SICHERHEIT

Finanzbranche im Plattformfieber - aber die Sorge wächst

Drei Viertel der Finanzdienstleister sehen ihr Geschäftsfeld von Plattformen bedroht Quelle: Sopra Steria, Potenzialanalyse digitale Plattformen

In der digitalen Welt wird es immer schwieriger, sich von direkten Wettbewerbern zu unterscheiden. Darin sind sich 59 Prozent der Finanzdienstleister in Deutschland einig. 92 Prozent bezeichnen in diesem Umfeld digitale Plattformen als sehr wichtiges oder wichtiges Thema für die Branche. Denn Bündelprodukte mit Leistungen unterschiedlicher Unternehmen aus einer Hand werden in der digitalen Welt immer wichtiger. Dem stimmen 80 Prozent der Befragten aus der Finanzbranche voll oder eher zu.

Zu diesen Ergebnissen kommt die "Potenzialanalyse Digitale Plattformen" von Sopra Steria, für die 355 Entscheider und Fachspezialisten aus verschiedenen Branchen befragt wurden, darunter 134 aus der Finanzbranche (aus 30 Banken, drei Versicherungsunternehmen und fünf sonstigen Finanzdienstleistungsunternehmen).

Die Konsequenz: 66 Prozent der befragten Finanzunternehmen nehmen bereits an mindestens einer Plattform teil, 42 Prozent sind sogar Initiator einer eigenen Plattform. 34 Prozent geben an, derzeit Know-how aufzubauen. Keine andere Branche ist damit so aktiv in Sachen Pattformökonomie wie Banken und Versicherer. Nur sechs Prozent von ihnen geben an, Plattformen seien für ihr Unternehmen derzeit nicht relevant. In öffentlicher Verwaltung und bei Versorgern sowie im verarbeitenden Gewerbe meinen das doppelt so viele der Befragten.

Abhängigkeit von Plattformbetreibern befürchtet

Die Branche befindet sich aber nicht kritiklos im Plattformfieber. Sondern die Sorge vor einer wachsenden Abhängigkeit ist beträchtlich. "Die Marktmacht dominierender Plattformen wird zu kritischen Abhängigkeiten für Unternehmen führen" - dieser Aussage stimmen 48 Prozent der Befragten aus der Finanzbranche voll, weitere 47 Prozent eher zu. Und die Finanzbranche sieht sich in weitaus höherem Maße von Plattformen bedroht als die öffentliche Verwaltung/Versorgungsunternehmen oder das verarbeitende Gewerbe. Hier sehen 44 Prozent der Studienteilnehmer das eigene Geschäftsmodell schon heute von Plattformen bedroht (verarbeitendes Gewerbe 13 Prozent), weitere 31 Prozent in einigen Jahren.

Die größte Gefahr geht aus Sicht der Finanzdienstleister von branchenspezifischen und NIschenplattformen aus (83 Prozent). Am zweithäufigsten werden Plattformen der großen Tech-Unternehmen genannt (61 Prozent). Vergleichsplattformen folgen mit 44 Prozent auf dem dritten Platz. Das Internet der Dinge hingegen macht der Finanzbranche offenbar weniger Sorge (10 Prozent).

Drei Viertel erwarten verstärkten Preiswettbewerb

Vorteile von Plattformen sieht die Branche vor allem auf der Kostenseite (76 Prozent), beim Erreichen neuer Kunden (69 Prozent) und darin, eine Alternative zum eigenen Vertriebssystem zu haben (65 Prozent). Fast doppelt so stark wie die Teilnehmer aus öffentlicher Verwaltung/Versorgern und verarbeitendem Gewerbe glauben die Finanzdienstleister, von Innovationen anderer Unternehmen - in ihrem Fall die Fintechs - profitieren zu können (43 Prozent).

Bei der Frage nach den Risiken werden neben der drohenden Abhängigkeit von den Plattformbetreibern vor allem ein verstärkter Preiswettbewerb (73 Prozent) und ein Verlust der Kundenschnittstelle (67 Prozent) genannt. Einen Preiskampf erwarten die Finanzdienstleister mit Abstand am häufigsten.

Unter dem Strich überwiegen die Vorteile

Und dennoch: Unter dem Strich überwiegen die Vorteile. Das meinen 63 Prozent aller für die Studie Befragten, von den Finanzdienstleistern sogar 71 Prozent. Bei der Frage nach den Voraussetzungen, um erfolgreich an digitalen Plattformen teilzunehmen, unterscheiden sich die Einschätzungen der Befragten aus der Finanzbranche vor allem bei zwei Aspekten von denen der übrigen Befragten: durchgehend digitale Prozesse (57 Prozent) und eine agile Unternehmenskultur (58 Prozent) haben aus ihrer Sicht einen deutlich höheren Stellenwert. In der Gesamtstichprobe nennen nur 51 beziehungsweise 47 Prozent der Probanden diese beiden Aspekte als Erfolgsfaktor. Weitgehend einig ist man sich dagegen in der Einschätzung, dass es mit Blick auf die Plattformen einer Strategie bedarf. Das steht für die Studienteilnehmer aller drei Branchen ganz oben.

Zur Zusammenarbeit mit Wettbewerbern auf einer Plattform sind 62 Prozent aller Befragten grundsätzlich bereit - unter den Finanzdienstleistern stolze 77 Prozent. Bevorzugte Kooperationspartner sind für sie vor allem junge Tech-Unternehmen (58 Prozent, gegenüber 40 Prozent in der Gesamtstichprobe), gefolgt von Unternehmen aus der eigenen Branche (52 Prozent) und Finanzdienstleistern (42 Prozent), aber auch Unternehmen aus anderen Branchen (41 Prozent). Große Tech-Unternehmen stehen dagegen mit 22 Prozent auf der Wunschliste der Finanzbranche in Sachen Kooperationen nicht ganz oben - aber immer noch vor direkten Wettbewerbern (20 Prozent). Red.

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