Verbände als Dienstleister

Die Regionalverbände sind ausgelagerte Werkbänke der Sparkassen

Früher hat man die S-Verbandspräsidenten gerne als Regionalfürsten bezeichnet. Können Sie mit diesem Bild etwas anfangen? Was hat sich gegebenenfalls verändert?

Auch wenn die Begrifflichkeit des "Fürsten" etwas problematisch ist, so ist das Bild doch durchaus passend. Damit wird eine starke regionale Zuständigkeit und ein starker regionaler Einfluss suggeriert, aber eben auch eine Fokussierung auf regionale Interessen.

Welche Anforderungen an die regionalen Verbandspräsidenten halten Sie heute für besonders wichtig?

Ein Verbandspräsident muss heute deutlich mehr Input in fachlichen Fragen geben als das noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Zugleich sind die ursprünglichen Anforderungen an Kommunikationsfähigkeit, die Bereitschaft zu repräsentieren und die Fähigkeit, eine Scharnierfunktion zwischen Politik und Wirtschaft einzunehmen, weiterhin aktuell.

Wieso tritt der Sparkassenverband Niedersachsen weniger lautstark in der bundesdeutschen Sparkassenlandschaft auf als andere Regionalverbände? Liegt das am Naturell des Präsidenten oder nur an der mangelnden Wahrnehmung von Frankfurt aus?

Der Sparkassenverband Niedersachsen ist durchaus bereit, sich zu aktuellen Fragen zu äußern. Und doch hat unsere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einen stärker regionalen Fokus. Wir sehen uns als Sprachrohr der niedersächsischen Sparkassen in Niedersachsen und erkennen hier die Arbeitsteilung mit dem DSGV voll an.

Wie ist das Verhältnis des Sparkassenverbands Niedersachsen zum DSGV? Gibt es angesichts Ihrer ehemaligen Berliner Tätigkeit immer volle Harmonie?

Volle Harmonie erzeugt zu wenig Reibung. Ein Regionalverband sollte mit dem Zentralverband, dem DSGV, einen konstruktiv-kritisch-freundschaftlichen Umgang pflegen.

Der Sparkassenverband Niedersachsen liegt dennoch fast immer auf der gleichen Linie mit dem DSGV und hat wenig Probleme mit dessen Positionierung. Insbesondere bei politischen und regulatorischen Fragen sind wir damit voll einverstanden. Selbstverständlich bestehen wir darauf, unser regionalspezifisches Kolorit einzubringen, doch das tun wir immer hinter verschlossenen Türen, in den Gremien des DSGV. Vor der Arbeit von Herr Haasis haben wir großen Respekt. Er hat unsere Gruppe in den jüngst vergangenen turbulenten Zeiten ausgesprochen gut vertreten.

Die Regionalverbände sind in den fachlichen Fragen stark ausführende Organe. In strategischen Fragen, die auf DSGV-Ebene mit unserer Mitwirkung beraten werden, sind wir für die Umsetzung in unserem großen Flächenland zuständig.

Welche speziellen Interessen des SVN gilt es derzeit gegenüber dem DSGV zu vertreten?

Wir haben keine spezifischen Themen, die uns von anderen Regionalverbänden unterscheiden würden. Sicherlich entstehen jedoch angesichts der Finanzkrise derzeit Diskussionen über die ideale Ausgestaltung eines Haftungsverbundes. In diesem Dialog nimmt der DSGV eine Mediatorenfunktion wahr. Der Regionalverband bündelt die Interessen seiner Sparkassen im DSGV, wobei es natürlich zu Diskussionen zwischen den einzelnen regionalen Verbänden und dem zentralen Verband kommen kann.

Nehmen wir einmal das Beispiel Direktbank: Wie stehen Sie zu den drei Direktbanken im Sparkassensektor? Und sehen Sie die Notwendigkeit für eine zentrale S-Direktbank?

Diese Fragestellung wird in der Tat in der ganzen S-Finanzgruppe kontrovers diskutiert. Und genauso kontrovers sprechen wir darüber auch in Niedersachsen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die niedersächsischen Sparkassen nicht von den bayerischen oder den baden-württembergischen.

In den Gremien des Sparkassenverbandes Niedersachsen wird eine zentrale S-Direktbank abgelehnt, da wir diese nicht für erforderlich halten. Auch den Umgang mit den bestehenden Direktbankaktivitäten sehen wir kritisch. Es ist nach unserer Meinung nicht sinnvoll, durch Aufkauf dieser Direktbanken das Problem zu sozialisieren. Wir haben hier in Niedersachsen keine Direktbank gegründet und uns an die Linie der Organisation gehalten, daher sehen wir die Aktivitäten in anderen Bundesländern durchaus kritisch.

