Im Gespräch

"Unsere Zielgruppe ist die durchschnittliche Familie"

Seit rund zehn Jahren ist die Credit Europe Bank in Deutschland als Retailbank aktiv. Welche Veränderungen in den Marktstrukturen haben Sie in dieser Zeit als besonders signifikant wahrgenommen?

Die Credit Europe Bank hat ihren Geschäftsbereich Consumer Banking und insbesondere Consumer Savings in Holland gestartet. Dort wurden erste Erfahrungen gesammelt. Später hat die Bank, die damals noch Finansbank hieß, das Konzept nach Deutschland importiert. Für die Finansbank war Deutschland der größte Markt. Dort wurde 1998 eine Zweigstelle eröffnet, 1999 startete das Retailbanking in Deutschland. Das Institut begann mit dem Online-Vertriebskanal, eröffnete dann einige Filialen, doch diese verschwanden später wieder.

Die größte Veränderung in dieser Zeit: Vor zehn Jahren gab es noch keine Direktbanken! Außerdem war der Fokus auf Tagesgeld nicht so stark ausgeprägt. Noch vor zehn Jahren waren die Zinsen für täglich verfügbares Geld relativ niedrig, während die Zinsen für Festgeld viel höher waren. Man erhielt einen kräftigen Bonus, wenn man in der Lage und bereit war, sein Geld für fünf oder zehn Jahre anzulegen. Im Internet ist es einfacher, den Kunden zu erreichen; für den Kunden wiederum wird der Zugang zum Geld erleichtert. Das machte das Tagesgeld noch attraktiver.

Die Direktbanken vergegenwärtigen nun den größeren Banken, dass sie ebenfalls höhere Zinssätze anbieten müssen. Selbstverständlich haben die Filialbanken eine ganz andere Kostenstruktur, sie müssen die Filialen, mehr Personal und beispielsweise Sicherheitssysteme finanzieren. Aber wenn sie sich stärker zentralisieren, so wie wir - und natürlich andere - das tun, dann können sie ebenfalls bessere Konditionen anbieten.

Welche Lehren können Sie aus den anderen europäischen Ländern auf Deutschland übertragen?

Vielleicht sind es nicht direkt Lehren, aber es gibt sicherlich Konzepte, die interessant sind. In Holland sind flexible Produkte wie zum Beispiel revolvierende Kredite besonders gefragt, bei denen die Bank von einer quasi unbegrenzten Laufzeit profitiert. Andererseits könnte das deutsche Dispo-Konzept in Holland interessant sein, da es in Holland kaum ausgeprägt ist, einer Bank aber lukrative Verdienstmöglichkeiten über einen langen Zeitraum bietet.

Ein kleineres Beispiel in diesem Zusammenhang wäre, dass es mir als Holländer seltsam erscheint, wie die Deutschen bei Krediten ihre Kommissionen an die Broker zahlen. In Holland wird diese Gebühr über die Laufzeit des Kredits verteilt. Wenn der Kunde die Bank wechselt, nimmt er den Kredit mit, hört an der einen Stelle auf, Kommission zu zahlen, und beginnt an der anderen Stelle damit.

Wachsen die Märkte in Europa spürbar stärker zusammen?

Ja natürlich, wir sind das beste Beispiel dafür. Unsere Zentrale sitzt in Amsterdam, das Retailbanking ist hier in Deutschland zentralisiert und betreut auch Kunden aus Holland und Belgien. Es gibt immer mehr international tätige Banken. Und Sie können als Privatkunde beispielsweise ohne Probleme ein Konto in Holland eröffnen.

Welchen Stellenwert hat das Deutschlandgeschäft in Ihrem Konzern?

Die Credit Europe Gruppe braucht Liquidität, um zu wachsen. Für die Refinanzierung unserer Aktivitäten ist uns das Privatkundengeschäft in Deutschland und Europa also sehr wichtig. Das Privatkundengeschäft ist durch seine Stabilität für jede Bank als Refinanzierung relevant. Und wenn die Bank kein extrem seltsames Geschäftsgebaren an den Tag legt, dann bleiben die Kunden treu. Sie wechseln nicht wegen eines Viertel-Prozentpunktes zum Mitbewerber.

