DIGITALISIERUNG

"Wer glaubt, mit Cloud oder Quantum warten zu können, wird überrollt" Interview mit Andreas Wodtke

Andreas Wodtke, Foto: IBM

Banken haben in Sachen Digitalisierung noch ein gutes Stück des Weges zu gehen, sagt Andreas Wodtke. Zunächst sollte Convenience auf der Agenda stehen, bei der Neobanken und Fintechs immer noch die Nase vorn haben. Wenn es um die Frage nach der Cloud geht, sind fehlende Standards und regulatorische Risiken häufig ein Hinderungsgrund. Allein schon aus Kostengründen, so Wodtke, werden Banken es sich jedoch nicht leisten können, auf Cloud-Anwendungen zu verzichten. Denn ohne sie wird sich das erforderliche Maß an Skalierbarkeit und Agilität nicht stemmen lassen. Red.

Durch die Pandemie beschleunigt, ist die Digitalisierung im Bankbereich angekommen. Welche Hürden gibt es noch und welche Innovationen kann man in Zukunft in diesem Bereich erwarten?

Wer als Finanzinstitut glaubt, noch einige Zeit mit der Vorbereitung auf Technologien wie Datenmodernisierung, Cloud oder Quantum warten zu können, wird in Kürze von der Entwicklung überrollt werden. Bigtechs haben sich längst in Stellung gebracht und erproben real Methoden und Verfahren, um Stück für Stück in klassische Banking-Bereiche vorzudringen, Beispiel Kredit oder Payment. Diese Unternehmen sind nicht nur finanzstark, sie stützen sich auf datengetriebene Plattformen, sind rasche Innovationszyklen gewohnt und verfügen über einen potenten Technologie-Background. Das sind starke Wettbewerber, die Banken vor Herausforderungen stellen, die durch Abwarten nicht kleiner werden. Die Aufgabe ist folglich, das eigene Institut zukunftsfest aufzustellen und dabei die Kern-Assets von Banken - die Kundennähe, den Service und das über lange Jahre gewachsene Kundenvertrauen - zu bewahren und zu nutzen. Plattformtechnologien und starke Partnerschaften können dabei ein Weg in eine erfolgreiche Zukunft sein.

In der Tat haben Mobile Payment und Mobile Banking in der Pandemie einen Schub erfahren - und das, obwohl die Handhabung durch die Umsetzung der PSD2-Regularien zwar sicherer, aber zugleich etwas unkomfortabler geworden ist. Das zeigt, dass hier noch ein gutes Stück des Weges zu gehen ist.

Der nächste Schritt ist meiner Meinung nach etwas, das mit "Convenience Banking" umschrieben wird. Gemeint ist die Befriedigung dreier zentraler Kundenbedürfnisse: Die Einfachheit im Zugang, die intuitive Nutzung und schließlich die vollständige Digitalisierung. Viele Institute beschäftigen sich bereits mit dem letztgenannten Punkt, aber was die ersten beiden Themen betrifft - da sind Non- und Neobanken in der Regel schneller, experimentierfreudiger. Und sie treffen gerade bei den jungen, digital-affinen Mobil-Nutzern auf eine hohe Bereitschaft, diese Services zu nutzen oder zumindest auszuprobieren.

Sind Sicherheit und Convenience miteinander vereinbar? Oder geht ein hohes Sicherheitsniveau automatisch mit einem Verlust an Einfachheit einher?

Ich bin der Meinung, dass das Thema Sicherheit nicht automatisch ein Innovationshindernis darstellen muss, im Gegenteil - clevere, kundenfreundliche Security-Maßnahmen können ihrerseits eine eigene Innovationskategorie sein. Ein Beispiel ist etwa die virtuelle Einweg-Mastercard der Smartphone-Bank Sync, bei der der Sicherheitscode (CVC) beliebig oft geändert werden kann.

Welche Bedeutung haben Cloud- Anwendungen im Bankbereich?

Der Anteil von Anwendungen im Banking-Bereich, die derzeit Cloud-basiert laufen, bei lediglich 16 Prozent. Das wird sich aber meiner Meinung nach rasch ändern.