Lassen Sie uns über die Kernkompetenzen der Sparkassenverbände sprechen. Wie kann ein Regionalverband den Sparkassen vor Ort helfen?

Der Regionalverband muss sich selbstverständlich an den Marktaktivitäten der Sparkassen orientieren. Er sollte deren Marktimpulse aufnehmen, sie auf der Ebene des DSGV mit den anderen Regionalverbänden in eine Strategie umsetzen und dann im Rücklauf wieder in die Sparkassen tragen. Dort sollten sie bestmöglich und mit wenig Belastungen für die Sparkassen umgesetzt werden. Die Regionalverbände und auch der DSGV sind ausgelagerte Werkbänke der Sparkassen. Selbstverständlich muss der Regionalverband in diesem Sinne auch Bereiche darstellen, die für die kleineren Häuser mit geringeren Kapazitäten schwierig abzubilden sind, beispielsweise das Behandeln juristischer Fragestellungen oder solcher des Steuerrechts, aber auch Compliance-Themen.

Sehr stark an Bedeutung gewonnen hat das Beteiligungscontrolling. Der Sparkassenverband Niedersachsen hält 34 Beteiligungen für die Institute. Noch vor wenigen Jahren wurden diese Beteiligungen vermehrt verwaltet und nach juristischen Kriterien beaufsichtigt. Heute werden sie streng nach finanzwirtschaftlichen Maximen gelenkt. Das lässt sich am besten an der Landesbank verdeutlichen, bei der der Verband proaktiv vorgeht. Er führt hier ein Trägercontrolling durch, das darauf ausgerichtet ist, frühzeitig Einfluss auf die Geschäftspolitik der Bank zu nehmen und nicht wie in einer Konsumentenhaltung die Entwicklung nur abzuwarten.

Eine weitere Funktion, die deutlich zugenommen hat, ist die Lobbyarbeit. Das ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass die privaten Banken eine extreme Lobbyarbeit betreiben: Insbesondere der Bundesverband deutscher Banken und der europäische Bankenverband haben in Brüssel politisch agiert. Noch vor fünf Jahren war der Einfluss der Sparkassen auf diesen Ebenen zu gering, die Lobbyfunktion des DSGV musste gestärkt werden. Die Regionalverbände aber müssen die Landesregierungen sowie die kommunalen Spitzenverbände erreichen. Hier sind nicht nur die Fragestellungen des Sparkassenrechts von Interesse - sondern der Verband nimmt beispielsweise an Anhörungen des Niedersächsischen Landtages teil, um wirtschaftliche Entwicklungen zu kommentieren und Fragen einer Kreditklemme zu bearbeiten. Dort wird so der spezifische Blick der Sparkassen eingebracht.

Was bedeutet der DSGV-Beschluss zur besseren Marktbearbeitung für die S-Regionalverbände? Welche neuen Aufgaben bringt er gegebenenfalls für den Sparkassenverband Niedersachsen mit sich?

Im Prinzip bringt er keine neuen Aufgaben mit sich, sondern nur en detail. Durch die Schwerpunktverlagerung müssen die Regionalverbände ihre Ausrollmechanismen überarbeiten. In der Umsetzung müssen einige Prioritäten verändert werden. Aber die Form der Abarbeitung bleibt die gleiche.

Wie viel darf ein S-Regionalverband kosten?

Der Regionalverband darf so viel kosten, wie die Sparkassen bereit sind zu zahlen. Die Umlagen des Sparkassenverbandes Niedersachsen sind seit Jahren leicht rückläufig. Das liegt an einer Aufgabenrevision in den vergangenen Jahren und einem verstärkten Verbandscontrolling. Dabei wurden Aufgabenbereiche reduziert, die die Sparkassen weniger nachfragen. Außerdem wurde die Verwaltung des Verbandes verkleinert.

Unsere Haushaltsaufstellung wird alljährlich von den Sparkassen in Verbindung mit einer Aufgabenschwerpunktsetzung akzeptiert. Für das Folgejahr wird dann der Bedarf der Institute ermittelt und damit die Kapazitäten, die für das Jahr vorgehalten werden müssen. Der Spielraum für Unvorhergesehenes beträgt im Sparkassenverband Niedersachsen maximal fünf bis zehn Prozent.

An welchen Kenngrößen lässt sich die Kostenbelastung für die Sparkassen festmachen?