Man könnte doch vermuten, dass Sie mit Top-Konditionen vor allem die Schnäppchenjäger anziehen, und dass insbesondere diese Kunden recht wechselfreudig agieren?

Diejenigen Kunden, die über das Internet zu uns kommen, sind meist etwas gebildeter als der Durchschnitt. Sie schauen sich im Netz nach den besten Konditionen um und sind sicherlich wechselwilliger als andere. Und selbstverständlich nimmt der Anteil der sogenannten Schnäppchenjäger zu. Doch so extrem, wie immer behauptet wird, sind die Kunden nicht. Zudem ist der Markt sehr groß: 82 Millionen Menschen leben in Deutschland und sie verfügen über ein enormes Sparvolumen. Und nicht alle diese Menschen wechseln ständig ihre Bank.

Selbstverständlich verliert man im Laufe der Zeit einige Kunden, aber das kann auch den einfachen Grund haben, dass diese Menschen ihr Geld ausgeben möchten, anstatt es weiterhin bei uns anzulegen. Mit einem guten Service und guter Kommunikation kann man den Großteil der Kunden im Haus halten.

Wie viele Einlagen von Privatpersonen verwalten Sie in Deutschland? Beziehungsweise: Welchen Anteil haben die Einlagen deutscher Kunden an den Gesamteinlagen?

In Deutschland hatten wir zum Jahresende 1,85 Milliarden Euro an Einlagen von Privatpersonen, das ist ein Anteil von rund 60 Prozent an den Gesamteinlagen. Welche Nischen sind im deutschen Privatkundengeschäft interessant?

Wir bieten nur eine begrenzte Zahl an Produkten an, zum Beispiel Anlageprodukte wie Tagesgeld und Festgeld, aber auch Raten- und Abrufkredite. Daher verstehen wir uns als Nischenbank. Wir wollen in der Produktgestaltung das Rad nicht neu erfinden. Doch natürlich sehen wir uns nach neuen Märkten in Europa um. Derzeit sind wir in Belgien, Deutschland und Holland aktiv. Zum Jahresbeginn 2008 haben wir auch in Malta eine Niederlassung eröffnet.

Im Firmenkundengeschäft gibt es natürlich noch Nischen. In der Handelsfinanzierung ist es unsere Herausforderung, ständig nach Ländern Ausschau zu halten, in denen das Risiko noch akzeptabel ist, aber die Margen trotzdem auskömmlich sind.

Wer ist Ihr Hauptwettbewerber in Deutschland?

Alle Banken, die interessante Zinssätze auf Anlageprodukte bieten, sind unsere Wettbewerber. Natürlich möchte die Credit Europe für das Geld der Kunden nicht wesentlich mehr bezahlen, als es im Markt nötig ist. Doch wir wollen im Wettbewerb bestehen. Als Direktbank ist es unser Schicksal, dass wir eher anonym sind. Warum sollten uns die Kunden also mögen? Deswegen müssen unsere Angebote besonders attraktiv gestaltet werden - der Preis ist eben sehr wichtig.

Selbstverständlich leben wir auch von den Rankings unabhängiger Institutionen wie beispielsweise Finanztest. Wenn andere Banken, zum Beispiel Advanzia, besser bewertet werden als wir, dann rechnen wir sie zu unseren Wettbewerbern.

Kann man in Deutschland noch Geld verdienen - obwohl der Wettbewerb immer stärker über den Preis ausgetragen wird?

Das hängt von der Bank ab. Als Nischenbank ist unsere Gruppe auf der Aktivseite der Bilanz vor allem in der Handelsfinanzierung tätig - und zwar in den Schwellenländern und den ehemaligen Schwellenländern. Dort sind die Spreads durchaus akzeptabel und wir können profitabel arbeiten.

Sind Sie mit dem Geschäftsjahr 2007 zufrieden? Haben Sie Ihre Ziele erreicht?

