Geschlossene Fonds

Auswirkungen des Urteils vom 11. Mai 2006 für die Berlin-Fonds

Nach dem Urteil vom 11. Mai 2006 ist das Land Berlin berechtigt, den Wohnungsbau- und Wohnungsverwaltungsunternehmen in Form von Geschlossenen Immobilienfonds nach Ablauf der 15jährigen Grundförderung die zunächst für weitere 15 Jahre vorgesehene Anschlussförderung zu verweigern. Kernaussage des Urteils: Mit der Grundförderung sei das Land Berlin keine rechtlich bindende Verpflichtung zur Gewährung der Anschlussförderung eingegangen. Dem hatten die Anleger zahlreiche Argumente entgegengesetzt.

- Die Gesamtfinanzierung der Projekte war stets erkennbar auf die Dauer der Anschlussförderung angelegt.

- Auch die Bürgschaften, die im Rahmen der Finanzierung vom Land Berlin übernommen wurden, stellten auf diese Förderdauer ab.

- Es war seit Beginn der Wohnungsbauförderung 1972 stets von den verantwortlichen Politikern bekräftigt worden, dass mit der Anschlussförderung gerechnet werden könne.

- Die berechtigte Erwartung, in den Genuss der Anschlussförderung zu kommen, folgte aus dem Eigentumsrecht, den ausdrücklichen Regelungen des Wohnungsbaurechts und dem Schutzzweck der gesetzlichen Bestimmungen.

- Im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen überwogen die Interessen auch wirtschaftlich stark betroffener Investoren am Fortbestand der Subventionspraxis gegenüber dem Interesse des Landes Berlin an der Einstellung der Anschlussförderung.

All diesen Argumenten ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Derzeit wird noch geprüft, ob gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes Verfassungsbeschwerde eingelegt werden soll. Die Erfolgsaussichten einer solchen Verfassungsbeschwerde sind aber erfahrungsgemäß gering. Außerdem wäre nicht in absehbarer Zeit mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen.

Unmittelbare Folgen des Urteils

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird schwer wiegende wirtschaftliche Folgen sowohl für die betroffenen Anleger als auch für den sozialen Wohnungsbau selbst haben. Den Berlin-Fonds, die ihre Finanzierung auf die Anschlussförderung ausgerichtet haben, droht kurzfristig die Zahlungsunfähigkeit. Wenn keine grundlegenden wirtschaftlichen Lösungen gefunden werden, werden Masseninsolvenzen der Fondsgesellschaften der bisherigen Bewirtschaftung unvermeidbar sein.

Die hieraus folgenden Kosten fallen aber wiederum dem Berliner Haushalt zur Last, zumal die Bundesregierung bestätigt hat, dem Land Berlin nicht die Hälfte seiner Bürgschaftsverpflichtungen in Höhe von 450 Millionen Euro abnehmen zu dürfen. Außerdem werden die Mieten im sozialen Wohnungsbau nach dem Ausfall der Subventionen auf die Marktpreise heraufgesetzt werden. Für Tausende von betroffenen Mietern wird dies nicht mehr finanzierbar sein, so dass sie zum Auszug gezwungen sind.

Schadenersatzansprüche gegen das Land Berlin

Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Landes Berlin und sein Image sind nun schwer wiegend erschüttert. Den Anlegern stehen nach einem Gutachten von Prof.Dr.Schwintowski von der Hum-boldt-Universität Berlin nun auch Schadenersatzansprüche wegen der fehlerhaften Prospektangaben gegen das Land Berlin aus dem Gesichtspunkt der Finanzierungsverantwortung zu. Die Geltendmachung dieser Ansprüche dürfte noch bis zum 31. Dezember 2006 möglich sein, bevor Verjährung eintritt.

Die rechtlichen Fragestellungen zur Prospektverantwortlichkeit öffentlicher Stellen sind allerdings bislang noch nicht entschieden. Es ist grundsätzlich offen, wie die Gerichte diese Fragen beantworten werden. Es gibt realistische Anhaltspunkte für eine vollständige Rückabwicklung (und Enthaftung) des einzelnen Anlegers auf dem Wege solcher Prospekthaftungsklagen.

