Aufsätze

Vom Spielgeld zum Schwundgeld nur ein kleiner Schritt

Nicht nur für die Deutsche Bank, aber auch für sie sind Tage hereingebrochen, von denen der Prophet sagte: "Sie gefallen mir nicht." In den USA muss sich das Kreditinstitut vor Gericht mit allen Kräften gegen milliardenschwere Betrugsvorwürfe beim Handel mit gebündelten Immobilienkrediten wehren.1) In Pforzheim hat das deutsche Bankhaus seinen Prozess, die Kommune "hinter das Licht" geführt zu haben, bereits verloren.2)

Verheimlichte "Kick-back"-Provisionen hat der BGH wiederholt verworfen und damit die ganze Branche in Aufruhr versetzt, ohne dass nach außen erkennbar wird, welche Bank in welchem Umfang mitgemacht hat.3) Nicht die Regierungen, die Gerichte haben den Banken das Fürchten gelehrt. Und durch sein Investment als Hotelier in der Spielhölle Las Vegas hat die Deutsche Bank als "global player" die letzten Reste ihres guten Rufs buchstäblich aufs Spiel gesetzt.4) Hermann Josef Abs, der frühere Chef der Deutschen Bank, hätte sich in Las Vegas niemals auch nur blicken lassen!

Folgen der deregulierten Gewinnmaximierung

Banken- oder Budgetkrise: was kam zuerst? Beides kam zugleich, beides führte in die Katastrophe! Dem vierten Finanzmarkt-Förderungsgesetz (BGBl I 2010) sind schon drei andere vorausgegangen. Dem vierten dieser Förderungsgesetze fiel § 764 BGB zum Opfer und wurde aus dem Gesetzbuch getilgt.

Dabei ist es bis heute geblieben. Spiel und Wette haben seither auf den Finanzmärkten freien Lauf. Die Folgen liegen auf der Hand. Die deregulierte Gewinnmaximierung führt schon auf den Finanzmärkten nicht in ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, sondern - angefeuert von vier Finanzmarkt-Förderungsgesetzen - direkt in das gesamtwirtschaftliche Fiasko!

Der Streit darüber, ob die Bankenkrise die Budgetkrise ausgelöst oder umgekehrt die Budgetkrise die Bankenkrise verursacht habe, ist ein Streit "um des Kaisers Bart". Das "defizit spendig" der Staaten nährte das Geschäft der Banken. Das Prinzip der kaufmännischen Vorsicht, immer auch das Ende zu bedenken und sich für den Worst Case zu wappnen, wurde gerade von der Deutschen Bank in den Wind geschlagen. Sie hat das haftende Eigenkapital so gering wie möglich gehalten und sich öffentlich gebrüstet, die Kapital-Rendite vor allem mit zwielichtigen Spekulationsgeschäften - beschönigend als Investmentbanking bezeichnet - in zweistellige Höhe zu treiben. Nach der Katastrophe hatte das Kreditinstitut kleinlaut beigedreht und das Kapital aufgestockt - jedenfalls moralisch ein verdecktes Schuldeingeständnis.

Banken- und Budgetkrise gehören zusammen. Um es akademisch zu formulieren. unterliegt das Volk, die Gesellschaft, der Staat, wie immer man es nennen will, grundsätzlich dem Gesetz der Interdependenz aller wirtschaftlichen, geistigen und moralischen Einflussfaktoren. Der Finanzmarkt ist keine Privatsache, der Staatshaushalt noch viel weniger. Und wegen der Interdependenz dieser und aller anderen wirtschaftlichen Einflussfaktoren muss das ganze Staatswesen der sichtbaren Hand des Gesetzgebers untergeordnet werden, die im Sinne des Gemeinwohls die Dinge regelt oder dem Privatrecht überlässt und so in ein gesamtwirtschaftliches und gesamtgesellschaftliches Gleichgewicht bringt.