Wir sind mit dem Geschäftsjahr 2007 in allen Bereichen sehr zufrieden (siehe Tabelle Geschäftszahlen). In allen Geschäftsbereichen sind wir deutlich gewachsen, konnten unser Anlagevolumen sogar nahezu verdoppeln. Auch der Namenswechsel brachte keine Einbußen und wir können unseren Wachstumskurs weiter verfolgen.

Im vergangenen Jahr hat die heutige Credit Europe Gruppe aus organisatorischen Gründen den Namen der Bank sowie Logo und Marktauftritt verändert. Wie viel Geld haben Sie ausgegeben, um die neue Marke Credit Europe zu promoten?

Etwas mehr als eine halbe Million Euro haben wir dafür eingesetzt. Aber wir nutzen diese Mittel natürlich auch, um unsere Produkte zu bewerben. Wir sind sowohl in den Printmedien als auch im Internet vertreten.

Der Bekanntheitsgrad ist natürlich wichtig für eine kleine Bank wie die unsere. Doch wenn Sie 1 000 Deutsche fragen würden, ob sie schon einmal von Credit Europe gehört haben, dann würden vermutlich 999 davon sagen, dass sie uns nicht kennen. Deshalb müssen wir im Markt etwas mehr zahlen. Auch diese Zinsen, die wir an den Kunden zahlen, sind ein Investment, das man unter Marketing verbuchen könnte.

Wer ist Ihre Zielgruppe in Deutschland? Und im Konzern?

Wir fokussieren in allen Ländern weder die typische Privatbank-Klientel noch betreiben wir Ethnic Banking. Unsere Zielgruppe ist die durchschnittliche Familie: Erwachsene zwischen 30 und 50 Jahren, mit Kindern, einem Auto und einem Haus und natürlich mit Internetzugang. Diese Familien haben vielleicht 5 000 bis 10 000 Euro gespart. Diese können sie bei uns anlegen.

Wieso betreibt die Credit Europe Gruppe kein Ethnic Banking?

Wir haben das Konzept in Holland ausprobiert, aber es funktionierte nicht so recht. Die Gruppen sind zu klein und zu heterogen. Es gibt so viele verschiedene ethnische Gruppen - man kann sich auf Türken, Russen, Marokkaner oder andere Gruppen fokussieren, die sich dann wiederum stark unterscheiden in der Sprache, den Medien, die sie nutzen und in der Mentalität. Selbstverständlich kann aber jede Person aus dieser Gruppe bei uns Kunde werden.

Unser Vorläuferinstitut, die Finansbank, war die fünftgrößte Bank in der Türkei, doch dort war sie lange Zeit nur den Firmenkunden bekannt. Es dürfte also sogar viele türkische Privatpersonen geben, die die Bank nicht kennen. Das ändert sich derzeit, doch nun gehören wir nicht mehr zur Finansbank.

Über welches Produkt gewinnen Sie die meisten Neukunden?

Das Tagesgeldkonto ist unser Ankerprodukt. Wie erfolgreich sind Sie im Cross-Selling?

Die Kundentreue hängt nicht nur vom Service und den Konditionen ab, sondern natürlich auch davon, wie viele Produkte ein Kunde in unserem Haus hat. Nutzt der Kunde nur ein Produkt und wird unzufrieden, dann ist er für die Bank meist verloren.

Unsere Cross-Selling-Rate liegt nahe bei eins. Daran müssen wir mittelfristig arbeiten. Bis 2010 werden wir weitere Produkte einführen, die verwandt sind mit denen, die wir bereits jetzt anbieten. Die Durchdringung muss dann höher werden.

Vorstellbar ist es, dass wir beispielsweise eine Karte zum Tagesgeldkonto anbieten und einige Versicherungen hinzufügen. Es ist jedoch schwierig, Cross-Selling zu betreiben, denn die Kunden kennen uns als Anlagebank. Und sie haben in jedem Fall eine Hausbank, die ebenfalls Cross-Selling betreibt.

Wie viel Zahlungsverkehr verträgt ein Produkt wie das Tagesgeldkonto überhaupt? Ist solch eine Kombination von Tagesgeld und Karte überhaupt möglich?

