Leitartikel

Die Angst und die Immobilien

Eigentlich - nein: überhaupt - wissen wir recht genau, wie man Inflation macht. Wir wissen, dass man dem widersprüchlichen Konstrukt "Mensch" nur massenhaft Geld in sein lockeres Händchen zu geben braucht, um seine eingebaute Gier nach Besitz, Macht, Genuss zur hemmungslosen Nachfrage auf meist relativ knappe Ressourcen stoßen zu lassen. Dann steigen die Preise. Und nun haben die besseren Europäer eben Angst, dass ihre erzwungene Fürsorge für die schlechteren Europäer aus frisch gedrucktem Geld bestritten wird. Nie in den letzten fünfzig Jahren ist die Angst der Deutschen größer gewesen, dass die Preise für alles, was ihnen wert und nötig erscheint, "demnächst" furchtbar steigen, weil Euromärkte nach mehr künstlicher Nachfrage schreien, finanziert aus direktem oder indirektem EZB- Kredit. Und diese antizipierten Preissteigerungen (schon die Antizipation sei eine Inflationsquelle, behaupten bekanntlich die Geldmenschen) wollen die überaus ordentlichen Bürger jetzt verständlicherweise in Werterhöhungen für ihr Vermögen münden lassen, um damit einem voraussichtlich immer teureren Alltag gewachsen zu sein.

Also wird derzeit an "Inflationssicherheit" gewaltig gebastelt, von freien wie angestellten Vermögensberatern, von Selbstunterhaltern und massenhaft sonstigen guten Freunden. Aber - die Rezepte für "Inflationsschutz" sind ja in diesen undurchsichtigen Verhältnissen nicht sonderlich schlüssig darzubieten. Der Goldpreis, gewiss, notiert ganz oben. "Gold glänzt immer, wenn Krisen Düsternis verbreiten." Das sagt die Erfahrung schon lange. Aber sie sagt noch länger, dass Gold das feinste aller Spekulationsobjekte ist, sehr wohl auch manipulierbar, kartellkontrolliert und überhaupt nicht blasensicher. Der eigene Goldhaufen ist deshalb noch alleweil ein verflixt wackeliger Thron gewesen, umso höher man ihn baut. Also doch besser mit echten "Sachwerten" die Anlagen inflationsgemäß wachsen lassen? Denn Termingeld, Spargeld mit einem Prozent und drumherum, da ist man doch bereits bei der aktuellen Geldentwertungsrate im Verlust. Somit Aktien und Verwandtes? Gewiss, die Indizes stehen stabil. Aber wenn die Zahlungsausfälle des EZB-Systems kommen, die Dax-Papiere Forderungsausfälle abschreiben, die Optionen höchstens noch zu hedgen sind? Also - doch Immobilien?

Die Immobilienofferten "zwecks Anlage" sind dieser Tage noch schöner geworden, die Eigenheimempfehlungen noch dringlicher. Im Schnitt scheinen beider Preise wirklich zu steigen. Ausdrücklich als Inflationsschutz wird beides dennoch eher verhalten beworben. "Weiche" Faktoren wie persönliches Wohlbefinden, wie die fühlbare Attraktivität von Lage, Lage, Lage beherrschen die Bildunterschriften. Und dann natürlich die "günstige Finanzierung", als besonders beliebtes Sparda-Bank-Argument. Was nur ausnahmsweise in den Bejubelungen steht, sind bemerkenswerterweise die Rendite- respektive Wertsteigerungsaussichten.

Auch hier mag Gelerntes in Vorsicht münden. Denn Immobilienanlagen aller Art sind eher schlecht durch die jüngsten Krisen gekommen. Wenn die Einkommen an Realwert fürs eher Alltägliche verlieren, bricht Immobiliennachfrage schnell ein oder ab. Nicht allein in den immer noch anhängigen Prozessen über die Differenzen zwischen Beleihungshöhe und Marktwerten wird die Erinnerung an Zeiten wachgehalten, wo die Wertbeständigkeit von Mietwie Eigenobjekten sich rapide verminderte. Und hinzu kommt auch die greifbare Vorsicht der Finanzierer heute. Zum einen wollen sie nicht höher als unbedingt "marktmäßig" beherrschbar ins Risiko. Also sind die Beleihungen im Schnitt oft niedriger im Auslauf als noch vor wenigen Jahren. Zum anderen ist da die Sache mit dem extrem niedrigen Zins. Er ist für Bausparkassen, Versicherer und Kreditinstitute derzeit bereits unterhalb des Erträglichen. Der Zinsüberschuss in den Ertragsrechnungen neigt dazu, keiner mehr zu sein. Es wird gen Jahresende massenhafte Personalkostensenkungen geben müssen. Die aktuellen Niedrigzinsen möglichst kurzfristig zu vereinbaren, ist deshalb verbreitete Strategie - auch wenn alle Institutshoffnungen auf Zinswenden zum Höheren angesichts der Zentralbankpolitik sehr klein sein müssen.

Die fortgesetzte Geldschwemme des Eurosystems kann man zwar aus ausgesprochener Elfenbeinturm-Arroganz heraus täglich beschimpfen. Aber die Notenbanken können heute doch nur zwischen Pest - Inflationsanregungen - und Cholera - Marktausfälle - wählen. Wie sehr die Preise vom billigen Geld getrieben werden, weiß dennoch niemand genau genug. Aber es gibt unter zwei Aspekten ein bisschen Zuversicht. Erstens scheinen die Europäer vom billigen Geld weniger in Rauschzustände versetzt zu werden als zuletzt die Amerikaner. Zweitens wirkt die Europäische Zentralbank trotz ihrer Ankaufsprogramme nicht hilflos. Sie betreibt schon jetzt mehr Offenmarkt-Instrumente als zunächst vermutet. Ob sie wirken? Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X