Schneeball-Effekte und Finanzwetten

Die "Finanzindustrie" ist keine Industrie, "Bankprodukte" sind keine Handelswaren, und das Investmentbanking ist des Gegenteil von einer auf Dauer angelegten Investition. Das "banking english" verdeckt und verschleiert eine große Lebenslüge. Es verdeckt und verschleiert, was hier eigentlich passiert. Es verdeckt und verschleiert die weltweite Aufblähung des Geldvolumens durch die Spekulation. Steuerflucht wird zum Beispiel als Off-shore-Banking bezeichnet. Und jedermann weiß, dass man geliehenes Gut nicht verkaufen darf, weil man nicht der Eigentümer ist. Zwar wird der gutgläubige Erwerb geschützt, aber der Hehler muss den Schaden ersetzen.

Doch wenn sich jemand Aktien oder andere Wertpapiere ausleiht, sie verkauft, obwohl sie ihm nicht gehören, in der Absicht, solche Papiere, die gegeneinander austauschbar - fungibel - sind, bei sinkenden Kursen wieder aufkaufen und zurückgeben zu können, dann darf man das nicht als Arbitrage bezeichnen, die einen volkswirtschaftlichen Sinn habe und auf den Finanzmärkten sogar die Preise stabilisiere. Dann darf man dem nicht irgendeinen englisch formulierten Namen geben, der sich mit drei Buchstaben abkürzen lässt. Solche Leerverkäufe sind ungesetzlich und in Deutschland spät genug, aber zu Recht verboten worden.5)

Spiel und Wette als Alltag des Investmentbanking

Ein Flugzeug, das nicht ordnungsgemäß gewartet wurde, bekommt keine Starterlaubnis. Und genau so muss man auf den Finanzmärkten vorgehen: Banken aus Staaten, die Leerverkäufe dulden, bekommen in Deutschland Startverbot. Banken, die weltweit operieren, und ihren Sitz in Ländern haben, in denen die Leerverkäufe geduldet oder sogar gefördert werden, weil die ungesetzlichen Machenschaften angeblich den nationalen Finanzplatz "aufblühen" lassen, dürfen auf deutschem Boden keine Bankgeschäfte betreiben.

Das Gleiche gilt für heimische Banken, die Leerverkäufe off-shore betreiben. Und dazu muss zum Beispiel der Sachverständigenrat in seinen Jahresgutachten Farbe bekennen, die Gesetzgebungsmaßnahme durchdenken, formulieren, vertreten, erläutern und offensiv in wenigen unmissverständlichen Sätzen einfordern.

"Mit Geld spielt man nicht! "6) Ausgenommen in der Werbung einer Versicherung hat diese Maxime in den Lehrbüchern über Geld und Kredit keinen Eingang gefunden. Gewiss, "Banken sind keine Spielbanken".7) Und trotzdem gehören Spiel und Wette nach wie vor zum Alltag des Investmentbanking. Hartz-IV-Empfänger dürfen keine Lotto-Scheine ausfüllen und keine Sportwetten eingehen.8) Wenn die Banken Fi-nanz-Wetten abschließen und dabei sogar die Einlagen ihrer Kunden mit aufs Spiel setzen, erfüllt das die Tatbestandsmerkmale der Veruntreuung. Kein Sparkassendirektor kann die Spareinlagen seiner Kunden abheben, im nächstbesten Kasino in Jetons wechseln und aufs Spiel setzen, ohne wegen schwerer Veruntreuung ins Gefängnis zu wandern!

Fehlendes Vertrauen in das Geld

Doch weil man um die Finanzplätze, die Gewinne und Steuern in Frankfurt, London und New York so überaus besorgt ist, stellt niemand Strafantrag. Und eine Finanz-transaktions-Steuer ist der Versuch des Staates, an den Missständen mitzuverdienen. Am Ende verkommt das Geld zum Spielgeld - und wo kein Kläger, da kein Richter. Der Handel mit Derivaten, mit De-rivaten-von-Derivaten und Derivaten-von-Derivaten-von-Derivaten blüht auf, die in Wahrheit auf englische Namen getaufte Schneeball-Effekte sind. Und Schneeball-Systemen kann man schon nach geltendem Recht vor Gericht den Garaus machen! Die ausufernde Spekulation drängt so das seriöse Kreditgeschäft an den Rand. Das spekulativ in Umlauf gebrachte Geldvolumen bläht sich auf, bis die Blase auf eine fast lächerlich kleine Nadelspitze trifft und platzt, schon einmal geplatzt ist und wieder platzen wird.

