Im Gespräch

"Deutschland ist unser zweiter Heimatmarkt"

Wie charakterisieren Sie den Retailbanking-Markt in Deutschland im Jahre 2009? Der Markt ist heterogen und die Konditionengestaltung aggressiv. Große Unterschiede existieren zwischen drei Gruppen, die aus Sicht der NIBC zu unterscheiden sind: den klassischen Verbünden, den überregional tätigen Geschäftsbanken und den Auslandsbanken. Die NIBC Direct ist erst seit Februar 2009 am deutschen Markt und sie ist in einem recht unsteten Marktumfeld gestartet. Ende des vergangenen Jahres waren die Einlagen-Zinssätze in Deutschland lange Zeit auf hohem Niveau stabil, doch in den vergangenen drei Monaten hat sich die Zinslandschaft stark verändert. Die Inter valle zwischen den Senkungsschritten waren relativ kurz. Für einen Newcomer ist das selbstverständlich ein Hindernis: Wir sind mit einem hohen Zinssatz gestartet, den wir nun schrittweise gesenkt haben. Dennoch liegt unser Angebot noch leicht über dem Marktdurchschnitt. Wie vermittelt man jedoch einem Kunden, dass man kein Lockangebot offeriert, sondern sich gerade eben dem aktuellen Markttrend nicht entziehen kann? Auch das Angebot von deutlich über dem Durchschnitt liegenden Zinssätzen würde Misstrauen erregen. Weshalb hat die Bank für den Start des Internet-Tages- und Festgeldkontos in Deutschland diesen schwierigen Zeitpunkt im Februar 2009 gewählt? Wir glauben, dass es derzeit den "richtigen Zeitpunkt" nicht gibt. Im vergangenen Herbst wären wir in eine Hochzinsphase gestartet und dann eben nach einem Vierteljahr in dieselbe Situation gekommen, in der wir jetzt sind. Wir waren im Februar so weit, den Marktstart technisch qualitativ hochwertig zu bewerkstelligen. Es ist außerdem kurzsichtig, nur den Zinssatz als Benchmark zu betrachten. Die NIBC misst sich an den drei Kriterien Offenheit, Qualität des Service und Konditionen. Wie schnell sind sie tatsächlich an den Markt gegangen? Einen der größten Serviceprovider in Deutschland, die Fiducia IT AG und einige Tochtergesellschaften der Fiducia Gruppe, haben wir als Partner gewonnen und arbeiten sehr positiv mit dem Unternehmen zusammen. Wir werden dort auf einer sehr professionellen Basis betreut. Auch deswegen ist uns der Markteintritt in Deutschland in kürzester Zeit gelungen. Wir profitieren davon, dass die Fiducia ein sehr ausgereiftes System hat, das vielleicht auch der Grund dafür ist, warum sich mancher Kunde in unserem Internetbanking so zu Hause fühlt. Das System hat den Vorteil, dass der Zahlungsverkehr sehr reibungslos und schnell funktioniert. Wir haben bewusst nicht unser holländisches System auf Deutschland übertragen, sondern stattdessen annektiert, was im deutschen Markt bereits gängige und gelernte Praxis ist. Wie viele Kunden beziehungsweise Einlagen hat die NIBC Direct bisher in Deutschland gewonnen? Die uns gesteckten Ziele haben wir erreicht; insofern kann man sagen, dass bisher alles nach Plan verläuft und wir haben ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Auch die etablierten Anbieter nehmen uns bereits wahr, das bekommen wir als positives Feedback. Wer ist Ihre Zielgruppe in Deutschland? In Deutschland sind alle internetaffinen Privatkunden unsere Zielgruppe. Dabei kommt uns die Nähe zwischen Deutschland und Holland zugute. Die Mentalität ist durchaus vergleichbar, auch wenn die Internetaffinität der Holländer noch höher ist. Die Deutschen entwickeln jedoch auch immer stärker die Tendenz, sich nicht nur im Internet über Produkte zu informieren, sondern dort auch abzuschließen. Ein gewisses Grundverständnis und ein Grundvertrauen in die Technologie müssen dafür selbstverständlich vorhanden sein. Möchten Sie in weiteren europäischen Ländern an den Markt gehen? Der Markteintritt von NIBC Direct in Deutschland passt zu den bisherigen hiesigen Aktivitäten. In Deutschland sind wir als NIBC bereits 15 Jahre am Markt, wenn auch bisher vielleicht wenig sichtbar. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keine konkreten Pläne, mit NIBC Direct in andere Länder oder Märkte zu expandieren. Welchen Stellenwert hat das Deutschlandgeschäft im Konzern NIBC? Deutschland ist unser zweiter Heimatmarkt. Die kulturelle Verbindung und die Nähe zwischen Holland und Deutschland sind unübersehbar. Seit 15 Jahren ist die NIBC in Deutschland tätig, vor knapp vier Jahren wurde eine Filiale in Frankfurt eröffnet. Damals waren drei Mitarbeiter in Deutschland. Heute sind es mehr als 45 Mitarbeiter. Alle Geschäftsbereiche, die wir in Holland betreiben, sind auch in Deutschland vertreten. Im Bereich Infrastructure sind wir beispielsweise Teil des Konsortiums, das den Ausbau der Autobahn 5 (A5) finanziert. An solchen Beispielen können wir den Kunden glaubhaft