Hierfür sind aber gegebenenfalls mehrere Instanzen und mehrere Jahre Verfahrensdauer erforderlich. Es wird so aber in jedem Fall wirtschaftlicher Druck auf das Land Berlin ausgeübt, um doch noch öffentliche Fördermittel zur Sanierung zu erhalten.

Die Anleger werden im Übrigen nun verstärkt von den finanzierenden Banken und Fondsgesellschaften angeschrieben und zur Beteiligung an der Sanierung der Fonds aufgefordert. Hierbei sollten einige wichtige Verhaltensweisen beachtet werden:

Ist der Fonds wirtschaftlich notleidend geworden, ist zu prüfen, ob ein Sanierungskonzept sinnvoll ist. Voraussetzung hierfür sollte zunächst eine Konsolidierung der Bankfinanzierung sein, die zum Beispiel durch einen teilweisen Erlass der Darlehensforderung möglich ist.

Wichtige rechtliche Unterstützung für solche Verhandlungen mit der Bank bietet die Frage der Haftung der Gesellschafter für die Bankverbindlichkeiten der Fonds, die immer noch nicht abschließend vom BGH geklärt ist: Sofern die Bank riskiert, dass sie ihre Ansprüche wegen unwirksamer Haftungsvereinbarungen nicht gegen die einzelnen Gesellschafter durchsetzen kann, sollte sie an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sein.

Sinnvoll ist hierbei auch die Strategie, möglichst die Interessen vieler einzelner Gesellschafter zu bündeln. So können gegenüber der finanzierenden Bank Ansprüche der Gesellschaft geltend gemacht und die einzelnen Gesellschafter vor Rückforderungs- beziehungsweise Nachschussforderungen bewahrt werden.

Außerordentliche Kündigung

Erst wenn sich herausstellt, dass die gemeinsame Vertretung der Gesellschafterinteressen in einem notleidenden Fonds nicht möglich ist (zum Beispiel bei großen Publikumsgesellschaften), sollte der einzelne Gesellschafter persönlich die Konsequenzen aus der Lage ziehen. Er muss sich dann fragen, ob und wann er die außerordentliche Kündigung seiner Beteiligung erklären soll und auf diese Weise seine Haftung gegenüber der Gesellschaft begrenzt.

Zunächst gilt also auf Gesellschafterebene, dass eine ausreichende Mehrheit von Gesellschaftern hinter der außergerichtlichen Verhandlungsstrategie stehen muss. Idealerweise sollten die Verhandlungen von einem Beirat begleitet werden, der die Interessen der Gesellschafter vertritt.

Sanierung der Gesellschaft durch Erlass der Darlehensforderung

Zusammenfassend lässt sich als Strategie empfehlen, möglichst die Gesellschafterinteressen zu bündeln, um gemeinsam gegenüber der finanzierenden Bank ihre rechtlichen Risiken vor Augen zu führen. Ein entsprechendes Bewusstsein für die rechtlichen Probleme ist bei den meisten Banken, die mit Fondsfinanzierungen befasst sind, inzwischen vorhanden. Daher ist eine sinnvolle wirtschaftliche Sanierung der Gesellschaft grundsätzlich dem Alleingang von Gesellschaftern, einer Klage gegen die Bank oder gar der Kündigung vorzuziehen.

Voraussetzung für ein sinnvolles Sanierungskonzept sollte zunächst eine verbindliche Konsolidierung der Bankfinanzierung sein, die zum Beispiel durch einen teilweisen Erlass der Darlehensforderung möglich ist. Wichtige rechtliche Unterstützung für solche Verhandlungen mit der Bank bieten die oben dargestellten vertraglichen Rahmenbedingungen.

Der Bank ist vor Augen zu führen, dass sie unmittelbare Ansprüche gegenüber den Gesellschaftern häufig nicht geltend machen kann. Darüber hinaus dürfte ihr außer der Grundschuld, die ihr nur die Zwangsvollstreckung in die (nicht ausreichend werthaltigen) Fondsimmobilien ermöglicht, keine Vollstreckungstitel vorliegen.