Der Weg vom Spielgeld zum Schwundgeld ist viel kürzer als man glauben möchte. An der Teuerung des Goldes kann man zuerst ablesen, was zu erwarten ist. Der Preis für diesen historisch tradierten natürlichen Maßstab des Geldes ist geradezu explodiert. Das Geld wird gegenüber dem Gold "gewogen und zu leicht befunden". Trotz dieses Menetekels ist noch alles ruhig.

Doch um das Vertrauen in das Geld steht es keineswegs zum Besten. Niemand kann voraussagen, wann der Sturm auf die Bankschalter einsetzt, wenn auf den Finanzmärkten das Vertrauen buchstäblich "verspielt" wird. Die Firma Siemens erregte Aufsehen, weil sie ihre liquiden Mittel nicht mehr bei einer der Großbanken ihres Vertrauens, sondern bei der Zentralbank anlegt.9) Andere Finanzvorstände werden folgen, und dann berichten Presse und Medien darüber. Einen Tag später kommt es zu einem "run" auf die Bankschalter ...

Bankenrettung eine Sache der Bundesbank, nicht der Bundesregierung

Es ist deshalb in Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Tagungen zu erörtern, ob die Notenbanken ihre Goldbestände - natürlich nicht unter Wert und sogar zu einem Fixpreis, sondern nach dem perennierenden Höchstwertprinzip - auf dem Markt anbieten soll, um dem Geld so eine gewisse Gegenständlichkeit ihres ursprünglichen Tauschwerts zurückzugeben, die Vertrauen schaffen und drohende Inflationserwartungen abbauen kann. Freilich hatte die frühere Goldbindung der Währungen schwere Konstruktionsfehler, die man besser nicht wiederholen sollte.

Gewiss, die Banken mussten gerettet werden, das war klar. Aber wie sie gerettet worden sind, das war ein schwerer Fehler. Sie sind von den Regierungen gerettet worden. Die Notenbanken spielten eine Nebenrolle. Die Haushalte liefen noch mehr als ohnehin aus dem Ruder, weil die Bankenrettung Milliarden verschlang. Parlament und Regierung liefen wie ein aufgeschreckter Hühnerhof durcheinander.

Ein schlüssiges Konzept, ein Einsatzplan für die Feuerwehr auf den Finanzmärkten hatte niemand in der Schublade. Es wurden Spareinlagen garantiert. Es wurden Banken gerettet. Es wurden Rettungsschirme für ganze Staaten aufgespannt. Sogar eine Art Europäischer Währungsfonds wurde aus dem Hut gezaubert. Alles geschah in einem wilden Zickzack an politischen Verlautbarungen, deren Halbwertszeit beim Zerfall ihrer Gültigkeit nicht Wochen, sondern Tage betrug.

Geld als öffentliches Gut

Ganz von vorne: Das Geld - lateinisch "pecunia", ein Wort, das sich von "pecus", das Kleinvieh, herleitet - zeigt schon etymologisch die Verwurzelung des Geldwesens im Tausch. Am Anfang stand das Bartergeschäft: zwei Hühner gegen eine Gans. Die Lydier prägten die ersten Münzen.10) Und so entstand das Geld. Mit zunehmender Abstraktion durch die Assignaten - sprich Papiergeld - und heute durch die Kreditkarten - sprich elektronisches Geld - entfernte sich das Tauschmittel von der zugrunde liegenden Substanz und wurde, von aller Gegenständlichkeit entblößt, immer mehr zu einem bloßen Anspruch auf einen bestimmten Teil des arbeitsteilig erstellten Sozialprodukts, eine bloße "Wertmarke", ein elektronisch gespeichertes "Bezugsrecht" für den es keinen greifbaren Gegenwert mehr gibt.