Vor einigen Jahren wurde in der S-Organisation rege diskutiert, wie viele Regionalverbände man braucht, wie groß und wie teuer sie sein dürfen. Selbstverständlich wollen die Institute keinen aufgeblasenen Apparat finanzieren. Damals haben wir uns einem internen Vergleich aller Regionalverbände gestellt, in dem die Aufgaben, die Qualität der Aufgabenerledigung und die Kosten gegeneinander gelegt wurden. Aus diesem Vergleich haben wir einige Ableitungen gezogen. In manchen Teilbereichen hatten wir überdurchschnittliche Mitarbeiterkapazitäten, aber keine überdurchschnittlichen Leistungen, in anderen Bereichen waren wir unter den Verbänden mit dem besten Verhältnis zwischen Kosten und Leistung.

Im Sparkassenverband wird schon seit einiger Zeit über das Einrichten von Kompetenzzentren in den regionalen Verbänden diskutiert. Welche besonderen Kompetenzen sehen Sie diesbezüglich beim Sparkassenverband Niedersachsen?

Wir haben beispielsweise mehrere Schwerpunktaufgaben im Zuge der Fusion der beiden IT-Dienstleister der S-Finanzgruppe übernommen. Für den Vertrieb haben wir gemeinsam mit unseren Sparkassen ein Steuerungstool entwickelt, das wir auch den anderen Regionalverbänden angeboten haben. Diese waren auch teilweise daran interessiert, wie wir unser Beteiligungsmanagement organisiert haben.

Die Clusterbildung wird natürlich nicht so weit gehen, dass ein Verband die Marktfragen übernimmt und ein anderer die betriebswirtschaftlichen Fragestellungen bearbeitet. Der Querschnitt der Aufgaben wird im Prinzip in allen Regionalverbänden gleichbleiben. Beispielsweise wird kein Verband seine Zuständigkeit für die Marktfragen weggeben und keiner wird seine juristische Abteilung auf Null abbauen. Die Kernaufgaben müssen bei jedem Verband verbleiben, aber innerhalb dieser Kernaufgaben kann man - eventuell auch nur temporär bündeln.

Wie sieht die Aufgabenverteilung zwischen DSGV und den Regionalverbänden aus? Was muss in jedem Fall in der Region bleiben?

Wir sind Anhänger des Subsidiaritätsprinzips und der regionalen Anbindung. Alle Aufgaben, die wir in Hannover durchführen können, verbleiben hier. Für den DSGV ist es gar nicht zu leisten, mit all diesen föderativen Strukturen umzugehen.

Dort hat man mit politischen Aufgaben alle Hände voll zu tun. Wir haben daher immer davon abgesehen, Aufgaben nach oben wegzudelegieren. Selbstverständlich akzeptieren wir dennoch den strategischen Führungsanspruch des demokratisch organisierten DSGV.

Das klingt ein wenig nach dem Bewahren von Pfründen.

Wenn wir feststellen, dass eine Aufgabe in einer zentralen Stelle besser und effizienter abgearbeitet werden kann, dann geben wir sie selbstverständlich ab. Solche Aufgaben hingegen, von deren reibungslosem Ablauf wir hier in der Region überzeugt sind, behalten wir im Land.

Was halten Sie von länderübergreifenden S-Verbänden? Sind diese angesichts der kommunalen Bindung überhaupt denkbar?

Eine Verbandsfusion unserer Organisation mit der in Schleswig-Holstein ist vor einigen Jahren am Widerstand der Politik gescheitert. Im Rückblick sind wir darüber nicht unglücklich. Unsere kommunalen Einrichtungen sind sehr froh, dass wir in unserem Flächenland einen Sparkassenverband haben, der mit nur einem Bundesland verhandeln muss und die Interessen der kommunalen Träger und ihrer Sparkassen angemessen wahren kann. Das Thema der länderübergreifenden Fusion stellt sich dementsprechend in der nächsten Zeit für uns nicht.

Welche Auswirkungen hat die neue genossenschaftliche Verbandskonstellation Frankfurt/Hannover auf den Sparkassenverband Niedersachsen?

Wir verfolgen diese Fusion mit großem Interesse. Die genossenschaftliche Organisation ist beim Thema Verbände aber anders gepolt als die Sparkassenorganisation. Einerseits gibt es mehr Genossenschaftsbanken, andererseits weniger und größere Regionalverbände und einen Spitzenverband mit geringerer Bedeutung. Die Struktur verdichtet sich also nach oben hin stark, was an sich nicht schlecht ist. Das gilt auch für die Verbundeinrichtungen: Die Kreditgenossenschaften haben weniger Spitzenbanken, nur eine Versicherung und auch nur eine Bausparkasse, was erhebliche Vorteile bringt.

In der S-Organisation ist durch die regionale Anbindung auch der Verbundinstitute die Bedeutung der Regionalverbände für die Gebietskörperschaften intensiver. Auch wegen der rechtlichen Fragen halten wir eine stärkere Fokussierung auf das Bundesland nach wie vor für richtig.