Warum ist die Branche hier noch so zurückhaltend?

Für die Cloud prädestinierte Anwendungen sind häufig geschäftskritisch und datensensibel. Daher liegt es auf der Hand, dass regulatorische Risiken und fehlende Standards ein Hinderungsgrund sein können, wenn es um die Frage "Cloud oder klassisch?" geht. Das bestätigt auch der KPMG Cloud Monitor. Laut dieser Untersuchung liegen die größten Hürden im Bereich Compliance und Security. Hinzu kommt die Frage um das notwendige Vertrauen. Zwischen Bank und Cloud-Anbieter gibt es eine verteilte Zuständigkeit, das will erst einmal sortiert werden.

Weshalb sehen Sie dennoch einen raschen Trendwechsel in Richtung Cloud?

Die Vorteile einer Cloud sind zu bedeutend, als dass es sich Banken leisten können, sie nicht zu nutzen: 24/7-Verfügbarkeit, Skalierbarkeit auch bei stark schwankenden Leistungsspitzen und eine konsistente Datengrund lage. All das lässt sich mit herkömm lichen Architekturen nicht mit identischer Agilität und Kostenstruktur realisieren. Daher geht der Trend in Richtung Cloud. Das hat auch der Cloud Monitor 2021 des Bitkom gezeigt: Bis 2025 werden voraussichtlich bis zu 74 Prozent der produktiven Anwendungen in der Cloud laufen.

IBM hat sich bereits seit vielen Jahren mit den speziellen Anforderungen beschäftigt, die besonders regulierte Branchen an Konzeption und Betrieb einer Cloud-Architektur stellen. Aus dieser Erfahrung heraus wissen wir, welche Vorbehalte bestehen und wie wir diesen begegnen können. Aus diesen Gesprächen und Erfahrungen haben wir einen vierstufigen Prozess aufgesetzt, der den Cloud-Lösungen zugrunde liegt.

Zunächst wurde ein Standard-Kontrollrahmen, das Financial Services Cloud Framework, aufgesetzt. Dieses bildet die Grundlage für Sicherheit und Steuerung der Referenzarchitektur und beinhaltet unter anderem auch ein abgestimmtes Set an Compliance-Anforderungen. Im zweiten Schritt wurde ein Portfolio entsprechend angepasster Cloud-Services definiert und konsistente Baupläne zur Implementierung von Anwendungen geschaffen. Drittens wurde sichergestellt, dass alle vorhandenen Anwendungen im Einklang mit diesen Anforderungen sind. Das gilt auch für die Anwendungen von Softwarehäusern oder Partnern. Schließlich sorgen wir für unabhängige Audits.

Was verbirgt sich hinter der Garage für Banken?

Mit der IBM Garage bieten wir ein "Co-Creation-Engagement" bis zu acht Wochen an. In Zusammenarbeit mit dem Garage-Banking-Team von IBM aus Designern, Data Scientists, Cloud Engineers, Solution Architects, Business Transformation Consultants, DevOps- und Sicherheitsspezialisten, geht es darum, innovative Ideen zu generieren und diese mithilfe von Methoden und Fachkenntnissen innerhalb von wenigen Wochen in geschäftlichen Mehrwert umzuwandeln. Dabei stellen wir sicher, dass neueste Hybrid, Cloudund AI-Technologien eingesetzt werden, um sichere, belastbare und skalierbare Infrastrukturen und Anwendungen zu etablieren. Es geht nicht darum, ein komplettes Business Model zu entwickeln, einen "Service Blueprint" bis ins letzte zu detaillieren oder die Gesamtarchitektur einer Lösung komplett auszuarbeiten, es geht vielmehr um zügiges, validiertes Lernen. Um die härteste mögliche Nuss, die bisher eine Umsetzung oder Entscheidung verhindert hat, in der Realität zu erproben und dann zu schauen, was man in der Umsetzung gelernt hat.

Andreas Wodtke , Vice President Banking Financial Markets, , IBM Deutschland GmbH, Düsseldorf

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