Heute ist das Geld längst kein privates Handelsgut mehr, wie eine Taube, ein Huhn oder ein Kaninchen. Diese Zeiten sind vorbei. Mit seiner Entfernung vom Tausch ist das Geld immer mehr zu einem öffentlichen Gut geworden. Hier herrscht nicht die Privatperson, die im Rahmen der Gesetze mit dem Geld tun und lassen darf, was sie will. Das Geldwesen ist vielmehr ein öffentliches Gut, das in seinen Fundamenten hoheitlich zu organisieren und hoheitlich zu garantieren ist. Allein die gewaltige Geldschöpfungsmacht, die sich aus dem elektronischen Geld ergibt, zwingt zu einer zumindest halbstaatlich organisierten Struktur des gesamten Bankensystems, in dem die Bundesbank zusammen mit der Europäischen Zentralbank die Aufsicht führt und im Zweifel die autonome gewerbepolizeiliche Machtbefugnis hat, auf die Banken unmittelbaren Zwang auszuüben.

Autonome Zentralbank als Garant des Geldwesens

Deshalb ist es grundfalsch, die Banken als Privatunternehmen zu betrachten. Mit Geld kann man nur in sehr begrenztem Umfang Geschäfte machen. Spiele und Wetten haben in Bankhäusern überhaupt nichts verloren. Glücksspiele gehören in die Spielbanken und Buchmachergeschäfte auf die Rennbahnen, die für ihr Gewerbe eine staatliche Konzession benötigen. Das vom Zufall abhängende, das aleatorische Risiko muss aus den zulässigen Bankgeschäften verbannt werden.11)Das alles gilt natürlich nicht nur für die ohnehin schon öffentlichen, sondern auch für sogenannten Privatbanken.

Der Staat in Gestalt der autonomen Zentralbank ist der Garant des Geldwesens. Geldpolitik ist Sache der politisch unabhängigen Notenbanken. Die Sorge um die Sicherheit der Einlagen ist daher nicht Sache der Bundesregierung, sondern der Bundesbank. Bankenrettung gehört nicht ins Parlament, sie gehört europaweit in die Hand der EZB. Diese verfügt über eine fast unbegrenzte Geldschöpfungsmacht. Sie kann den Geschäftsbanken so viele Kredite einräumen, wie notwendig sind, um die Kundeneinlagen jederzeit vollständig auszuzahlen.

Kommt eine Geschäftsbank in Bedrängnis, weil sie die gewöhnlichen Risiken, die das Kreditgeschäft immer mit sich bringt, nicht zutreffend eingeschätzt hat, dann ist es Sache der Notenbank rechtzeitig, geräuschlos und schweigend einzugreifen. Nachdem der Bundesbank die Bankenaufsicht wieder uneingeschränkt rückübertragen wurde12) und sie deshalb am besten informiert ist, muss sie die Bankschalter deutscher Kreditinstitute offen halten und marode gewordene Banken abwickeln. Liegt schuldhaftes Verhalten vor, sind die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Ein "too big to fail" hat hier keinen Platz!

Geldpolitik nicht in den Bundestag

Im Ergebnis wurde die Geldpolitik aus der Hand der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank in die Hand des Bundestags und der Bundesregierung gelegt. Durch das Jahrzehnte andauernde "defizit spending",13) die aufgetürmte Staatsverschuldung also, sind die Haushalte ohnehin schon prekär genug. Überall in Europa liegt die alljährliche Nettoverschuldung weit über dem wichtigsten Maastricht-Kritrium von drei Prozent des BIP. Der aufgelaufene Schuldenstand überschreitet die Marke von 60 Prozent des BIP Jahr für Jahr. Und nun kommt eine milliardenschwere Bankenrettung hinzu. Wie soll das weitergehen?

Dabei ist die Arbeitsteilung zwischen Bundesbank, Bundesregierung und Bundestag denkbar einfach. Die Regierung hat dafür zu sorgen, dass die im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben der Daseinsvorsorge angepackt und die dafür erforderlichen, laufenden Ausgaben des Staates grundsätzlich durch Steuern finanziert werden. Dieser Grundsatz ist ohne Wenn und Aber in die Verfassung aufzunehmen. Dadurch werden Gesetzgebung und Regierungshandeln möglichst zeitnah dem Wählerwillen unterworfen.