vermitteln, dass wir in Deutschland nicht nur Einlagengeschäft betreiben, sondern auch hier investieren. Zwischen dem Einlagengeschäft in Deutschland und dem lokalen Darlehensgeschäft besteht insgesamt eine gesunde Balance. Wen betrachten Sie als Ihren stärksten Wettbewerber? Wir sehen nicht massiv nach dem Wettbewerb, sondern setzen unser Konzept relativ eigenständig um. Wenn überhaupt, dann vergleichen wir uns aber nur mit anderen Banken, die ebenfalls kein "Kleingedrucktes" anbieten und die auf Beschränkungen verzichten. Wir sehen uns nicht als Konkurrent der normalen Volksbank vor Ort, sondern als eine neutrale Bank, die ein gutes Produkt anbietet. Das dürfte die genannte Volksbank vor Ort aber anders sehen. Sie nehmen ihren Mitbewerbern schließlich die Einlagen weg. Das ist lediglich das Ergebnis eines transparenten Produktangebots mit wettbewerbsfähigen Konditionen. Planen Sie, im Privatkundengeschäft weitere Produkte anzubieten? Vorerst nicht. Im Retailgeschäft bieten wir derzeit die Baufinanzierung an, allerdings über den Vertriebsweg des Vermittlergeschäfts und daher zunächst ohne einen direkten Kontakt zum Kunden. Kommen auch weitere Kreditprodukte für Ihr Portfolio in Frage? Vorerst nicht. Können Sie sich vorstellen, beispielsweise den Easy Credit zu vertreiben? Vorerst nicht. Spüren Sie ein Vertrauensdefizit der deutschen Bankkunden zu ausländischen Anbietern? In den ersten vier Wochen mussten wir tatsächlich sehr oft unsere Herkunft als niederländische Bank mit einer soliden Historie klarstellen. Schon heute zeigt aber gerade der hohe Anteil an langfristigen Anlagen in unserem Direktbankgeschäft, dass uns die Kunden vertrauen. Wie sehr hat Ihnen der Fall Kaupthing Edge in Deutschland geschadet? Die Situation von Kaupthing Edge im deutschen Markt hat uns stark betroffen. Für die deutschen Kunden ist dieser Fall noch nicht ausgestanden und er beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung sehr. Wenn er in naher Zukunft zum Wohle der Kunden geregelt ist, dann wird das auch uns zugute kommen. Durch entsprechende Vorfälle sind die Konsumenten aber auch sehr viel mündiger geworden. Das ist durchaus an der Art der Fragen erkennbar, die uns gestellt werden. Diese sind relativ differenziert und daher auch einfacher zu beantworten als allgemein formulierte Fragen. Wenn Kunden die Entscheidung für oder gegen ein Produkt getroffen haben, sind sie meist gut informiert und fühlen sich damit wohl. Das wirkt sich positiv auf die Dauer der Kundenbeziehung aus und auf das Vertrauen, das der Kunde der Bank entgegen bringt. Erwarten Sie ein nachhaltig durch die Finanzkrise verändertes Kundenverhalten? Die Finanzkrise hat das Bewusstsein der Menschen für ihre finanzielle Entscheidungen geschärft. Es gibt verschiedene Produkte, die jetzt anders wahrgenommen werden als bisher, beispielsweise die Offenen Immobilienfonds. Wie hoch ist die durchschnittliche Einlage bei der NIBC Direct? Leider können wir hier keine Zahlen und Werte nennen. Die NIBC unterliegt als niederländische Bank den dortigen gesetzlichen Regelungen zur Einlagensicherung. Wie stehen Sie derzeit zu einer Mitgliedschaft im Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken? Die NIBC ist eine etablierte Bank mit holländischer Banklizenz und EU-Passport. Die angestrebte und in der Zwischenzeit ja schon begonnenen Harmonisierung und Anhebung der Einlagensicherungsgrenzen für alle EU-Staaten ist sicherlich einer der Gründe, warum wir diesen Schritt derzeit für uns nicht sehen. Welchen Stellenwert hat die Marke heute im Geschäft mit Tages- und Festgeldangeboten im Vergleich zu den Konditionen? Ob die Marke NIBC heute schon einen Stellenwert hat, lässt sich nur schwer beantworten. Aber aktuelle Analysen in Suchmaschinen zeigen, dass Kunden oft schon konkret nach NIBC suchen, zum Beispiel unter der Stichworten "Tagesgeld" und "NIBC". Verbraucher, die sich für Tagesgeld und Festgelder interessieren, nehmen uns bewusst wahr. Welche Maßnahmen betreiben Sie, um den Deutschen die Marke NIBC näher zu bringen? Zum Start des Auftritts hatten wir für vier Wochen eine Printkampagne aufgelegt. Der große werbliche Fokus liegt aber auf Online-Marketing. Wir betreiben Suchmaschinenwerbung und sind mit Banner-Kampagnen präsent. Dass wir keine übertriebenen Summen in das Marketing investieren, kommt unseren Kunden über attraktive Konditionen praktisch direkt zugute. Wir sind beispielsweise auch nicht in allen Tagesgeldvergleichen vertreten. Bestimmte privat betriebene Portale sind nicht immer vollständig neutral und haben betriebswirtschaftliche Ambitionen. Wir sind hier sehr zurückhaltend, für einen solchen Vergleich zu zahlen.

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