Normalerweise bieten Banken Sparprodukte an, um die Einlagen der Kunden längerfristig zu nutzen. Wenn man den Kunden immer einfachere Möglichkeiten gibt, an ihr Geld zu kommen, dann verliert man die Spareinlagen leicht, die Fluktuation ist hoch. Aber andererseits braucht man das Produkt vielleicht, um mit dem Wettbewerb mitzuhalten.

Vor einigen Jahren war es der einzige Weg, an sein Geld zu kommen, dass man zur Bank ging, ein Papier ausfüllte und die Scheine nach Hause trug. Heute sind auch Spar-Produkte sehr viel offener geworden und diese Entwicklung wird sich fortsetzen.

Planen Sie, ein Girokonto anzubieten?

Wir denken darüber nach, doch das ist sehr aufwendig. Um für den Kunden und die Bank einen echten Mehrwert zu schaffen, muss man ein ausgereiftes Produkt anbieten. Es wäre denkbar, eine Art Zwischenprodukt zu entwerfen, das aussieht wie ein Girokonto, jedoch einige Einschränkungen hat und dafür besser verzinst ist.

Wie wichtig ist dem deutschen Privatkunden die Einlagensicherung?

Die Anleger genießen bei der Credit Europe einen hundertprozentigen Einlagensicherungsschutz bis zu einem Betrag von 20 000 Euro. Zusätzlich werden Guthaben zwischen 20 000 und 40 000 Euro zu 90 Prozent garantiert.

Außerdem ist unser Institut der Regulierung der niederländischen Zentralbank unterstellt. Und doch sind die Kundengelder beim allergrößten Teil der deutschen Banken noch besser abgesichert.

Einigen Menschen ist das Thema sehr wichtig und in der Öffentlichkeit wird ihm ein großes Gewicht eingeräumt. Doch wenn Sie bedenken, dass der durchschnittliche Einlagebetrag auf einem Anlageprodukt zwischen 8 000 und 10 000 Euro beträgt, erübrigt sich diese Diskussion, denn diese Beträge sind voll geschützt.

Der Fokus der Credit Europe liegt nicht auf den vermögenden Privatkunden, die 100 000 Euro auf einem Tagesgeldkonto anlegen, auch wenn das selbstverständlich möglich ist.

Im Geschäftsbericht 2006 betonen Sie die Relevanz von Kooperationen im Vertrieb. Welche Kooperationen sind Sie in Deutschland bereits eingegangen?

Wir arbeiten vor allem auf der Kreditseite mit Partnern zusammen. Zum Beispiel mit dem Heinrich Vogel Verlag, der Unterlagen für Fahrschüler und Führerscheinprüfungen produziert. Der Verlag vertreibt über die Fahrschulen eine Führerscheinfinanzierung der Credit Europe. Auch andere Händler vermitteln uns Kreditprodukte und erhalten dafür eine Kommission.

Für Sparprodukte ist eine solche Zusammenarbeit jedoch kaum nötig. Was wir anbieten ist bereits attraktiv, es verkauft sich quasi von selbst.

Wie beurteilen Sie die Diskussion, die in Deutschland von Banken und Verbraucherschützern zum Thema Restschuldversicherung geführt wird?

Wir verkaufen eine Restschuldversicherung, doch sie ist nicht obligatorisch. Der Kunde hat die Wahl, ob er das Produkt abschließen möchte. Für den Kunden hat das Produkt natürlich ebenso positive Effekte wie für die Bank: Mit einer Versicherung ist das Risiko für das Kreditinstitut geringer und der Kunde zahlt weniger Zinsen.

Welcher Anteil Ihrer Kreditnehmer hat eine Restschuldversicherung abgeschlossen?

Etwa 40 Prozent. Im Online-Vertrieb ist es noch weniger, da das Produkt auch der Beratung bedarf. Online-Kunden neigen dazu, es einfach wegzuklicken.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus Ihrer im Dezember des vergangenen Jahres vorgestellten Studie zu Frauen und Geld in Europa?

Natürlich werden wir jetzt keine neuen Produkte erfinden. Wir werden uns aber im Marketing stärker auf Frauen konzentrieren. Hier ist das Potenzial noch groß.

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