Notorische Sparunfähigkeit als Achillesferse der Demokratie

Steigen die Wahlgeschenke, steigen die Steuern. Seit Adam Smith gilt der Satz, dass die Staatsschulden die investiven Ausgaben nicht überschreiten dürfen. Diesen Grundsatz haben die Urheber der Verfassung im Grundgesetz von 1949 verankert. Und fast 20 Jahre hat niemand daran gedacht, an Art. 115 GG auch nur ein Komma zu ändern. Doch dann kam es anders. Die Schuldenbremse wurde gelockert. Die Wirtschaftswissenschaftler verlangten das sogar. Einige tun es noch heute. Und seit dieser Zeit werden im Abschwung der Konjunktur Schulden gemacht und im Aufschwung nicht zurückgeführt.

Die notorische Sparunfähigkeit ist zur Achillesferse der Demokratie geworden. Und zurückgezahlt wird durch die Geldentwertung. Der Sparer bekommt am Ende der Laufzeiten mit entwertetem Geld zurück, was er dem Staat zuvor anvertraut hat. Das Schwundgeld ist keine abwegige Erfindung von Silvio Gesell,14) sondern gelebte Wirklichkeit: Die Sparer stellen am Ende ihre Spartätigkeit ein.

Besinnung auf die Aufgaben des Parlaments

Schwingt sich in dieser Situation die Bundesregierung unbefugt auch noch zur Bankenretterin auf, dann gibt es kein Halten mehr. Dann gibt es keine Rettung. Dann stolpert der Staat selbst auf den Staatsbankrott zu. Schrottbanken werden über viele Jahre mit finanzpolitischen Herz-Kreislauf-Pumpen am Leben erhalten, obwohl sie klinisch tot sind. Aus dem drohenden Ende mit Schrecken wird ein Schrecken ohne Ende. Der Staat wird von der Tsunami-Welle seiner Ausgaben überrollt, die alles mit sich reißt. Der Supergau tritt ein: Der Staat wird unbezahlbar und zahlungsunfähig. Im Sommer 2011 standen die USA kurz davor.

Dabei gehört das Geld- und Kreditwesen gar nicht in den Bundestag. Die Legislative ist für die Gesetze zuständig. Sie schafft den rechtlichen Rahmen der Geldwirtschaft, das Notenbankrecht, das Wechseldas Scheckrecht, das Bilanzrecht, die rechtlichen Schranken für die Finanzplätze. Sie verbietet zum Beispiel die Leerverkäufe. Sie sorgt dafür, dass in den Banken keine Spiele und Wetten abgeschlossen werden können, und schon gar nicht mit Einlagen von Bankkunden. Sie durchleuchtet die betrügerischen Bankpraktiken bei der Kundenberatung und wartet nicht ab, bis die Richter das tun. Sie verwehrt den internationalen Finanzhaien, die von den Leerverkäufen nicht lassen können, oder verbotswidrig "off-shore" betreiben, den Zutritt zum Staatsgebiet. Das ist die Aufgabe des Parlaments!

Wenn aber der Bundestag die Geldpolitik an sich zieht und auch das Verfassungsgericht hier nicht klärend eingreift, sondern das Parlament indirekt sogar noch bestärkt, Rettungsschirme aufzuspannen, um damit die heimischen Banken vor dem Kollaps zu bewahren, wenn der Staat so Befugnisse der autonomen Notenbanken an sich reißt,15) dann ... ja? ... was dann? Nichts! Dann ist das so! Und dann bleibt es dabei! Jeder Staat hat die Gesetze, die er sich gibt und die er verdient. Daran wird niemand etwas ändern.

Verfassungsrecht statt Völkerrecht

Gewiss, der Euro ist in Misskredit geraten. An den Missständen auf den Finanzplätzen, an den aufgetürmten Staatsschulden, die ein Niveau erreicht haben, das sich ohne Inflation - sprich Enteignung des Sparers nicht mehr abtragen lässt, ist nicht der Euro schuld. Man kann nicht sagen: Das Geld war Täter. Geld ist immer unschuldig. Denn Geld-an-sich ist schuldunfähig. Die Zeiten sind vorbei, als römische Kaiser noch ihr Pferd auspeitschen ließen, weil sie eine Schlacht verloren hatten.