Unser gutes und freundschaftliches Verhältnis zum Genossenschaftsverband wird indessen durch dessen Fusion und die neue Größenordnung hoffentlich nicht beeinträchtigt. In allen regulatorischen Fragen stimmen die Verbünde überein, insbesondere bei Themen wie Bankenregulierung, Rechnungslegungsstandards oder Basel II.

Wie beurteilen Sie derzeit die Größenstrukturen der Institute im Sparkassenverband Niedersachsen? In welchem Rahmen bewegen sich die Bilanzsummen?

Die durchschnittliche Betriebsgröße unserer Sparkassen ist vergleichsweise klein. Konzentrationstendenzen in unserem Verbandsgebiet gehen von den Gebietskörperschaften aus (zum Beispiel gegebenenfalls durch eine Kreisreform). Wenn Fusionsbestrebungen von der Sparkassenseite her kommen, dann manchmal auch deshalb, weil es einer Sparkasse nicht ganz so gut geht.

Wenn zwei Sparkassen fusionieren wollen, um eine Gemengelage zu beseitigen, dann unterstützten wir das. Gleiches gilt, wenn zwei benachbarte Sparkassen zusammengehen, um ihren Wirtschaftsraum besser bearbeiten zu können. Aber wir fordern Zusammenschlüsse nicht ein. Der Wunsch soll in der Sparkasse selbst entstehen, das ist unsere Philosophie.

Das Land ist sehr konservativ geprägt, das Selbstbewusstsein der kommunalen Gebietskörperschaften und der Kommunalpolitiker in Relation zur Landesregierung ist sehr groß. Davon profitieren wir, denn auf diesem Fundament stehen wir.

Wie ist die Risikolage der SVN-Sparkassen?

Das Bewertungsergebnis Wertpapiere liegt höher als das langjährige Mittel. Das Bewertungsergebnis Kreditgeschäft ist niedriger als das langjährige Mittel, im Ergebnis liegt es im Durchschnitt, was angesichts der Turbulenzen durchaus positiv zu sehen ist.

Wie ist die Ertragslage der Sparkassen?

Das Betriebsergebnis beläuft sich vor Bewertung auf 760 Millionen Euro, das sind 0,83 Prozent der DBS. Damit sind wir angesichts des schwierigen Bankenjahres zufrieden.

Geht die deutsche Kreditwirtschaft in Ihren Augen die Finanzkrise geschlossen genug an?

Die Finanzwirtschaft ist die Krise nicht besonders geschlossen angegangen. Das Vorgehen war eher interessengetrieben. Wenn man sich anschaut, wie die Krise der IKB und der Hypo Real Estate angegangen wurden, dann stellt man fest, dass die Kreditgenossenschaften und Sparkassen als Zusatzzahler gern gesehen waren. Bei der Lösung der Probleme im Landesbankensektor hat uns jedoch noch niemand geholfen. Insofern ist das eine Einbahnstraße. Die Kreditwirtschaft hat nicht an einem Strang gezogen.

Die Politik hat mit dem SoFFin ein Paket geschnürt, das für alle Bankengruppen gelten könnte - in der Umsetzung sehe ich allerdings deutliche Ungleichbehandlung. Der Stichtag des Inkrafttretens des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes ist ein absolutes Theater. All das, was in der Bilanz der Commerzbank schiefgelaufen ist, ist vor diesem Stichtag passiert. Auch die Übernahme der Dresdner und deren Probleme sind vor dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz entstanden.

Es heißt mit zweierlei Maß zu messen, wenn man hier sofort mit Hilfen zur Seite steht. Die gesamten staatlichen Eigenkapital-Spritzen sind bisher ausschließlich in die Commerzbank geflossen. Hier hätten die Landesbanken stärker in den nationalen Hilfsfonds hineingezogen werden müssen. Durch das Zurückspielen dieser Probleme auf die Länderebenen hat man eine bessere Ausgangslage auf eine angemessene Konsolidierung in diesem Sektor vergeben.

Der HSH Nordbank wurde gesagt, dass man ihr erst helfen könne, wenn sie eine entsprechende Eigenkapitalquote aufweist, das war eine völlige Ungleichbehandlung zur Commerzbank.

Für den Steuerzahler macht es zwar vordergründig keinen Unterschied, ob die Länder oder der Bund das Geld zuschießen, doch wenn die Sparkassen als Träger ebenfalls hinzugezogen werden, müssen sie hier ihr Geld investieren. Wenn sie wie beispielsweise in Bayern oder Schleswig Holstein bei Kapitalerhöhungen nicht mehr mitziehen, dann verwässert ihr Anteilsbesitz und sie werden quasi enteignet. Das führt zu einer Entfremdung der jeweiligen Landesbank von der Sparkassenwelt.

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