Marktforschung

Falsche Akzente gesetzt?

Zwei Drittel der Bankkunden in Deutschland würden sich auf der Suche nach Beratung in Finanzangelegenheiten zuerst an ihre Hausbank wenden. Das geht aus dem FIS Pace Index hervor, einer jährlichen Verbraucherbefragung von mehr als 10 000 Bankkunden in zehn Ländern. 55 Prozent setzen auf persönliche Beratung und jeder Zweite rechnet in den nächsten zwölf Monaten mit einem Ereignis, das Finanzentscheidungen impliziert - sei es nun der Erwerb einer Immobilie oder eines Fahrzeugs oder auch der Eintritt in den Ruhestand. Beratungsbedarf ist also offenbar vorhanden - aber 91 Prozent der deutschen Bankkunden haben aktuell keinen Finanzberater. Die Quote der "Beraterlosen" liegt damit weit über dem globalen Durchschnitt von 74 Prozent.

Lassen deutsche Filialbanken also ihre Potenziale in der Beratung, mit der sie doch eigentlich punkten wollen, ungenutzt, weil sie zu sehr mit anderen Dingen, darunter der Digitalisierung beschäftig sind? In vielen Fällen mag das sicher stimmen. Aber die Potenziale sollten auch nicht zu hoch eingeschätzt werden. Zum einen braucht und wünscht nicht jeder Kunde eine Beratung. Zum anderen müssen Banken und Sparkassen mit den teuren Beratungskapazitäten auch haushalten. Und das wiederum impliziert, dass sie nicht jedem Kunden, der nicht selbst einen Beratungswunsch anmeldet, aktiv ein Gespräch anbieten können.

Gar so unzufrieden kann die breite Masse derer, die keinen persönlichen Berater haben, mit dieser Situation auch gar nicht sein. Denn im internationalen Vergleich stehen deutsche Banken in Sachen Kundenzufriedenheit gut da. Von 100 maximal möglichen Punkten erzielten sie 87 Punkte und sicherten sich damit wie schon im Vorjahr den Spitzenplatz vor den US-Banken und weit über dem weltweiten Durchschnitt.

Entscheidende Faktoren sind dabei für die Deutsche Sicherheit, Fairness, Verlässlichkeit und Transparenz, wobei die größten Defizite bei Fairness, Verlässlichkeit und Transparenz gesehen werden.

An anderer Stelle - nämlich bei Vernetzung, Omnikanal und Digitalen Payments leisten die Banken deutlich mehr als die Kunden erwarten. Auch beim Thema Innovation übertreffen die Leistungen die Erwartungen. Im Vorjahresvergleich haben die Ansprüche in puncto innovative Produkte und Dienstleistungen zwar zugenommen. Unter den 18 abgefragten Kriterien rangiert das Thema Innovation aus Sicht deutscher Kunden dennoch nur auf Platz 16. Auch andere Studien haben zuvor schon zutage gebracht, dass das Innovationstempo vielen Bankkunden eher zu hoch als zu langsam ist.

Einfachheit ist den Deutschen wesentlich wichtiger als immer das Neueste zu bekommen. Als Beispiel führt die Studie das persönliche Finanzmanagement an. Obwohl mittlerweile fast jede Banking-App einen persönlichen Finanzplaner beinhaltet, nutzen 86 Prozent der Smartphone- und/oder Tablet-Nutzer solche Anwendungen nicht.

Unter dem Strich heißt das: Gut aufgestellt sind die deutschen Banken aus Kundensicht vor allem bei Themen der Digitalisierung. Nur sind das leider nicht jene Kriterien, denen die Kunden besondere Bedeutung beimessen. Hier gilt es vielleicht achtzugeben, die Akzente nicht zu sehr an jenen Stellen zu setzen, die aus Kundensicht keine sonderliche Priorität genießen. Die Lücke zwischen Erwartungen und tatsächlicher Wahrnehmung bei Transparenz und Fairness ist aus Kundensicht viel wichtiger. Red.

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