Es war aber von Anfang an ein schwerer Fehler, sich bei der Einführung des Euro auf den Vertrag von Maastricht zu verlassen. Denn die berühmten fünf Stabilitätskriterien sind völkerrechtlicher Natur. Und jeder weiß, dass man das Völkerrecht nicht mit unmittelbarem Zwang durchsetzen kann. Ist schon der föderative Bundeszwang problematisch genug,16) um wie viel mehr muss das für Europa gelten. Man kann nicht mit der Kavallerie in der Schweiz einrücken und dort mit blankem Säbel die Steuerhinterziehung auszumerzen, wie Peer Steinbrück als Bundesfinanzminister den Eidgenossen - schnodderig scherzhaft - angedroht hat. Daher gibt es nur einen Weg: Die Stabilitätskriterien des Vertrags von Maastricht müssen in welcher Form und welchem Wortlaut auch immer in den Verfassungen der Mitgliedstaaten verankert werden.

Wer Mitglied der EU sein und bleiben will, muss deshalb in der Verfassung des Landes folgende Garantien niederlegen:

Erstens: Die Staatsausgaben sind grundsätzlich mit Steuern zu finanzieren.

Zweitens: Die Staatsschulden dürfen die Staatsinvestitionen nicht überschreiten.

Drittens: Ausnahmen können nur auf Zeit und nur mit verfassungsändernden Mehrheiten beschlossen werden.

Staaten, die diese Regeln nicht in adäquater Form in ihrer Verfassung verankern, können zwar den Euro als Geld benutzen, wenn sie das wollen, haben aber in den Einrichtungen Europas keine Stimme, bekleiden keine Führungspositionen und erhalten aus der gemeinsamen europäischen Kasse keine Mittel. Und man wird sehen, was passiert.

Gemeinwohl als Maßstab für die Finanzmarktregulierung

Wenn dann noch das Gemeinwohl zum Maßstab für die überfällige Regulierung der Finanzmärkte gemacht wird - also Arglist, Betrug und Spielsucht unnachgiebig ausgemerzt werden - kehrt wieder Ruhe ein. Und die Notierungen an den Börsen machen einen Freudensprung. Nach langer Krankheit nimmt der Patient sein Bett und geht. So würden es vielleicht die Physiokraten formulieren, die als erste die volkswirtschaftlichen Kreisläufe entdeckt haben. Spanien will in seine Verfassung einen Schuldendeckel aufnehmen.17) Portugal denkt wohl auch darüber nach.18) Selbst in den USA haben die Konservativen dem Präsidenten angeboten, diesen Weg gemeinsam zu gehen.19) Präsident Barack Obama und die Demokraten gingen aber nicht darauf ein.

"Wer mit Tränen sät, wird mit Jubel ernten", so tröstet der Psalmist alle, die sich zur Umkehr entschlossen und die Schmerzen der Wende auf sich nehmen. Medizin schmeckt bitter. Und wenn sie keine Nebenwirkungen hat, dann hat sie auch keine Wirkung. Soviel ist klar: Niemand kann sparen, ohne sich einzuschränken.

Fußnoten

1) Die Federal Housing Finance Agency (FHFA) hat am 2. September 2011 beim Bezirksgericht von Manhattan Klage gegen 17 Großbanken eingereicht. Es geht dabei um gebündelte Immobilienkredite im Wert von 196 Millionen Dollar, woran die Deutsche Bank mit 14,2 Millionen Dollar beteiligt ist. Der Vorwurf: Diese "Bankprodukte" seien ohne ausreichende Bonitätsprüfung "geschnürt" und verkauft worden. Vgl. die Berichte in der Tagespresse zum Beispiel WAZ vom 3. September 2011: "Großbanken droht Klagewelle in den USA/Auch die Deutsche Bank soll Kunden nur unzureichend über Risiken von Hypothekenpapieren informiert haben"; oder Süddeutsche Zeitung vom 5. September 2011: "Abwehrkampf mit allen Mitteln".

2) Vgl. OLG Stuttgart (Az 9 U 148/08) vom 27. Oktober 2010, ZIP 2010; und BGH (Az XI ZR 33/10) vom 22. März 2011; kommentiert von RA Kirchberg bei Publicus Ausgaben 2010.02 und 2011.04 im Internet unter www.publicus-boorberg.de.