Zu warnen ist vor der Leistung von Sonderzahlungen, bevor die Banken eine substanzielle und verbindliche Sanierungsvereinbarung bewilligt haben. Hier können sich die Anleger grundsätzlich darauf berufen, dass sie nicht zu Nachschüssen verpflichtet sind.

Ausweg einvernehmliche Lösung

Sofern den Banken vor Augen geführt wird, dass sie ihre Ansprüche nicht oder nur in reduziertem Maße gegen die Gesellschaft beziehungsweise die einzelnen Gesellschafter durchsetzen kann, sollte sie an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sein. Erst wenn eine solche einvernehmliche Lösung nicht möglich erscheint, empfiehlt sich, eine gerichtliche Klärung der Angelegenheit herbeizuführen.

Darüber hinaus kommt für den einzelnen Gesellschafter, der seine Beteiligung selbst über einen Kredit finanziert hat, die Möglichkeit in Betracht, "seine" Bank in Anspruch zu nehmen. Auch hier besteht die beste Verhandlungsbasis für eine wirtschaftliche Lösung (zum Beispiel Darlehensreduzierung et cetera), wenn der individuelle Darlehensvertrag über einen Treuhänder finanziert wurde und deshalb unwirksam ist. Ob ein Rechtsscheintatbestand vorliegt, muss gegebenenfalls im Einzelfall geprüft werden. Auch die Möglichkeit eines Widerrufs ist hier zu prüfen.

Schließlich sollte das Land Berlin trotz des nun ergangenen Urteils weiterhin seinen Beitrag zur weiteren wirtschaftlichen Perspektive des sozialen Wohnungsbaus leisten, da es ansonsten noch mit weit höheren Kosten zu rechnen hat, wenn es die oben genannten Schadenersatzklagen der Anleger in Kauf nimmt. Außerdem spricht selbst das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil an, dass gegen das Land Berlin ein Anspruch auf angemessene Entschädigung besteht, wenn sich wohnungsbaurechtliche Eigentumsbindungen als unverhältnismäßig erweisen. Dies wird vom Einzelfall abhängen. Es wäre daher zu begrüßen, wenn sich alle Beteiligten nun an den Verhandlungstisch setzen und den entstandenen und noch drohenden wirtschaftlichen Schaden außergerichtlich minimieren.

Appell an das Land Berlin und die Banken

Das Land Berlin ist aufgefordert, weiter alternative Konzepte zur Aufrechterhaltung eines minimierten Subventionsaufwandes zu verfolgen. Entsprechende Konzepte sind von den betroffenen Anlegern und Fachverbänden längst entwickelt, vom Land Berlin bislang aber leider ignoriert worden.

Die finanzierenden Hypothekenbanken, vor allem die Berlin Hyp, die Eurohypo, die Hypo Real Estate und andere, sind aufgefordert, eine wirtschaftliche Sanierung der Fonds zu begleiten und zu unterstützen. Hierzu sind Reduzierungen der Kreditverbindlichkeiten der Fondsgesellschaften sowie Zinsanpassungen zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Liquidität der Fonds erforderlich.

Wenn auf diese Weise alle Beteiligten an einer Schadensteilung mitwirken, werden auch die betroffenen Anleger bereit sein, im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten Sanierungsbeiträge in Form von überschaubaren Nachschüssen zu leisten.

Prüfung der persönlichen Haftungssituation

Bis sich solch eine Lösung abzeichnet, sollten die betroffenen Anleger aber umgehend ihre persönliche Haftungssituation im jeweiligen Fonds sowie die bereits entwickelten oder noch zu entwickelnden Sanierungskonzepte prüfen lassen.

Hierfür bieten unabhängige und spezialisierte Anwälte oder entsprechende Interessengemeinschaften Hilfe an. Eine Beteiligung an "Sanierungslösungen", die allein Einzahlungen der Gesellschafter ohne Beteiligung der Banken oder des Landes Berlin vorsehen, muss von den Anlegern abgelehnt werden.

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