IT im Vertrieb

Paradigmenwechsel im Kundenmanagement

Immer noch steht bei vielen Kreditinstituten das Produkt im Mittelpunkt. Hier muss jedoch ein Paradigmenwechsel stattfinden, meint Marc O. Drobe. Statt zu analysieren, welche Kunden wohl ein bestimmtes Produkt kaufen werden, untersuchen moderne Customer -Management-Systeme, welche Produktangebote ein Kunde zu welchem Zeitpunkt mit der höchsten Wahrscheinlichkeit annehmen wird. Dabei ist eine Rundum-Sicht auf den Kunden erforderlich, die auch künftige Veränderungen etwa der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einbezieht. Red.Ein effektives Kundenmanagement muss den Kunden in den Mittelpunkt stellen und Aufschluss darüber geben, an welchem Punkt im Kundenlebenszyklus er sich gerade befindet. Bei vielen Kreditinstituten stehen jedoch nach wie vor die Produkte im Vordergrund. Der umgekehrte Weg ist jedoch erfolgversprechender: die Anpassung der Angebote und Marketingmaßnahmen an den Kunden, seine Situation und seine Bedürfnisse. Der Schlüssel hierzu liegt in der laufenden Überwachung der Kundenbeziehung in Kombination mit moderner Analyse- und Prognosemethoden (Predictive Analytics). Diese ermöglichen präzise Vorhersagen dazu, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Kunde zu welchem Zeitpunkt ein offenes Ohr für ein neues Produktangebot hat, sowie eine schnelle Umsetzung in der Praxis. Auf der Basis dieser Informationen lassen sich für den Kunden passende Angebote definieren. 360-Grad-Blick auf den Customer Life Cycle Die klassische Vorgehensweise wird somit auf den Kopf gestellt. Denn es steht nicht mehr die Frage im Zentrum: "Wie viele Kunden eines bestimmten Segments werden ein Angebot annehmen?" Sondern es werden mit Hilfe eines analytischen Modells folgende Fragen beantwortet: "Welche Produkte sollten ihm angeboten werden beziehungsweise für welche Produkte besteht die höchste Wahrscheinlichkeit, dass das Angebot angenommen wird? Welche weiteren Produkte wird er wahrscheinlich zeitnah zusätzlich benötigen? Welche Vertriebs- und Kommunikationskanäle nutzt der Kunde, und variiert die Nutzung tages- oder saisonabhängig? Eine wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches Customer Management ist die Auswertung von Daten aus sämtlichen Geschäfts- und Produktbereichen, quer über sämtliche Applikationen und Kommunikationskanäle hinweg. Dazu müssen Datensilos aufgebrochen, die entsprechenden Systeme vernetzt und organisatorisch die Prozesse angepasst werden. Nur so ist es möglich, bei der Erstellung von Prognosen und Analysen alle vorhandenen Informationen zu einem Kunden zu nutzen. Das Customer-Management-System sollte deshalb auch mit den Systemen für For derungsmanagement und Beitreibung vernetzt sein und stets eine komplette 360-Grad-Sicht auf die gesamte Kundenbeziehung bieten. Auf diese Weise lässt sich wertvolles Wissen bündeln und vermeiden, dass zum Beispiel einem Kunden, der bereits Zahlungsschwierigkeiten hat, ein Passivprodukt angeboten wird. Nur wirklich integrierte Systeme erlauben vernetze Entscheidungen und Optimierungen über den gesamten Kundenlebenszyklus hinweg. Sie geben dem Berater zuverlässige Informationen dazu, wann er einen Kunden mit welchem Angebot ansprechen sollte und auf welche Art der Ansprache der Kunde besonders gut reagiert. Im Gegensatz zu traditionellen CRM-Systemen ermittelt das System zusätzlich, welche konkrete Aktion die höchsten Erfolgsaussichten verspricht. Wissen, ob ein Angebot ankommt Der Erfolg neuer Angebote lässt sich besser abschätzen, wenn in den Prognosemodellen nicht nur die Eigenschaften der Kunden und deren individuelles Verhalten, sondern weitere Erfolgsfaktoren modelliert werden. Dazu gehört beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden auf ein Angebot reagieren, dass sie es annehmen, oder dass sie abwandern. Im Zentrum dieser Modelle stehen Prognosen dazu, wie ein Kunde wahrscheinlich auf ein bestimmtes Angebot reagieren wird (Beziehung von Ursache und Wirkung). Es wird bei dieser Vorgehensweise also zuerst ein Modell und erst dann ein Entscheidungsbaum erstellt. Ziel ist es, für jeden einzelnen Kunden zum bestgeeigneten Zeitpunkt ein auf seine persönlichen Bedürfnisse abgestimmtes, maßgeschneidertes Angebot zu unterbreiten. Künftige wirtschaftliche