3) Hat eine Bank ihren Kunden verheimlicht, dass sie für die Vermittlung eines Investments Kick-back-Provisionen - "Retrozessionen" - erhalten hat, können diese von der Bank den Ersatz des Schadens verlangen. Vgl. BGH (Az IX ZR 56/05) vom 19. Dezember 2.2006; und BGH (Az. XI ZR 586/07) vom 13. Oktober 2008; sowie BGH (Az. XI ZR 210/07) vom 17. Februar 2009; außerdem OLG Stuttgart (Az 9U 129/10) vom 16. März 2011.

4) Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 20. November 2010: "Ackermann kauft Kasino - Deutsche Bank investiert vier Milliarden in Las Vegas."

5) Vgl. § 30h Wertpapierhandels-Gesetz.

6) So der Wortlaut eines Werbespots der Aachen-Münchner Versicherungen.

7) Vgl. dazu auch Hettlage, ZfgK 18-2009, Seiten 887 ff: "Kreditinstitute sind keine Spielbanken". auch Sinn, "Kasino-Kapitalismus", 2. Auflage 2009, mit zahlreichen weiteren Hinweisen zu den Finanzwetten.

8) Vgl. dazu Süddeutsche Zeitung vom 20. September 2011: "Casino Royal/Die Wetten des Skandalhändlers Kwueku Adopoli sind Teil einer schädlichen Spekulationskultur (...)". Hartz-IV-Empfänger dürfen keine Sportwetten abschließen. Kabarettisten weisen im Übrigen gerne darauf hin, das die "Hartz-Gesetze" die einzigen Gesetze sind, die nach einem Vorbestraften benannt wurden.

9) Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 21. September 2011: "Siemens geht auf Nummer sicher/Der Münchner Konzern zieht offenbar Kapital bei Geschäftsbanken ab und parkt es bei der EZB".

10) Vgl. Hermann Diels, Die Vorsokratiker.

11)Vgl. dazu auch Hettlage ZfgK 11-2010, S. 564 ff: "Vom Glück geprägte Geldgeschäfte, das aleatorische Risiko".

12) Die wichtigsten Rechtsgrundlagen sind das Kre-ditwesen-Gesetz und die Solvabilitäts-Verordnung.

13) In seiner Regierungserklärung zum Beginn der 7. Legislaturperiode (1976 bis 1980) hat Bundeskanzler Helmut Schmidt das "defizit spending" zum erklärten Ziel seiner Regierungstätigkeit gemacht. Finanzminister Matthöfer konnte sich an ihrem Ende darüber freuen, dass ihm die auflagenstarke Gewerkschaftszeitung "metall" am 20. August 1980 das Titelblatt: "Ohne Schulden ist kein Staat zu machen" widmete.

14) Jean Silvio Gesell, 1862 bis 1930 (Finanzminister in der bayerischen Räterepublik von 1919) wollte den Nominalwert des Geldes nach Plan ständig verringern, (Schwundgeld) um den Geldumlauf zu beschleunigen und in der Depression das Horten von Geld zu verhindern.

15) Vgl. BVerfG (2 BvR 987/10) vom 7. September 2011: Das Gericht in Karlsruhe hat in seinem Urteil zu den Rettungsschirmen in Europa es zwar nicht gesagt, suggeriert aber, die Bankenrettung sei Sache des Parlaments.

16) Zum Bundeszwang vgl. Art. 37 GG.

17) Vgl. FAZ vom 25. August 2011: "Zapatero will Schuldenbremse rasch durchsetzen"; auch WAZ vom 27. August 2011: "Spanien zieht Schuldenbremse". Die Schuldenbremse soll aber erst 2012 beschlossen werden und 2020 in Kraft treten, Zeit genug also für die Finanzmärkte, um es gar nicht erst soweit kommen zu lassen.

18) Portugal vgl. FAZ vom 29. August 2011, Leitartikel.

19) Der Schuldendeckel in den USA dient dazu, dem Präsidenten bis zu einer festgelegten Obergrenze freie Hand bei der Staatsverschuldung im Kriegsfall zu geben. Im Sommer 2011 wurde in den USA erbittert darum gestritten, diese rechtlich gezogene Schuldenobergrenze noch zu überschreiten, anders wären die USA am 2. August 2011 zahlungsunfähig geworden. Vgl. die Berichterstattung in der Tagespresse Ende Juli 2011.

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