiert werden können, andererseits wird auch eine sehr schnelle Ausweitung des Flächenangebots begünstigt. Es kann also passieren, dass während des Baus in unmittelbarer Nachbarschaft der Grundstein für ein moderneres Gebäude gelegt wird.

Projektentwickler haben bereits zahlreiche Grundstücke erworben, um darauf innerhalb der nächsten Jahre neue Gewerbeflächen zu errichten.

Geschätzt wird, dass sich das Angebot an qualitativ hochwertigen Büroflächen in der Türkei von aktuell etwa drei Millionen Quadratmetern innerhalb der nächsten fünf Jahre verdoppeln wird.

I& F Wer entwickelt die Gebäude und wer sind die Investoren?

Anders als beispielsweise in Deutschland gibt es in der Türkei nicht die Fülle an institutionellen Anlegern wie Versicherungen, Versorgungswerken und Pensionskassen, die direkt oder über Fonds in Immobilien investieren. In der Regel errichten und betreiben private Grundstückseigentümer die Gebäude. Zwar gibt es auch professionelle Projektentwickler, doch haben sie nur einen relativ kleinen Marktanteil. Ausländische Investoren sind im türkischen Büroimmobilienmarkt kaum vertreten. Dagegen werden die Shoppingcenter oftmals von international aktiven Entwicklern erstellt und anschließend von ausländischen Investoren übernommen.

I& F Mit welchen Kaufnebenkosten müssen Investoren rechnen?

Erwerber und Verkäufer einer Immobilie müssen jeweils zwei Prozent des Kaufpreises als Gebühr an das Grundbuchamt zahlen. Außerdem werden eine Art Stempelgebühr in Höhe von jeweils 1,65 Prozent und gegebenenfalls Notargebühren erhoben.

I& F Wer finanziert die Projektentwicklungen und Transaktionen?

Viele Projekte und Transaktionen begleiten die türkischen Banken. Häufiger als im Ausland wird jedoch mit Eigenkapital finanziert. In der Regel schließt ein Grundstückseigentümer mit einem Bauunternehmen einen Vertrag, in dem kein Kaufpreis genannt wird, sondern die Errichtung eines Gebäudes und dessen Verkauf in Teileigentum an die Nutzer vereinbart wird. Entweder teilen sich dann Grundstückseigentümer und Projektentwickler die Verkaufserlöse oder es wird vorab festgelegt, wer welche Etagen im Objekt bekommt und selbst vermarktet. Vergleichbar ist diese Struktur wohl am ehesten mit einem Joint Venture. Dabei hat der Projektentwickler den Vorteil, dass er das Grundstück nicht erst erwerben muss, während der Grundstückseigentümer langfristig am Wertzuwachs und am wirtschaftlichen Erfolg seiner Liegenschaft partizipieren kann.

I& F Wie entwickeln sich die Renditen?

Die Renditen steigen, weil die Nachfrage nach Anlageobjekten trotz des intensiven Neubaus immer noch auf ein sehr begrenztes Angebot trifft. Bei Bürogebäuden ist es üblich, je nach Baufortschritt einzelne Etagen an die künftigen Nutzer zu verkaufen. So sind 30 bis 50 Teileigentümer an einem Bürohochhaus nichts Ungewöhnliches, doch für die internationalen Investoren sind solche Objekte uninteressant.

I& F Wer sind die Mieter und wie entwickeln sich die Mieten?

Türkische Unternehmen bevorzugen es, die genutzte Immobilie zu kaufen. Vermietung findet nur in den Prime-Lagen statt und Mieter sind oftmals ausländische Unternehmen und Dienstleister, viele aus der Finanzwirtschaft, sowie die großen internationalen Anwaltskanzleien. In den großen Einkaufszentren mieten zwar auch die internationalen Filialisten, doch dominieren häufig die großen türkischen Handelsunternehmen. Nachdem die Büromieten im Jahr 2008 ihren Höhepunkt erreicht hatten, sind die Spitzenmieten im Zuge der internationalen Finanzmarktkrise um ein Fünftel zurückgegangen und haben sich seitdem auf diesem Niveau eingependelt. Allerdings sind die Mieten in sekundären Lagen deutlich, teilweise bis zu 30 Prozent, gestiegen. Aufgrund der zahlreichen neuen Projekte dürfte sich der Mietpreisanstieg aber vorübergehend verlangsamen.

I& F Worauf sollten Mieter bei Vertragsabschluss achten? Welche Usancen sind üblich?

Zunächst sollten Mietinteressenten prüfen, ob für die Immobilie sowohl eine Baugenehmigung als auch eine entsprechende Nutzungserlaubnis vorliegt. Werden Grundstücke ohne behördliche Genehmigung umgenutzt, kann es passieren, dass dem Mieter die Nutzung derFlächen untersagt wird.

Die Mietverträge sind in der Regel sehr mieterfreundlich und sehen zum Beispiel flexible Kündigungsregeln vor. Allerdings sollten die Mieter ihre Mietverträge durch Eintrag im Grundbuch registrieren lassen, um das Mietverhältnis auch im Falle eines Verkaufs der Immobilie zu schützen.

Bei langfristigen Mietverträgen ist es außerdem üblich, Mieten nicht über die gesamte Vertragsdauer zu fixieren, sondern nach einer bestimmten Frist eine Anpassung auf das Marktniveau zuzulassen. Diese Regelung birgt für den Mieter Risiken, die im dynamischen türkischen Immobilienmarkt schwer kalkulierbar sind. Deshalb empfiehlt es sich, den möglichen Mietpreisanstieg zu deckeln.

Zudem sollte genau geklärt werden, welchen Leistungen und Lieferungen in den Nebenkosten - für Beleuchtung, Heizung, Belüftung - enthalten sind und wie viel sie im Einzelnen kosten. Noch ist die Immobilienverwaltung in der Türkei nicht so professionell, wie internationale Unternehmen es vielleicht erwarten. Beispielsweise versuchen einige Vermieter auch mit den Nebenkosten Geld zu verdienen. Deshalb sollte vertraglich vereinbart werden, dass der Mieter in die Nebenkostenabrechnung Einsicht nehmen, sie prüfen und gegebenenfalls anfechten kann.

Üblich ist außerdem, neue Büroflächen im erweiterten Rohbauzustand zu übergeben. Das heißt die technische Infrastruktur wird "bis an die Tür" gebracht, aber den kompletten Innenausbau hat der Mieter selbst zu verantworten, auszuführen und zu bezahlen. In der Regel müssen dafür noch einmal etwa 500 US-Dollar pro Quadratmeter investiert werden. Das hat in der Vergangenheit die Anmietung von neuen Flächen gebremst. Bei Flächen aus zweiter Hand sollte genau geprüft werden, in welcher Qualität der Vornutzer seine Umbauten ausgeführt hat und ob sie zu den eigenen Anforderungen passen.

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