Perspektiven einbeziehen Um auf lange Sicht mit Customer Management innerhalb des bestehenden Kundenstamms erfolgreich zu sein, ist es außerdem ratsam, den Kunden nicht nur in seiner aktuellen Situation und aufgrund seiner Historie zu beurteilen, sondern auch seine künftigen wirtschaftlichen Perspektiven zu berücksichtigen. Denn nur wenn ein Kunde die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, um in Zukunft zusätzlichen Verpflichtungen wie der Bedienung eines weiteren Kredits nachzukommen (Credit Capacity), wird er zufrieden und für die Bank profitabel bleiben. Bei der Beurteilung der Perspektiven eines Kunden spielt neben den persönlichen Voraussetzungen auch die Entwicklung der Gesamtwirtschaft eine Rolle. Ist beispielsweise mit einer Verschlechterung der Auftragslage und infolgedessen gar mit einer Rezession und mit drohendem Ar beitsplatzabbau zu rechnen, kann dies gravierende Folgen für die künftige Entwicklung der Kundenbeziehung nach sich ziehen. Es ist deshalb notwendig, bei der Erstellung der Prognosen nicht nur historisches Verhalten, sondern auch künftige Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzubeziehen - denn diese können das künftige Verhalten der Kunden beeinflussen. Die Auswertung historischer Daten hilft hierbei freilich wenig. Es müssen vielmehr zusätzlich zukunftsbezogene Daten in die Prognosemodelle und Entscheidungsstrategien integriert werden. Zielkonflikte lösen In der Praxis lässt sich außerdem häufig beobachten, dass neue Strategien zur Kundenansprache lediglich anhand weniger einfacher Ad-hoc-Regeln aufgestellt werden. Dabei können häufig nicht alle Geschäftsziele gleichermaßen berücksichtigt werden. Infolgedessen sind die Kampagnen nicht komplett auf die Gesamtstrategie abgestimmt und die Ergebnisse nicht optimal. Erschwerend kommt hinzu, dass einzelne Geschäftsziele häufig in Konkurrenz zueinander stehen und regulatorische Vorschriften die Komplexität erhöhen. Moderne Software für Entscheidungsmanagement ist in der Lage, Zielvorgaben unterschiedlich zu gewichten und Zielkonflikte, wie sie beispielsweise zwischen dem Ziel "Ertragssteigerung" und dem Ziel "Risikominimierung" bestehen, auszubalancieren. Bei diesem Ansatz werden sowohl interne Restriktionen, wie sie beispielsweise die Kapazitäten des Vertriebsteams darstellen, als auch externe Restriktionen wie regulatorische Vorgaben in die Betrachtungen mit einbezogen und entsprechend modelliert. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise optimale Strategien für die Kreditvergabe im Einklang mit den individuellen Geschäftszielen entwickeln. Strategien gegeneinander abwägen Das Herzstück einer entsprechenden Software besteht aus einem komplexen Entscheidungsmodell, welches in eine Analyse- und Simulationsanwendung eingebettet ist. Abgestimmt auf das betreffende individuelle Portfolio lassen sich die Auswirkungen von Entscheidungsparametern wie Kreditbetrag und Zins auf Messgrößen wie Aktivierungsrate, Kundenfluktuation und Ertrag bewerten. Es werden somit die Beziehungen sämtlicher Einflussfaktoren in die Bewertungen mit einbezogen. Um innerhalb kurzer Zeit verschiedene optimierte Szenarien zu berechnen und deren Ergebnisse vergleichen zu können, bedarf es außerdem einer leistungsstarken Optimierungssoftware. Erfolgreiches Customer Management muss für jeden einzelnen Kunden das optimale Angebot generieren und dabei den gesamten Kundenlebenszyklus sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Spezialsoftware mit integrierten Modellen zur Prognostizierung von Kundenverhalten und leistungsstarken Optimierungstools für Entscheidungsmanagement ermöglicht es, optimierte Strategien im Einklang mit den Geschäftszielen zu erstellen und für jeden einzelnen Kunden ein seinen Bedürfnissen und seiner künftigen finanziellen Verhältnisse entsprechendes Angebot zu generieren. Auf der Basis der hieraus gewonnenen Informationen lassen sich zusätzliche Anspracheanlässe generieren und jedem einzelnen Kunden zu gegebenem Zeitpunkt ein attraktives, auf ihn persönlich zugeschnittenes Angebot unterbreiten. Solch eine Vorgehensweise trägt nachweislich zu Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bei und reduziert die Kundenfluktuation.

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